Berufliche Bildung
I. Pädagogisch
Abschnitt druckenB.B. ist für den einzelnen ein Schlüssel zur Beschäftigungsfähigkeit, zur Persönlichkeitsentwicklung, dem lebensbegleitenden Lernen sowie zur gesellschaftlichen Teilhabe (Partitizipation). Die Unternehmen bilden durch ihr Engagement den erforderlichen Nachwuchs an Fachkräften heran, schaffen sie die Voraussetzungen für Innovationen (Innovation), und sie sichern sich damit ihre Wettbewerbsfähigkeit. B.B. muss daher sowohl den Interessen der Lernenden an einer hochwertigen Aus- und Weiterbildung gerecht werden als auch die Interessen der Unternehmen und die Bedarfe des Beschäftigungssystems berücksichtigen.
Im Sinne des BBiG umfasst die b.B. die Berufsausbildungsvorbereitung, die Berufsausbildung in anerkannten Ausbildungsberufen, die berufliche Fortbildung und die berufliche Umschulung. Das SGB III differenziert hingegen unter Fördergesichtspunkten zwischen der beruflichen Fortbildung, Umschulung und Rehabilitation. Im Folgenden wird das Verständnis des BBiG zugrunde gelegt. Fortbildung, Umschulung und Rehabilitation werden dabei unter dem Begriff der beruflichen Weiterbildung subsumiert.
1. Berufsausbildungsvorbereitung
Die Berufsausbildungsvorbereitung zielt darauf ab, Jugendliche und junge Erwachsene, die auf ihrem Weg in Ausbildung und Beruf einer besonderen Unterstützung bedürfen, so zu fördern, dass sie in der Lage sind, eine berufliche Erstausbildung oder eine Beschäftigung aufzunehmen. Die Zahl entsprechender Bildungsgänge und Fördermaßnahmen ist vielfältig. Sie werden der sogenannten Benachteiligtenförderung zugerechnet, wenngleich sich unter den Lernenden auch Absolventen mit einem mindestens mittleren Bildungsabschluss befinden. Die wichtigsten schulischen Bildungsgänge sind das BVJ und das BGJ, teilweise auch die ein- und zweijährigen Berufsfachschulen mit unterschiedlichen Ausprägungen in den Bundesländern. Die außerschulischen Fördermaßnahmen werden zumeist auf der Grundlage des SGB III durch die BA finanziert. Von Bedeutung sind v. a. die EQ und die BvB.
Der Berufsausbildungsvorbereitung kommt eine Brücken- und Übergangsfunktion zu. Sie nimmt überwiegend junge Menschen auf, die ihre Schulpflicht beendet haben, bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz aber erfolglos geblieben oder die in ihren Berufswünschen noch unsicher sind. Ein anerkannter Berufsabschluss wird durch die Teilnahme nicht erworben. Wohl aber haben die Lernenden die Möglichkeit, den Hauptschulabschluss nachzuholen oder einen mittleren Bildungsabschluss zu erreichen. Außerdem erwerben sie eine einführende b.B. in einem oder mehreren Berufsfeldern. Beim Übergang in ein Arbeitsverhältnis gilt die Verpflichtung zum Besuch der Berufsschule im Allgemeinen als erfüllt.
Der Erfolg der Berufsausbildungsvorbereitung zeigt sich zum einen im Erwerb weiterführender Schulabschlüsse, den Übergängen in weiterführende Bildungsgänge sowie den Übergängen in eine anerkannte Berufsausbildung. Gerade Letzteres gelingt den Teilnehmern oftmals nicht oder erst nach mehreren vergeblichen Versuchen, denn auf Arbeitgeber wirkt die Teilnahme an Maßnahmen der Berufsausbildungsvorbereitung stigmatisierend. Die Förderkonzepte stehen deshalb in der Kritik. Bemängelt werden die Unübersichtlichkeit der Fördermaßnahmen, die unklaren Bildungsprofile, die Heterogenität der Lerngruppen sowie letztlich auch die als zu gering eingeschätzte Wirksamkeit. Am erfolgreichsten sind solche Bildungsmaßnahmen, die betriebliche Lernphasen integrieren oder in Betrieben stattfinden.
2. Berufsausbildung
Die Berufsausbildung ist eine zentrale Säule des deutschen Produktionsmodells. Es zeichnet sich durch eine hochflexible und kundenspezifische Fertigung sowie eine hohe Zahl von beruflich qualifizierten Fachkräften mit einer langjährigen Betriebszugehörigkeit aus. Die Berufsausbildung erfolgt in unterschiedlichen Formen und aufgrund unterschiedlicher Rechtsgrundlagen. Die duale Berufsausbildung hat quantitativ gesehen die größte Bedeutung. Sie ist durch das BBiG bzw. die HandwO sowie die Schulgesetze der Länder geregelt. Daneben gibt es eine Reihe von Berufen, die vollschulisch ausgebildet werden. Grundlage sind entweder bundesgesetzliche Regelungen wie in den Gesundheits-, Pflege- und Sozialberufen oder die Schulgesetze der Bundesländer wie bei den sogenannten Assistentenberufen. Das sind meist zweijährige Ausbildungsgänge, die zu einem beruflichen Abschluss führen, der auf dem Arbeitsmarkt allerdings nur begrenzte Anerkennung erfährt. Eine Sonderform stellt die Beamtenausbildung im öffentlichen Dienst mit den entsprechenden Laufbahnen, Qualifizierungsformen und Prüfungen dar. Darüber hinaus gibt es b.B.s-Gänge von privaten Bildungsanbietern, die auf keiner gesetzlichen Grundlage beruhen. Ihnen kommt aber keine große Bedeutung zu.
Das Ziel der Berufsausbildung nach BBiG/HandwO ist die berufliche Handlungsfähigkeit. Dazu hat die Berufsausbildung nach § 1 Abs. 3 BBiG die für die Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit in einer sich wandelnden Arbeitswelt notwendigen beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten in einem geordneten Ausbildungsgang zu vermitteln. In der Abschlussprüfung soll der Lernende nachweisen, dass er die erforderlichen Fertigkeiten beherrscht und die notwendigen Fachkenntnisse besitzt. Die Prüfung besteht aus einem schriftlichen, mündlichen und praktischen Teil. Sie kann entweder als einheitliche Prüfung am Ende der Ausbildung oder als gleitende Prüfung in mehreren Etappen abgelegt werden.
