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<h3>3. Grundlegende Liberalisierung der Lebensstile</h3> | <h3>3. Grundlegende Liberalisierung der Lebensstile</h3> | ||
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− | Der Begriff der „Fundamentalliberalisierung“ (Habermas 1988: 26) signalisiert schließlich einen umfassenden gesellschaftlichen Wandel: Pluralisierung von Lebensstilen, Individualismus der Lebensführung, gesteigerte Formen der Selbstexpressivität bzw. Selbstverwirklichung, Bildung autonomer | + | Der Begriff der „Fundamentalliberalisierung“ (Habermas 1988: 26) signalisiert schließlich einen umfassenden gesellschaftlichen Wandel: Pluralisierung von Lebensstilen, Individualismus der Lebensführung, gesteigerte Formen der Selbstexpressivität bzw. Selbstverwirklichung, Bildung autonomer [[Öffentlichkeit|Öffentlichkeiten]] und Verstärkung zivilgesellschaftlicher Aktivitäten ([[Zivilgesellschaft]]). Diese „Liberalisierung als Lernprozess“ (Herbert 2002) steht in Deutschland sowohl mit den kulturellen Umbrüchen seit den 1960er Jahren als auch mit einer Implementierung demokratischer Lebensformen in Verbindung. Der emphatisch-modernisierenden Lesart der L. als Freiheitsgewinn steht die skeptische Frage entgegen, welche integrativen Faktoren und orientierenden Leitwerte künftig noch für Stabilität sorgen können. In der „Gesellschaft der Singularitäten“ (Reckwitz 2017), die das konsequente Ergebnis eines L.s-Prozesses ist, droht eine „Krise des Allgemeinen“ (Reckwitz 2017: 429). D. h. Vorstellungen von [[Gemeinwohl]], Gemeinsinn und ein geteiltes Ideal des guten Lebens verlieren an Verbindlichkeit, wohingegen Relativismus und Beliebigkeit als vorherrschende Zeittendenzen empfunden werden. Dieser Befund weist auf die grundsätzliche Ambivalenz von L.s-Prozessen hin, die in ihrem Verlauf eben nicht ad infinitum vorstellbar sind, sondern Grenzziehungen benötigen. |
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<h3>1. Wirtschaftlicher Liberalismus und Wettbewerb</h3> | <h3>1. Wirtschaftlicher Liberalismus und Wettbewerb</h3> | ||
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+ | [[Category:Wirtschaftswissenschaft]] |
Aktuelle Version vom 16. Dezember 2022, 06:10 Uhr
I. Politisch-kulturelle Aspekte
Abschnitt druckenL. ist ein Prozessbegriff mit vielfältigen Implikationen. Sein breites Bedeutungsspektrum hat sich eigentlich erst seit der zweiten Hälfte des 20. Jh. nach der formativen Phase des Liberalismus entfaltet, der als Ideologie zumindest im 19. Jh. ursprünglich mit der Klasse des Bürgertums (Bürger, Bürgertum) verknüpft war. Eine Universalwerdung des Bürgertums war wohl schon von Immanuel Kant vorgedacht. Aber die Dynamik der Sozialen Frage beförderte zunächst konkurrierende Prozessbegriffe wie Emanzipation und Demokratisierung. Mit liberaler Politik verband sich klassischer Weise die Forderung nach Säkularisierung, Konstitutionalisierung und Parlamentarisierung.
Will man dem Begriff L. rückwirkend Bedeutung zusprechen, so liegt diese v. a. in einer Diffusion liberaler Werte und Vorstellungen in den konkurrierenden politischen Lagern. Bürger- und Freiheitsrechte, Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung und eigentumsbasierte Ökonomie fanden nach und nach auch bei Konservativen Akzeptanz. Im Verhältnis von Sozialismus/Sozialdemokratie und Liberalismus ist spätestens auf Grundlage der modernen Massendemokratie eine ideelle Annäherung zu beobachten, die sich im Kompromissbegriff des Sozialliberalismus zeigt. Die Verbreitung und Durchsetzung aufklärerischer Ideale in der Moderne wären mit L. allerdings sehr unscharf bezeichnet.
Drei Bedeutungsebenen lassen sich unterscheiden:
a) ökonomische L. als politisches Programm,
b) L. gesellschaftlicher Normen und Moralvorstellungen durch das Recht,
c) grundlegende L. der Lebensstile.