2.1 Duales Prinzip: Kombination unterschiedlicher Lernorte
Die Kombination des Unterrichts an Berufsschulen und der Ausbildung in Unternehmen, öffentlichen Einrichtungen oder Praxen ist das zentrale Merkmal des „dualen Systems“ der Berufsausbildung. Die Auszubildenden unterliegen der Berufsschulpflicht und erhalten Unterricht in berufsspezifischen und allgemeinbildenden Fächern, insb. in Deutsch, Mathematik, Fremdsprache, Sozialkunde, Sport und Religion. Durch eine erfolgreiche Berufsausbildung können deshalb zugleich allgemeinbildende Abschlüsse erworben werden. Z. T. müssen dafür zusätzliche Kurse und Fächer belegt werden. Die Rahmenstoffpläne für den Berufsschulunterricht und die Ausbildungsordnungen für den betrieblichen Teil sind aufeinander abgestimmt.
Mit dem Ausbildungsvertrag wird ein zeitlich befristetes Arbeitsverhältnis begründet. Der Ausbildungsbetrieb übernimmt damit die Verantwortung, den Auszubildenden zum erfolgreichen Abschluss der Ausbildung zu führen. Mit dem Bestehen der Prüfung endet das Ausbildungsverhältnis automatisch. Es besteht kein Anspruch auf Weiterbeschäftigung. Allerdings wird, in Abhängigkeit von der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens und den Leistungen der Auszubildenden, ein Großteil anschließend in ein reguläres Arbeitsverhältnis übernommen.
Die Dauer der Berufsausbildung beträgt zwischen zwei und dreieinhalb Jahren. Bei entsprechender schulischer Vorbildung kann die Ausbildungszeit verkürzt werden. Bei guten Leistungen während der Ausbildung besteht zusätzlich die Möglichkeit einer vorzeitigen Zulassung zur Abschlussprüfung. Umgekehrt kann die Ausbildungsdauer bei Lernschwierigkeiten auf Antrag verlängert werden. Gleiches gilt bei einem Scheitern in der Abschlussprüfung. Der Abschluss einer zweijährigen Ausbildung kann auf einen affinen dreijährigen Ausbildungsgang angerechnet werden (sogenannte unechte Stufenausbildung).
Das duale Prinzip kann unterschiedlich gestaltet sein. Der Unterricht an den Berufsschulen findet teilweise in Blockform, teilweise berufsbegleitend an ein oder zwei Wochentagen statt. Er kann in Fachklassen erteilt werden, in denen nur Auszubildende eines Berufes unterrichtet werden. Je nach Stärke der Berufe können Fachklassen auch auf Landes- oder Bundesebene gebildet werden. Ebenso können verschiedene, i. d. R. verwandte Berufe in einer Klasse zusammengefasst werden. Auch in den Betrieben kann die Ausbildung unterschiedlich organisiert sein. Sie findet teilweise am Arbeitsplatz und im Arbeitsprozess statt, wird in gesonderten betrieblichen Unterrichtseinrichtungen oder Werkstätten durchgeführt, an Partnerunternehmen delegiert oder in Zusammenarbeit mit externen Bildungsdienstleistern organisiert.
In kleinbetrieblich strukturierten Branchen, insb. dem Handwerk, übernehmen überbetriebliche Ausbildungsstätten Aufgaben, die von den einzelnen Ausbildungsbetrieben allein nicht wahrgenommen werden können. Investitionen in Gebäude, Maschinen und Medien werden wesentlich mit Mitteln des Bundes und der Bundesländer finanziert. Die Finanzierung der Ausbildungsmaßnahmen erfolgt durch die entsendenden Unternehmen oder mittels einer Umlage über die Mitgliedsunternehmen. Überbetriebliche Ausbildungsstätten haben sich zu wichtigen Zentren der beruflichen Aus- und Weiterbildung sowie des Technologietransfers entwickelt.
Darüber hinaus gibt es, häufig unterstützt durch staatliche Programme, eine Reihe von Bildungsdienstleistungen, die Betriebe in Anspruch nehmen können. Sie unterstützen Unternehmen bei der Integration von jungen Menschen mit Lernschwierigkeiten oder Sozialisationsdefiziten (Sozialisation). Externe Partner unterstützen als Berufseinstiegsbegleiter oder bieten ausbildungsbegleitende Hilfen für Jugendliche an, die an den Anforderungen der Berufsschule zu scheitern drohen (Arbeitsverwaltung).
Die duale Ausbildung sichert eine qualifizierte Berufsausbildung mit guten Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt. In den Ländern mit dualen Systemen – das sind neben Deutschland v. a. Österreich und die Schweiz – ist die Jugendarbeitslosigkeit deshalb im Allgemeinen sehr gering. Unternehmen beteiligen sich an der Berufsausbildung, weil sie damit ihren Bedarf an qualifizierten Fachkräften sichern. Dies ist zwar in vielen Berufen mit Nettokosten für die Betriebe verbunden. Diese Investition zahlt sich mittelfristig bei einer Übernahme der Auszubildenden in ein Beschäftigungsverhältnis aus.
Die Abhängigkeit des Angebots an Ausbildungsplätzen von der wirtschaftlichen Situation und den Entscheidungen der Unternehmen über den künftigen Fachkräftebedarf ist ein zentraler Kritikpunkt. Denn sie bedeutet, dass in Zeiten schwachen Wirtschaftswachstums und mit Arbeitsmarktproblemen zu wenig betriebliche Ausbildung angeboten wird. An einer Ausbildung interessierte Schulabgänger müssen stattdessen auf schulische Bildungsgänge im Übergangsbereich oder auf öffentlich geförderte außerbetriebliche Ausbildungsangebote ausweichen. Initiativen zur Einführung einer Ausbildungsgarantie oder einer gesetzlichen Umlagefinanzierung, an der alle Arbeitgeber beteiligt würden, haben sich politisch nicht durchsetzen können.
2.2 Berufsprinzip: Definition von Mindeststandards
Beruf meint die im Rahmen einer arbeitsteiligen Wirtschaft aufgrund einer besonderen Eignung und Neigung systematisch erlernte und mit einem anerkannten Qualifikationsnachweis versehene, dauerhaft gegen Entgelt ausgeübte spezialisierte Betätigung. Die amtliche Statistik verwendet die Klassifikation der Berufe als systematische Grundlage. Danach werden Erwerbsberufe nach der Artverwandtschaft der Tätigkeiten, Kenntnisse und Fertigkeiten sowie dem Anspruchsniveau zusammengefasst. Berufe (Beruf) werden aufgrund einer Berufsausbildung, einer akademischen Ausbildung oder auch einer mehr oder weniger langen Berufserfahrung ausgeübt.
Die Berufsausbildung ist auf anerkannte Ausbildungsabschlüsse ausgerichtet. Allein im dualen System gibt es (Stand: 2015) rund 330 verschiedene anerkannte Ausbildungsberufe. Sie werden in praktisch allen Wirtschaftssektoren ausgebildet und erschließen ein breites Feld von Erwerbsberufen. Berufsbilder sind daher dem Anspruch nach breit profiliert und nicht auf spezifische Tätigkeiten in einzelnen Betrieben hin ausgerichtet. Sie sollen junge Menschen zum Weiterlernen im Beruf befähigen, aber auch einen beruflichen Wechsel erleichtern. Davon zu unterscheiden sind Ausbildungsregelungen der zuständigen Stellen für Menschen mit Behinderungen nach § 66 BBiG. Sie vermitteln lediglich eine berufliche Teilqualifikation.
Die Zahl der anerkannten Ausbildungsberufe ist im Laufe der Zeit deutlich reduziert worden. Weggefallen sind v. a. zahlreiche Ausbildungsberufe mit einer kurzen Dauer, die sogenannten Anlernberufe, sowie zahlenmäßig schwach besetzte Splitterberufe. Außerdem wurden eine Reihe von Monoberufen zusammengefasst. Entsprechend ist die Zahl der Ausbildungsberufe mit einer Binnendifferenzierung (z. B. nach Fachrichtungen oder Schwerpunktprofilen) angestiegen.
Angesichts der Internationalisierung der Arbeitsmärkte, des raschen Wandels der Anforderungen und der Organisation von Arbeit, aber auch des Trends zu kognitiv anspruchsvolleren und wissensbasierten Berufen wurde eine Krise der berufsförmig organisierten Arbeitswelt vorausgesagt. Dennoch bilden Berufe nach wie vor ein zentrales Element der Strukturierung von Arbeitsmärkten. Das gilt sowohl für dual ausgebildete Berufe als auch für akademische Berufe. Eine Aufgabe des Berufs als Grundmuster der Strukturierung von Arbeit und Bildungsgängen ist weder empirisch belegt noch zeichnet sich dies in den gesellschaftlichen Ordnungssystemen ab. Allerdings sind die Zuschnitte der Berufe im Fluss, ergeben sich ständig neue Anforderungen und Abgrenzungen. Umso wichtiger ist, dass eine Berufsausbildung ein breites Fundament an Kompetenzen vermittelt, das im Laufe des Erwerbslebens durch Weiterbildung und lebensbegleitendes Lernen fortentwickelt wird.
Regelmäßig werden die Ausbildungsordnungen, die die Grundlage für die betriebliche Ausbildung darstellen, in Zusammenarbeit mit Sachverständigen aus der beruflichen Praxis modernisiert, um auf neue oder veränderte Anforderungen zu reagieren. Ausbildungsordnungen beschreiben Mindestanforderungen, und sie sind technikoffen formuliert. Dies ermöglicht eine schnelle und flexible Anpassung an unterschiedliche und wechselnde Anforderungen der Unternehmen. Für leistungsstarke Auszubildende können Zusatzqualifikationen, z. B. Fremdsprachenkurse oder Auslandsaufenthalte, in die Ausbildung integriert werden.
Ein anderes Konzept der Flexibilisierung der Berufe stellt die Modularisierung dar. Dabei wird das Prinzip der einheitlichen Abschlussprüfung zugunsten von Teilprüfungen aufgegeben, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten erworben werden können. Auch können, so die Konzeption, unterschiedliche Teilqualifikationen miteinander kombiniert werden. Über eine Modularisierung der Berufsbildung in dieser Form gibt es indessen keinen Konsens. Befürchtet werden eine Abwertung der beruflichen Qualifikationen und der tariflichen Einstufungen sowie eine wachsende Intransparenz durch viele Teilqualifikationen. Ausbildungsbausteine werden stattdessen eingesetzt, um Bildungsmaßnahmen im Übergangsbereich auf anerkannte Ausbildungsberufe auszurichten oder als ein didaktisches Instrument zur Strukturierung der Berufsausbildung. Dabei werden Abschlussprüfungen auf der Grundlage des kompletten Berufsbilds aber nicht infrage gestellt.
2.3 Konsensprinzip: Partizipation der gesellschaftlichen Akteure
Die Berufsbildungspolitik erfolgt in Deutschland in enger Abstimmung zwischen den Ressorts auf Bundesebene, den Ländern sowie den Kammern und Sozialpartnern (Sozialpartnerschaft). Grundlage für die Mitwirkung der gesellschaftlichen Gruppen ist das BBiG. Es sieht die Einrichtung eines viertelparitätisch besetzten Hauptausschusses als gesetzliches Organ des BIBB vor. Mitglieder der vier „Bänke“ sind Beauftragte der Arbeitgeber, der Arbeitnehmer, der Bundesländer sowie der Bundesregierung. Der Hauptausschuss hat u. a. die Aufgabe, zum Berufsbildungsbericht der Bundesregierung Stellung zu nehmen, Empfehlungen zur einheitliches Anwendung des BBiG zu geben und die Bundesregierung in grundsätzlichen Fragen der Berufsbildung zu beraten. Außerdem nimmt er zu den im BIBB erstellten Entwürfen von Ausbildungs- und Fortbildungsordnungen Stellung. Sie werden unter Mitwirkung von Sachverständigen aus der beruflichen Praxis entwickelt.