1. Ökonomische Liberalisierung als politisches Programm
Die neoliberale Wirtschaftstheorie ist eine Reaktion auf Keynesianismus, New Deal und das Schwedische Modell, die allesamt in den 1930er Jahren neue Wege eines aktiven Staates aufzeigt haben. Zum einen drängen Befürworter ökonomischer L. auf Reduzierung der Staatsaufgaben und bekämpfen jede Form von Staatsinterventionismus oder Konjunktursteuerungspolitik. Damit einhergehen Forderungen nach Rückbau des Wohlfahrtsstaats und Beschneidung der Sozialausgaben. Zum anderen werben Vertreter ökonomischer L. dafür, die verbliebenen staatlichen Monopole aufzulösen und die Zuständigkeit für Infrastruktur, Transport, Energie, Rundfunk etc. zu deregulieren (Deregulierung) bzw. zu privatisieren (Privatisierung). Ludwig von Mises und sein Schüler Friedrich August von Hayek zählen zu den markantesten Vordenkern eines Wirtschaftsliberalismus, der sein Anliegen seit den ideologischen Auseinandersetzungen der Zwischenkriegszeit politisch begründet. Im Ersten Weltkrieg war ein ungekannter Zuwachs staatlicher Steuerungskompetenz zu beobachten, deren Ziel in wirtschaftlicher Planung und Koordination der militärischen Erfordernisse lag. L. von Mises kritisierte deshalb einen sozialliberalen Gestaltungsanspruch, der auf Basis des kriegswirtschaftlichen Verantwortungszuwachses Modelle der Sozialisierung und die Ausweitung des Sozialstaates beinhaltete. Er meinte bereits einen staatlichen Dirigismus zu erkennen, der zum Kollektivismus führen müsse. L. von Mises und F. A. von Hayek waren der Auffassung, das freie Spiel der Marktkräfte und der ungehinderte Wettbewerb seien jedem zentralisierten Planungsversuch überlegen. In komplexen Gesellschaften solle die Wirtschaft einer „spontanen Ordnung“ (Hayek 2003: 68) unterliegen, denn nur über Angebot und Nachfrage ließen sich die Ressourcen einer Gesellschaft effizient steuern. Jede Form von Rahmenplanung hingegen zeitige unübersehbare Nebenfolgen, die permanente Korrekturanstrengungen zur Folge hätten.
Politisch wirksam wurde die neoliberale Ökonomik seit den 1970er Jahren, als der Nachkriegsboom endete und die „Grenzen des Wachstums“ (Meadows u. a. 1972) erreicht schienen. Verfechter einer L. diagnostizierten eine Regierbarkeitskrise, die aus der Überlastung des westlichen Wohlfahrtsstaatsmodells resultiere.
Politisch fand diese Forderung nach der Reduzierung von Staatsaufgaben Ausdruck in der Formierung des angelsächsischen Neokonservatismus, der sich um Margret Thatcher und Ronald Reagan sammelte. Der Neokonservatismus verband ökonomische L. mit einem konservativ-christlich geprägten Gesellschaftsbild. Diese Kombination vordergründig widersprüchlicher programmatischer Kernaussagen folgte einer gewissen Logik, denn ein liberaler Individualismus wäre für sich kaum parteifähig: daher der Rekurs auf außerstaatliche traditionale Gemeinschaftsformen und Sittlichkeitsvorstellungen. Da dies im Rahmen eines klassischen Liberalismus kaum vermittelbar war, sind radikalliberale und libertäre Vorstellungen noch einmal deutlich vom Neokonservatismus zu unterscheiden.
Mittlerweile werden Fragen der ökonomischen L. im Zusammenhang eines globalisierten Kapitalismus diskutiert. Politikwissenschaftliche Erörterungen eines globalisierungsaffinen Neoliberalismus diagnostizieren daher entweder das Problem supranationaler Steuerung oder die abnehmende Kontrollfähigkeit des Nationalstaats. Das Paradigma ökonomischer L. bleibt daher ambivalent: Zum einen werden Kontroll- und Steuerungsinstanzen sukzessive abgebaut und demokratischen Rechtfertigungsprozessen entzogen; zum anderen kommt es zur Ökonomisierung aller Lebensbereiche, sobald die Marktkräfte ungehindert walten: Nicht nur laufen Erziehung, Bildung und Wissenschaft Gefahr, wesentlich auf ökonomische Zwecke ausgerichtet zu werden; auch individuelle Lebensgestaltung und -planung unterwerfen sich dem Diktat einer Selbstoptimierung, die den Markterfolg zum Maßstab nimmt. Der homo oeconomicus wird somit zum dominierenden Sozialtypus und Schreckbild einer globalisierten kapitalistischen Moderne.