Ein Element der Governance der dualen Berufsbildung stellt die Delegation hoheitlicher Aufgaben auf „zuständige Stellen“ dar. Das sind v. a. die Selbstverwaltungseinrichtungen der Wirtschaft in Form von „Kammern“ für die einzelnen Wirtschaftsbereiche (Selbstverwaltung). Sie beraten Ausbildungsbetriebe, stellen die Eignung von Ausbildern fest, registrieren die abgeschlossenen Ausbildungsverträge, wachen über die Qualität der Berufsausbildung und organisieren die Zwischen- und Abschlussprüfungen. Zur Unterstützung werden drittelparitätische Berufsbildungsausschüsse und Prüfungsausschüsse auf gesetzlicher Grundlage gebildet. Darin wirken Beauftragte der regionalen Arbeitgeber, der Gewerkschaften und der beruflichen Schulen mit.
Die Mitwirkung von Interessengruppen bei der Gestaltung der Berufsbildung sichert die Praxisrelevanz der Entscheidungen und der Ordnungsmittel. Der erzielte Konsens ist eine wichtige Voraussetzung für die Akzeptanz in der betrieblichen Praxis. Allerdings müssen die beteiligten Interessenorganisationen ausreichend legitimiert sein. Auch dürfen Entscheidungen nicht durch langwierige Abstimmungsprozesse verzögert oder gar verhindert werden. Schließlich muss darauf geachtet werden, dass durch die Definition von Berufen nicht in unzulässiger Weise Markteintrittsbarrieren gebildet werden.
3. Berufliche Weiterbildung
Vom Deutschen Bildungsrat ist Weiterbildung als Fortsetzung einer organisierten Phase des Lernens nach Abschluss einer ersten Ausbildung beschrieben worden. Diese Definition aus dem Jahr 1970 ist nach wie vor gültig. Berufliche Weiterbildung dient unterschiedlichen Zwecken. Sie dient der Anpassung der beruflichen Kompetenzen an veränderte Anforderungen, der Unterstützung eines beruflichen Aufstiegs, einem beruflichen Wechsel oder einer beruflichen Reintegration nach einer Familienphase oder einem gesundheitsbedingten Ausscheiden.
Berufliche Weiterbildung erfolgt v. a. in non-formaler oder informeller Form, denn ein Großteil der Weiterbildung führt nicht zu anerkannten Abschlüssen. Das gilt in erster Linie für die Anpassungsweiterbildung, die quantitativ bei weitem dominiert, ebenso für die betriebliche Weiterbildung. Es überwiegen hier kurzzeitige Maßnahmen, oftmals im Umfang von wenigen Stunden oder Tagen. Eine abschlussorientierte Weiterbildung erfolgt v. a. in Abendschulen und durch das Nachholen von Schulabschlüssen oder beruflichen Abschlüssen, als Umschulung zur Vorbereitung auf einen neuen Berufsabschluss oder als Teilnahme an einem Lehrgang zur Vorbereitung auf eine anerkannte Fortbildungsprüfung.
Die Teilnahme an einer Fortbildungsprüfung setzt eine anerkannte Berufsausbildung oder ersatzweise eine mehrjährige einschlägige berufliche Praxis sowie eine mehr oder weniger lange Zeit der Berufserfahrung voraus. Neben Abschlüssen, die nach Landesrecht geregelt sind (insb. Abschlüsse als staatlich geprüfter Techniker, Betriebswirt oder Sozialwirt) gibt es eine Reihe von Fortbildungsabschlüssen, die nach BBiG bzw. HandwO bundeseinheitlich geregelt sind. Die wichtigsten Abschlüsse sind die als geprüfter Fachwirt, Industriemeister, Handwerksmeister oder IT-Professional. Die Abschlüsse qualifizieren für anspruchsvolle Fachaufgaben oder Führungsfunktionen in mittelständigen Unternehmen. Im Handwerk ist der Meisterabschluss darüber hinaus die Voraussetzung für eine selbständige Tätigkeit in den Berufen der Anlage A der HandwO.
Insgesamt gibt es über 200 (Stand: 2015) auf der Grundlage des BBiG/HandwO geregelte Fortbildungsprüfungen. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl an Kammerregelungen, die von den Berufsbildungsausschüssen der zuständigen Stellen erlassen werden. Mit dem DQR wurde ein Bezugssystem geschaffen, um berufliche und hochschulische Abschlüsse in ein einheitliches System einzuordnen. Anerkannte Fortbildungsabschlüsse wurden den Niveaus fünf, sechs oder sieben des DQR zugeordnet. Das stellt ein wichtiges Signal für die Gleichwertigkeit beruflicher und akademischer Bildungsgänge dar. Allerdings ist mit einem Fortbildungsabschluss auf Niveau sechs – also dem Niveau der Bachelor-Abschlüsse – in den meisten Bundesländern noch keine Zulassung zu einem affinen Masterstudiengang an einer Hochschule (Hochschulen) verbunden.
Zur Vorbereitung auf anerkannte Fortbildungsprüfungen gibt es ein breites Kursangebot. Die Teilnahme ist mit z. T. erheblichen Kosten für Teilnahmegebühren, Prüfungsgebühren, Lehrmaterialien, Fahrtkosten sowie ggf. eine auswärtige Unterbringung verbunden. Durch Zuschüsse und Darlehen, die auf der Grundlage des „Aufstiegs-BAföG“ vergeben werden, kann ein Teil der individuellen Kosten refinanziert werden. Die individuellen Kosten können außerdem als Sonderausgaben oder Werbungskosten bei der Einkommensteuer geltend gemacht werden.
4. Herausforderungen
Eine zentrale Herausforderung für die Berufsbildung in Deutschland ist die sich abzeichnende Verknappung des Fachkräftenachwuchses. Sie hat zum einen demographische Ursachen (Demographie), zum anderen ist sie eine Folge des Strebens junger Menschen nach akademischen Abschlüssen. Für die Zukunft der Berufsbildung ist deshalb entscheidend, die berufliche Aus- und Weiterbildung attraktiv zu halten. Dies ist nicht nur eine Frage der Gestaltung von Bildungsgängen oder Bildungslaufbahnen, sondern mehr noch davon abhängig, welche Karriere- und Verdienstchancen sich auf diesem Wege eröffnen. Untersuchungen zeigen, dass Hochschulabsolventen im Allgemeinen ein höheres Lebenseinkommen erzielen, es aber auch einen breiten Überschneidungsbereich gibt.
Bes. attraktiv für Studienberechtigte sind duale Studiengänge, insb. an Fachhochschulen und Berufsakademien (Akademien). Sie führen zu einem Hochschulabschluss und verbinden dies mit Praxisphasen in Unternehmen. Bei ausbildungsintegrierenden Studiengängen wird eine anerkannte Berufsausbildung integriert; praxisintegrierende Studiengänge bieten ausgedehnte Praxisphasen, in denen die Lernenden in einem Unternehmen tätig sind.
Zur Attraktivität gehört auch, dass b.B.s-Gänge Anschlüsse und Übergänge in den Hochschulbereich ermöglichen. Die rechtlichen Möglichkeiten zur Aufnahme eines Studiums sind durch einen Beschluss der KMK und dessen Umsetzung in den Bundesländern deutlich erweitert worden. Die Zahl der Studierenden, die ein Studium ohne formale Hochschulzugangsberechtigung aufnehmen, ist nach wie vor aber gering. Dies liegt v. a. daran, dass Berufstätige ihren Arbeitsplatz und den damit verbundenen Verdienst zugunsten eines Studiums mit ungewissen Erfolgsaussichten aufgeben müssten. Auch fehlt es an Transparenz über Studienanforderungen, an Anerkennungsregelungen, an Beratungsangeboten und Brückenkursen.
Angesichts des zu erwartenden Mangels an Fachkräften muss der Zugang zur b.n B. für Personen gewährleistet werden, die aus den unterschiedlichsten Gründen ohne Berufsabschluss geblieben sind. Das gilt vor allem für Studienaussteiger, Migranten und Flüchtlinge. Auch die Potenziale von Menschen mit Lernschwierigkeiten, mit Behinderungen oder mit einem Migrationshintergrund sind bei weitem nicht ausgeschöpft. Nach wie vor hat ein erheblicher Teil der Erwachsenen keinen anerkannten Berufsabschluss. Dies erweist sich als Handicap bei der beruflichen und sozialen Integration (Inklusion). Ziel der Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik ist deshalb, den Anteil der beruflich Unqualifizierten zu verringern und möglichst vielen den Zugang zur beruflichen Ausbildung und Weiterbildung zu eröffnen.
Literatur
BIBB: Datenreport, 2015 • Bundesministerium für Bildung und Forschung (Hg.): Berufsbildungsbericht 2015, 2015 • D. Heisler: Berufsideal und moderner Arbeitsmarkt, 2015 • A. Jansen u. a.: Ausbildung in Deutschland weiterhin investitionsorientiert – Ergebnisse der BIBB-Kosten-Nutzen-Erhebung 2012/13, in: BIBB-Report 1 (2015) • Wissenschaftsrat (Hg.): Empfehlungen zur Gestaltung des Verhältnisses von beruflicher und akademischer Bildung, Drs. 3818–14, 2014 • H. Solga/L. Menze: Der Zugang zur Ausbildung, in: WSI-Mitteilungen 66/1 (2013), 5–14 • Wissenschaftsrat (Hg.): Wissenschaftsrat: Empfehlungen zur Entwicklung des dualen Studiums. Positionspapier, Drs. 3479–13, 2013 • BA (Hg.): Klassifikation der Berufe 2010, Bd. 1, 2011 • R. Helmrich/G. Zika (Hg.): Beruf und Qualifikation in der Zukunft, 2010 • D. Euler/E. Severing: Flexible Ausbildungswege in der Berufsbildung, 2007 • F. Rauner (Hg.): Hdb. Berufsbildungsforschung, 2005 • M. Baethge: Entwicklungstendenzen der Beruflichkeit, in: Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik 3 (2004), 336–347.
Empfohlene Zitierweise
R. Weiß: Berufliche Bildung, I. Pädagogisch, Version 08.06.2022, 09:10 Uhr, in: Staatslexikon8 online, URL: https://www.staatslexikon-online.de/Lexikon/Berufliche_Bildung (abgerufen: 21.11.2024)
II. Wirtschaftlich
Abschnitt drucken1. Historischer Hintergrund: Ordnungsverlust und Ordnungsbedarf der beruflichen Bildung
Die heutige Ordnung der b.n B. in Deutschland geht wesentlich auf Unzulänglichkeiten und die daraus folgende Ergänzungsbedürftigkeit der rein betrieblichen Ausbildung zurück, welche die b.B. bis zum Beginn der Industrialisierung (Industrialisierung, Industrielle Revolution) geprägt hat. Das Ausbildungsmodell des Zunftwesens (vom Lehrling zum Gesellen zum Meister) ist rein betriebliche Handwerkslehre gewesen und hat den wirtschaftlichen Anforderungen der Industriegesellschaft mit ihrem technischen und ökonomischen Wandel nicht mehr genügt. In der Folge sind das mittelalterliche Zunftwesen und damit die geordnete b.B. weitgehend zusammengebrochen.
Der Ordnungsverlust der b.n B. in der Industrialisierung hat zu wirtschaftlichen Engpässen und sozialen Missständen geführt. Weil Lehrlinge billiger gewesen sind als reguläre Arbeitskräfte, haben viele Unternehmen sie zu allen anfallenden Arbeiten in Werkstatt, Haus und Feld herangezogen. Da unter diesen Verhältnissen die meisten Lehrlinge ohne geordnete Ausbildung geblieben sind, hat die Qualifikation der deutschen Arbeitskräfte für den internationalen Wettbewerb nicht ausgereicht. Deutsche Waren haben auf den internationalen Märkten als minderwertig gegolten. Gefordert gewesen ist qualifizierte Arbeit, also ordnungsgemäß erlernte Tätigkeit, geregelt und reproduzierbar.
Zu diesen wirtschaftlichen Problemen ist die prekäre soziale Lage der Lehrlinge getreten, und so haben sowohl Unternehmen als auch Gewerkschaften Interesse an einer neuen, den ökonomischen Verhältnissen angepassten Ordnung der b.n B. entwickelt. Wir untersuchen im Folgenden daraus resultierende wirtschaftliche Fragen und Probleme aus Sicht der Unternehmen und der Arbeitnehmer sowie aus der gesamtwirtschaftlichen Perspektive.