2. Liberalisierung gesellschaftlicher Normen und Moralvorstellungen durch das Recht
Als L. kann weiterhin eine modernisierende Transformation des Rechts verstanden werden, die entweder dem gesellschaftlichen und kulturellen Wandel Tribut zollt oder sogar normativ vorgreift. Gegenstand solcher rechtlicher L.s-Schritte können z. B. sein: Abbau von Privilegien, Gleichstellung der Geschlechter, Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare (Ehe für alle), Minderheitenschutz, Absenkung des Wahlalters. Zum Merkmal wird die Befreiung der Rechtsbestimmungen aus überkommenen gesellschaftlichen und sittlichen Konventionen mit dem Ziel, den Menschenrechten i. S. d. staatsbürgerlichen Grundrechte Geltung zu verschaffen. Anerkennung des Einzelnen, Freiheitsansprüche und Partizipationschancen (Partizipation) sollen aus dem Stadium reiner Normativität in effektive Rechtsgarantien umgewandelt werden.
3. Grundlegende Liberalisierung der Lebensstile
Der Begriff der „Fundamentalliberalisierung“ (Habermas 1988: 26) signalisiert schließlich einen umfassenden gesellschaftlichen Wandel: Pluralisierung von Lebensstilen, Individualismus der Lebensführung, gesteigerte Formen der Selbstexpressivität bzw. Selbstverwirklichung, Bildung autonomer Öffentlichkeiten und Verstärkung zivilgesellschaftlicher Aktivitäten (Zivilgesellschaft). Diese „Liberalisierung als Lernprozess“ (Herbert 2002) steht in Deutschland sowohl mit den kulturellen Umbrüchen seit den 1960er Jahren als auch mit einer Implementierung demokratischer Lebensformen in Verbindung. Der emphatisch-modernisierenden Lesart der L. als Freiheitsgewinn steht die skeptische Frage entgegen, welche integrativen Faktoren und orientierenden Leitwerte künftig noch für Stabilität sorgen können. In der „Gesellschaft der Singularitäten“ (Reckwitz 2017), die das konsequente Ergebnis eines L.s-Prozesses ist, droht eine „Krise des Allgemeinen“ (Reckwitz 2017: 429). D. h. Vorstellungen von Gemeinwohl, Gemeinsinn und ein geteiltes Ideal des guten Lebens verlieren an Verbindlichkeit, wohingegen Relativismus und Beliebigkeit als vorherrschende Zeittendenzen empfunden werden. Dieser Befund weist auf die grundsätzliche Ambivalenz von L.s-Prozessen hin, die in ihrem Verlauf eben nicht ad infinitum vorstellbar sind, sondern Grenzziehungen benötigen.
4. Ausblick
Das Vertrauen in die vermeintliche Unumkehrbarkeit ökonomischer, politischer und kulturell-gesellschaftlicher L. ist nach dem Ende des Kalten Krieges sukzessive geschwunden. Nationale, protektionistische und antiliberale Gegenbewegungen erreichten auch die atlantische Welt. Zum einen hat sich die lange angenommene natürliche Verbindung zwischen Kapitalismus und Demokratie als wenig haltbar erwiesen; zum anderen haben Modelle der „offenen Gesellschaft“ (Popper 1980) bislang noch keinen institutionellen Rahmen finden können, der Multikulturalität (Multikulturalismus), Diversität und Pluralismus im Sinne erforderlicher sozialer Kohäsion organisiert. Insofern bedarf L. auf allen Ebenen des akzentuierten Bezugs auf Normen, und die liberale Demokratie kann nicht umhin, für inneren Zusammenhalt zu sorgen und gleichzeitig ihre Substanz nach außen zu verteidigen.