2. Berufliche Bildung aus ökonomischer Sicht: der Humankapitalansatz
Wir behandeln b.B. hier ausschließlich unter ihren ökonomischen Aspekten. Damit soll der spezifisch ökonomische Beitrag zur Analyse b.r B. verdeutlicht werden. Dass damit der Bildungsbegriff nicht vollständig ausgeschöpft wird, ist evident. Die Anwendung der Wirtschaftswissenschaft auf nicht-ökonomische Aspekte der Bildung würde aber den Vorwurf des Methodenimperialismus nach sich ziehen. Behandelt werden hier nur die Perspektiven Produktivität, Einkommen, Wachstum und Beschäftigung. Im Zentrum der ökonomischen Analyse von b.r B. steht das ökonomische Konzept des Kapitals.
Kapital ermöglicht es, Güter – also Waren und Dienstleistungen – mit höherer Produktivität zu erzeugen und neue Güter zu produzieren, welche ohne Kapital nicht verfügbar wären. Kapitalmangel stellt eine Verfügbarkeitsbeschränkung für die Güterversorgung dar und führt zu Kapitalmangelarbeitslosigkeit. Verfügbarkeit von Kapital dagegen erhöht das Produktionspotential einer Volkswirtschaft. Dies ist für das Sachkapital, bspw. Werkzeuge, offensichtlich, gilt aber auch für das Humankapital (Humankapital): berufliche Fähigkeiten und Fertigkeiten.
Die Humankapitaltheorie basiert auf einem hypothetischen Dreischritt.
a) Wirksamkeitsthese: B.B. erhöht das Leistungsvermögen.
b) Produktivitätsthese: Dadurch wird die Arbeitsproduktivität gesteigert.
c) Investitionsthese: Dies führt zu mehr individuellem Einkommen und zu Wirtschaftswachstum.
Umgekehrt führt danach ein Mangel an b.r B. zu niedrigem Leistungsvermögen, niedriger Produktivität, niedrigen Löhnen (Lohn) und geringem Volkseinkommen.
Die Humankapitaltheorie behandelt das Sachkapital und das Humankapital analog. Es gibt viele Parallelen zwischen beiden Kapitalarten, aber auch Unterschiede, die bei der Anwendung der ökonomischen Theorie auf die b. B. gleichermaßen zu beachten sind. Der wichtigste Unterschied besteht darin, dass Humankapital untrennbar mit der Person verbunden ist. Eine Person kann ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten nicht veräußern und deshalb auch nicht beleihen. Im Unterschied zu Sachkapital kann Humankapital deshalb nicht als Sicherheit für einen Kredit dienen, was Konsequenzen für die Finanzierung von Humankapitalinvestitionen und ihre Behandlung im betrieblichen Rechnungswesen, bspw. der Bilanz hat.
Damit hängt zusammen, dass Ausgaben für b.B. versunkene Kosten sind: Während ein LKW, der sich nicht rechnet, verkauft werden und der Ertrag aus diesem Verkauf anderweitig investiert werden kann, ist die Veräußerung eines beruflichen Abschlusses nicht möglich. Bei versunkenen Kosten sind Fehlentscheidungen des Investors nicht durch Veräußerung des Investitionsgutes zu korrigieren. Die Investition muss vollständig abgeschrieben werden. Fehlentscheidungen in der Bildung sind im Unterschied zu den meisten Sachkapitalentscheidungen nicht revidierbar.
Während die Abschreibungen auf Sachkapital umso höher sind, je mehr es (ab-)genutzt wird, gilt dies für Humankapital i. d. R. nicht. Im Gegenteil verfällt Wissen, wenn es nicht eingesetzt wird – man denke bspw. an Fremdsprachenkenntnisse. Für Humankapital in Form körperlicher Fähigkeiten, etwa für körperlich anstrengende Arbeiten, kann jedoch anderes gelten. Eine Analogie zwischen Sachkapital und Humankapital hingegen gilt für Veraltung: Mit veraltetem Wissen lässt sich ebenso wie mit veralteten Maschinen kein Einkommen erzielen. Und im Strukturwandel sind Sachkapital und Humankapital gleichermaßen abzuschreiben, weil sich mit ihnen kein Einkommen mehr erwirtschaften lässt, wenn sie spezifisch für schrumpfende Branchen sind.
Analog zum Sachkapital wird in der Humankapitaltheorie der Aspekt der Rentabilität behandelt. Investitionen sind jeweils mit Aufwendungen und Erträgen verbunden. Rentabel sind sie nur, wenn die Erträge die Aufwendungen übersteigen. Die Investitionsrechnung erfolgt formal in beiden Fällen gleich. Allerdings liegt das Augenmerk bei der Humankapitalinvestition bes. stark auf den Opportunitätskosten: Während der Ausbildungszeit verzichten die Lernenden auf Einkommen, wenn die Ausbildungszeit zu keinem oder nur zu geringem Einkommenserwerb genutzt werden kann, und ein Betrieb, der Personal und andere Ressourcen für die b.B. bereitstellt, kann diese in der Zeit nicht für die Güterproduktion nutzen. Dies gilt auch für die Volkswirtschaft insgesamt. Die Personen, bspw. Lehrer, und die Sachmittel, die im b.n B.s-System eingesetzt werden, fallen für die Güterproduktion aus. Dieser Ausfall von Güterproduktion durch Bildung stellt die volkswirtschaftlichen Kosten der Bildung dar. Zur Verdeutlichung hier ein Vergleich mit dem Militär: Die volkswirtschaftlichen Kosten einer Armee bestehen in der Güterproduktion, die hätte erzielt werden können, wenn das Personal und die Sachmittel anderweitig eingesetzt worden wären.
Im Fall der b.n B. fragt Bildungsökonomie danach, ob die zukünftige durch Bildung ermöglichte Erhöhung der Gütererzeugung, also die Erhöhung des Produktionspotentials, höher zu bewerten ist als der gegenwärtige Verzicht auf Güterproduktion durch die Verwendung der Ressourcen für Bildung. Für das Ergebnis der Bewertung ist der zugrunde gelegte Zinssatz entscheidend. Dies ist eine typische Investitionsfragestellung. Auf der Ebene des einzelnen Auszubildenden oder Weiterzubildenden ist entscheidend, wie hoch der – abgezinste – Einkommensvorteil durch b. B. ausfällt, wie hoch also die Lohnspreizung zwischen mehr und minder Qualifizierten ist.