Literatur
A. Reckwitz: Die Gesellschaft der Singularitäten. Zum Strukturwandel der Moderne, 2017 • W. Brown: Die schleichende Revolution. Wie der Neoliberalismus die Demokratie zerstört, 2015 • H. Willke: Demokratie in Zeiten der Konfusion, 2014 • M. Freeden: Europäische Liberalismen, in: Merkur 65/11 (2011), 1028–1046 • W. Kersting: Verteidigung des Liberalismus, 2009 • M. Foucault: Geschichte der Gouvernementalität, Bd. 2, 2004 • F. A. von Hayek: Recht, Gesetz, Freiheit, 2003 • U. Herbert: Liberalisierung als Lernprozess, in: ders. (Hg.): Wandlungsprozesse in Westdeutschland, 2002, 7–49 • J. Habermas: Interview mit Angelo Bolaffi, in: ders.: Die nachholende Revolution, Bd. 7, 1990, 21–27 • K. Popper: Die offene Gesellschaft und ihre Feinde, 2 Bde., 61980 • W. Hennis/P. Graf Kielmansegg/U. Matz (Hg.): Regierbarkeit, 2 Bde., 1977/79 • D. Meadows u. a. (Hg.): Die Grenzen des Wachstums, 1972 • L. von Mises: Liberalismus, 1927.
Empfohlene Zitierweise
J. Hacke: Liberalisierung, I. Politisch-kulturelle Aspekte, Version 08.06.2022, 09:10 Uhr, in: Staatslexikon8 online, URL: https://www.staatslexikon-online.de/Lexikon/Liberalisierung (abgerufen: 25.11.2024)
II. Im wirtschaftlichen Wettbewerb
Abschnitt drucken1. Wirtschaftlicher Liberalismus und Wettbewerb
Grundprinzip des wirtschaftlichen Liberalismus ist die Bereitstellung von Gütern und Dienstleistungen über Märkte (Kapitalismus). Im Zentrum steht die Handlungs- und Wahlfreiheit privater Unternehmen und privater Haushalte (Haushalt, privater), sodass die Vorteile der Arbeitsteilung über Markttransaktionen mittels souveräner Produktions- und Konsumentscheidungen ausgeschöpft werden können. Bereits der wirtschaftliche Liberalismus der klassischen Nationalökonomie, wie er von Adam Smith entwickelt wurde, betont die Bedeutung des Wettbewerbs auf offenen Märkten und lehnt direkte staatliche Eingriffe größtenteils ab. In der ordoliberalen Freiburger Schule (Walter Eucken, Franz Böhm u. a.; Soziale Marktwirtschaft, Ordnung) werden die grundlegenden Prinzipien einer wettbewerblichen Marktordnung entwickelt. Hierzu zählen nicht nur Privateigentum und Vertragsfreiheit sowie das Prinzip offener Märkte, sondern auch die Vermeidung von Zwangsmonopolen, das Verbot von Kartellen sowie eine Antimonopolpolitik, um die Wettbewerbsordnung funktionsfähig zu erhalten (Wettbewerb).
2. Wettbewerbskonzepte auf liberalisierten Märkten
Ausgangspunkt für das Verständnis dezentraler Marktwirtschaft ist das Wettbewerbskonzept der vollkommenen Konkurrenz. Ausgegangen wird dabei von Märkten mit einer großen Anzahl von Unternehmen, die keinen Einfluss auf Preise und andere Wettbewerbsparameter besitzen. Auf liberalisierten Märkten können sich die Wettbewerbspotenziale aufgrund des freien Marktzugangs in vielfältiger Weise entfalten. Größenvorteile bei Produktion, Unternehmensstrategien wie Produkt- und Preisdifferenzierung und die Suche nach neuen Produkten und innovativen Produktionsprozessen spielen dabei innerhalb eines funktionsfähigen Wettbewerbsprozesses eine wichtige Rolle. So untersucht die Theorie der angreifbaren Märkte die Funktion des potentiellen Wettbewerbs als Substitut für fehlenden aktiven Wettbewerb im Fall von Größenvorteilen. Die Theorie des monopolistischen Wettbewerbs untersucht den Trade-off zwischen Produktvielfalt und Größenvorteilen bei freiem Marktzutritt. Bes. bedeutsam ist die dynamische Funktion des Wettbewerbs als Entdeckungsverfahren (Österreichische Schule der Nationalökonomie) neuer Produkte und Produktionsprozesse.
3. Wettbewerb in liberalisierten Netzen
Lange Zeit waren die Netzsektoren durch gesetzliche Marktzutrittsschranken vor Wettbewerb geschützt. Der ordnungspolitische Paradigmenwechsel (Ordnungspolitik) einer L. durch Deregulierung und Privatisierung mit dem Ziel einer umfassenden Marktöffnung begann weltweit in den 1970/80er Jahren und ist inzwischen weitgehend abgeschlossen. Seit der 6. Novelle des GWB, die am 1.1.1999 in Kraft getreten ist, werden die Netzsektoren nicht mehr als wettbewerbliche Ausnahmebereiche betrachtet, sondern unterliegen dem allgemeinen Wettbewerbsrecht. Es stellt sich fortan die ordnungspolitische Frage nach einer marktkonformen institutionellen Arbeitsteilung zwischen allgemeiner Wettbewerbspolitik und sektorspezischen Regulierungseingriffen (Neue Politische Ökonomie).
3.1 Märkte für Netzdienstleistungen und Netzinfrastrukturkapazitäten
Netzdienstleistungen (z. B. Flug-, Eisenbahn-, Schiffsverkehr, Telekommunikation und Internet, Energiedienstleistungen) und Netzinfrastrukturen (z. B. Flughäfen, Schienentrassen, Häfen, Breitbandnetze, Stromnetze und Pipelines) bilden komplementäre Netzebenen. Die Märkte für Netzdienstleistungen sind funktionsfähig, vorausgesetzt dass der Zugang zu der erforderlichen Netzinfrastruktur diskriminierungsfrei erfolgt.
3.2 Marktbasierte Stautarife und private Infrastrukturfinanzierung
Solange Unteilbarkeiten beim Aufbau von Netzinfrastrukturen (Infrastruktur) eine Nicht-Rivalität der Netznutzung bewirken, sind auslastungsabhängige Benutzungstarife zum Zwecke der Allokation der Kapazitäten nicht sinnvoll und die Infrastrukturfinanzierung bleibt eine staatliche Aufgabe. In den letzten Jahrzehnten sind die Stauprobleme auf einer Vielzahl von Netzinfrastrukturen stark angestiegen. Marktkonforme Instrumente zur Erfassung der Opportunitätskosten (Kosten) der Inanspruchnahme von Netzinfrastrukturkapazitäten sind folglich unerlässlich geworden. Sozial optimale Tarife erfassen nicht nur die privaten Grenzkosten, sondern auch die Externalitätskosten für alle übrigen Benutzer einer Infrastruktur. Die Einnahmen aus diesen Benutzungsentgelten sollten gleichzeitig zur Finanzierung der Infrastrukturkapazitäten eingesetzt werden.
Literatur
G. Knieps: Network Economics. Principles – Strategies – Competition Policy, 2015 • Ders.: Wettbewerbsökonomie. Regulierungstheorie, Industrieökonomie, Wettbewerbspolitik, 32008 • W. Eucken: Grundsätze der Wirtschaftspolitik, 61990 • W. J. Baumol: Contestable Markets. An Uprising in the Theory of Industry Structure, in: AER 72/1 (1982), 1–15 • F. A. von Hayek: Der Wettbewerb als Entdeckungsverfahren, in: E. Schneider (Hg.): Kieler Vorträge, 1968, 3–20 • L. von Mises: Liberalismus. II. Wirtschaftlicher Liberalismus, in: HDSW, Bd. 6, 1959, 596–603 • A. C. Pigou: The Economics of Welfare, 41952 • H. Hotelling: The General Welfare in Relation to Problems of Taxation and of Railway and Utility Rates, in: EC 6/3 (1938), 242–269 • E. H. Chamberlin: The Theory of Monopolistic Competition, 1933 • L. Walras: Eléments d’économie politique pure ou Théorie de la richesse sociale, 1874/77 • A. Smith: An Inquiry into The Nature and Causes of The Wealth of Nations, 1776.
Empfohlene Zitierweise
G. Knieps: Liberalisierung, II. Im wirtschaftlichen Wettbewerb, Version 08.06.2022, 09:10 Uhr, in: Staatslexikon8 online, URL: https://www.staatslexikon-online.de/Lexikon/Liberalisierung (abgerufen: 25.11.2024)