Aus volkswirtschaftlicher Sicht führen Defizite in Qualität und Quantität an b.r B. zu Missmatch-Arbeitslosigkeit und komplementärer Arbeitslosigkeit. Wenn die Qualifikation von Arbeitssuchenden und die Erfordernisse am Arbeitsplatz nicht aufeinander treffen (miss match), dann führt dies zu Arbeitslosigkeit und Wachstumsschwäche. Ursachen können regionale Ungleichgewichte sein, wenn Angebot und Nachfrage nach Arbeit sich nicht anpassen, weil Anbieter von Arbeit (Arbeitnehmer) und Nachfrager von Arbeit (Arbeitgeber) regional nicht mobil sind. Sektoraler Strukturwandel erzeugt Missmatch-Arbeitslosigkeit, wenn die in schrumpfenden Branchen entlassenen Arbeitskräfte nur über Qualifikationen verfügen, die in den anderen Branchen nicht nachgefragt werden. Eine weitere Ursache kann in nicht-marktgerechten Berufswahlentscheidungen liegen. In diesen Fällen struktureller Arbeitslosigkeit helfen Konjunkturprogramme nicht, sondern Berufsbildungspolitik ist gefragt. Umschulung und Weiterbildung gehören hier zu den berufsbildungspolitischen Maßnahmen der ersten Wahl. Sie haben das Ziel der Beschäftigungsfähigkeit, indem Arbeitnehmer dazu befähigt werden, eine andere als die erlernte bzw. bisherige berufliche Tätigkeit auszuüben.
Auf der Seite der Unternehmen (Nachfrager nach Arbeit) bedeutet Missmatch Fachkräftemangel, denn die gesuchten Qualifikationen sind am Arbeitsmarkt nicht zu haben. Dasselbe Problem kann durch demographischen Wandel oder verfehlte Berufsbildungspolitik auftreten.
Dann gibt es komplementäre Arbeitslosigkeit, hier ein Spezialfall von Kapitalmangelarbeitslosigkeit: die Arbeitslosigkeit durch Mangel an Humankapital. Die ökonomische Hypothese lautet, dass unterschiedlich qualifizierte Personen in der Güterproduktion komplementär sind, also nur gemeinsam effizient eingesetzt werden können. Bspw. kann ein Team in der Industrieproduktion aus Ingenieuren, Meistern, Gesellen und Ungelernten bestehen. Ingenieure und die anderen gehören produktionstechnisch zusammen. Fehlt es an Ingenieuren, so kommt das Team nicht zustande, und das Unternehmen muss Aufträge ablehnen. Güterproduktion findet nicht statt, und die anderen genannten Arbeitskräfte bekommen keine Anstellung, obwohl sie die geforderte Qualifikation mitbringen. Sowohl Fachkräfte als auch Ungelernte können arbeitslos bleiben, wenn die komplementären Faktoren fehlen.
3. Kosten und Erträge beruflicher Bildung
Die heutige Ordnung der b.n B. im deutschsprachigen Raum ist wesentlich durch das duale System geprägt. Als Antwort auf die Herausforderungen der b.n B. durch technischen und ökonomischen Wandel werden sowohl die Schule als auch der Betrieb beteiligt. Die Auszubildenden sollen einerseits Schlüsselqualifikationen für unterschiedlichste Arbeiten erhalten und andererseits spezifische Befähigungen, die situations-, stellen- und betriebsgerecht sind.
Im Folgenden wird auf die Konsequenzen dieser Ordnungsentscheidung für das ökonomische Kalkül der Unternehmen bei der Einrichtung von Ausbildungsplätzen eingegangen. Wir vergegenwärtigen uns dazu die Grundzüge dieser Ordnung:
Die Auszubildenden müssen bei der Erstausbildung neben der Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsbetrieb eine adäquate öffentliche berufsbildende Schule besuchen, wobei die Betriebsausbildung die Ausbildungszeit mit etwa 3/4 dominiert. Ziel ist
a) die Integration der Berufsausbildung in die Praxis,
b) der Ernstcharakter der betrieblichen Aufgaben,
c) die Einübung von Sozialverhalten vor Ort,
d) die frühzeitige Eingliederung in die Arbeitswelt der Erwachsenen,
e) die Anpassung der Ausbildung an die Erfordernisse der betrieblichen Praxis.
Hinzu treten berufliche Umschulung und berufliche Fortbildung.
Zu den direkten Ausbildungskosten gehören
a) Kosten der Unternehmen auf der Ebene des einzelnen Betriebes,
b) bei Großunternehmen mit mehreren Betrieben Kosten auf der Ebene zentraler Bildungseinrichtungen,
c) Kosten überbetrieblicher Bildungseinrichtungen von Kammern, Verbänden und anderen Verbünden,
d) Kosten des Staates, bspw. von Bildungsinfrastruktur und Fördermaßnahmen,
e) Kosten der Auszubildenden und Weiterzubildenden, bspw. Kosten von Unterrichtsmaterialien und Fahrtkosten.
Opportunitätskosten entstehen
a) in den Unternehmen, weil Personen und Sachmittel, die in der b.n B. eingesetzt werden, nicht für die Güterproduktion zur Verfügung stehen,
b) beim Staat, soweit ihm Einnahmen entgehen,
c) bei den Auszubildenden und Weiterzubildenden, soweit ihnen während der Ausbildungszeit Einkommen entgehen.
Je nach Marktverhältnissen auf den Gütermärkten und den Arbeitsmärkten können die Kosten der b.n B.en auf andere Marktteilnehmer überwälzt werden. Unternehmen mögen sie auf die Produktpreise aufschlagen und so die Konsumenten an den Kosten der b.n B. beteiligen. Arbeitnehmer, die zu anderen komplementär sind (vgl. komplementäre Arbeitslosigkeit in der Humankapitaltheorie) können ihre Kosten durch Lohnaufschläge kompensieren, was die hohen Tarifabschlüsse durch manche Spartengewerkschaften erklärt.
Der wesentliche Ertrag der b.n B. für die Auszubildenden und Weiterzubildenden ist das abgezinste höhere zukünftige Einkommen, wobei das geringere Arbeitslosigkeitsrisiko und die damit verbundene geringere Wahrscheinlichkeit von Einkommensausfällen zu bewerten ist. Unberücksichtigt bleiben allerdings nicht-monetäre Nutzen b.r B., bspw. angenehmere Arbeitsbedingungen oder Sachzuwendungen durch den Betrieb, die an die berufliche Qualifikation gekoppelt sind.
Für die Betriebe ergeben sich Nutzen durch die Einsparung von Personalgewinnungskosten, wenn sie ihre Auszubildenden übernehmen, die sie ja gut kennen und die ihrerseits über betriebsspezifische Kenntnisse verfügen. Langfristig reduzieren die Betriebe ihre Abhängigkeit von den (externen) Arbeitsmärkten, was in Zeiten des Fachkräftemangels und des War for Talents bedeutsam ist.
Weitere wesentliche Erträge der b.n B. für die Betriebe resultieren daraus, dass ein großer Teil der Ausbildung aus Learning by Doing besteht. Dabei erzeugen die Auszubildenden Güter, die für den Betrieb wirtschaftlich verwertbar sind und deshalb zu Erträgen führen. Dies gilt allerdings nur sehr selten für die berufliche Weiterbildung.
In den Unterweisungszeiten, den Zeiten für Zusehen, den Zeiten mit eigener Beschäftigung und betrieblich bedingten Leerzeiten erzeugen Auszubildende allerdings keine wirtschaftlich verwertbaren Güter. Bildung und Leistungen für den Betrieb fallen im Learning by Doing oft zusammen, bspw. erbringt ein Auszubildender im Einzelhandel, der Regale einräumt, eine Leistung für den Betrieb und lernt dabei gleichzeitig das Sortiment kennen.
Für das betriebswirtschaftliche Kalkül ist entscheidend, wie hoch die Leistung des Auszubildenden im Verhältnis zur Leistung eines Facharbeiters ist (Leistungsgrad des Auszubildenden), gegebenenfalls auch im Verhältnis zu einem Ungelernten mit einem Lohn über der Ausbildungsvergütung. Dies ist i. d. R. vom Ausbildungsjahr und vom Schwierigkeitsgrad der Tätigkeit abhängig.
Der Grundgedanke des betriebswirtschaftlichen Kalküls besteht darin, dass ein Betrieb, der keine Auszubildenden für ertragswirksame Leistungen einsetzt, zusätzliche Facharbeiter einstellen müsste. Drückt man die produktiven Leistungen der Auszubildenden in mit Geld bewerteten Facharbeiterstunden aus, dann sind die produktiven Leistungen der Auszubildenden so viel wert, wie der Betrieb an Facharbeiterlöhnen und -lohnnebenkosten einspart. Hier liegt wiederum ein Opportunitätskosten-Kalkül vor: Die produktiven Leistungen des Auszubildenden sind höchstens so viel wert, wie für die billigste Alternative zur Erbringung der gleichen Leistung aufgewandt werden müsste.
Die Betriebe beteiligen sich freiwillig an der dualen Ausbildung, es gibt keine gesetzliche Verpflichtung zur Ausbildung und keine Abgaben, wenn nicht ausgebildet wird. Gewinnmaximierende Betriebe werden ausbilden, wenn für sie die Nutzen die Kosten der Ausbildung übersteigen. Bildet ein Betrieb dagegen nicht aus, so ist anzunehmen, dass er die Kosten höher einschätzt als die Nutzen. Daher sind Kosten und Nutzen der Ausbildung für die Betriebe zu analysieren.
Nach Untersuchungen des BIBB belaufen sich im Ausbildungsjahr 2012/13 die Kosten je Auszubildenden durchschnittlich auf 17 922 Euro, während aus den produktiven Leistungen der Auszubildenden von den Betrieben 12 535 Euro erwirtschaftet worden sind. Daraus ergibt sich ein Kostenüberschuss von 5 398 Euro, auch als Nettokosten bezeichnet. Die Erträge werden von den Auszubildenden etwa zur Hälfte durch einfache Tätigkeiten (6 210 Euro) und durch Fachkräftetätigkeiten (5 875 Euro) geleistet. Allerdings schwanken die Kosten und Erträge erheblich nach Branche, Region, Betriebsgröße und Beruf. Den größten Anteil der Kosten machen mit 62 % die Ausbildungsvergütungen und Sozialleistungen aus, 23 % der Kosten entfallen auf das ausbildende Personal.
Zu diesen Erträgen müssen Einsparungen bei den Personalgewinnungskosten addiert werden, die bei der Übernahme von Auszubildenden erreicht werden. Zu den Personalgewinnungskosten gehören Kosten für die Bewerbungsverfahren, die Weiterbildung, anfängliche Produktivitätsnachteile fremder Fachkräfte und der Aufwand, der anderen Mitarbeitern bei der Einarbeitung neuer Kollegen entsteht. Die Personalgewinnungskosten belaufen sich durchschnittlich auf 8 715 Euro, nahezu die Hälfte davon entfallen auf Einarbeitungskosten (4 097 Euro). Die Einsparungen an Personalgewinnungskosten kompensieren durchschnittlich also einen hohen Teil der Ausbildungskosten der übernehmenden Betriebe, für die sich damit eine positive Kosten-Nutzen-Bilanz der dualen Ausbildung ergibt.
Literatur
A. Jansen u. a.: Ausbildung in Deutschland weiterhin investitionsorientiert, in: BIBB Report 1 (2015) • K. Berger: Der Beitrag der öffentlichen Hand zur Finanzierung der beruflichen Bildung, 2004 • E. Dauenhauer: Berufsbildungspolitik, 31996 • G. Becker: Human Capital, 31994.
Empfohlene Zitierweise
H. Schlösser: Berufliche Bildung, II. Wirtschaftlich, Version 08.06.2022, 09:10 Uhr, in: Staatslexikon8 online, URL: https://www.staatslexikon-online.de/Lexikon/Berufliche_Bildung (abgerufen: 21.11.2024)