Katholische Kirche: Unterschied zwischen den Versionen

K (Katholische Kirche)
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<h3>2. Societas perfecta</h3>
 
<h3>2. Societas perfecta</h3>
 
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Auf diese Herausforderungen reagierte die Ekklesiologie im 20.&nbsp;Jh. mit einer Revision des <I>Societas-perfecta-Konzepts</I> i.&nbsp;S.&nbsp;d. dann vom [[Zweites Vatikanisches Konzil|Zweiten Vatikanischen Konzil]] übernommenen bzw. angeregten <I>Volk-Gottes- und Communio-Paradigmas.</I> Die <I>Societas-perfecta</I>-Lehre modellierte Kirche als in einer sichtbaren und geschichtlich greifbaren Institution realisiertes geistliches Herrschaftssystem, in dem die Amtsträger kraft der ihnen – je nach ihrer hierarchischen Stellung – übertragenen Vollmachten ihre auf das Heil der Gläubigen gerichteten Aufgaben unabhängig von jeder äußeren (nichtkirchlichen) Einflussnahme wahrnehmen können. Das Konzept der <I>Societas perfecta</I> reflektierte urspr. die [[Souveränität]] und innere Handlungsfähigkeit einer politischen oder staatlichen Einheit, der all das uneingeschränkt zu eigen ist, was zu einem autonomen Funktionieren eines Gemeinwesens erforderlich ist. Pius&nbsp;IX. beanspruchte diese quasi-staatliche [[Autonomie]] für die Kirche gewissermaßen als Defensiv-Konzept, mit dem der k.n K. in einer nationalstaatlich verfassten Welt Unabhängigkeit zugesprochen und ihre Souveränität auch ad intra durch eine forciert hierarchische Verteilung der Handlungsvollmachten gesichert werden sollte. Er behauptete in diesem Sinne, die k. K. habe „kraft ihrer göttlichen Einsetzung die Gestalt einer vollkommenen Gesellschaft erhalten“ (Allocutio „Singulari quadam“ vom 9.12.1854). Als solche sei sie berechtigt, alle mit der Erlangung des Seelenheils ihrer Mitglieder zusammenhängenden Angelegenheiten autonom zu regeln. Die ihr durch göttliche Einsetzung verliehene Autonomie wird – nach der Primats- und Unfehlbarkeitsdefinition des Ersten Vatikanischen Konzils – wesentlich durch die höchste Souveränität des Papstes nach innen und außen zur Geltung gebracht (Dogmatische Konstitution „Pastor aeternus“ vom 18.6.1870).
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Auf diese Herausforderungen reagierte die Ekklesiologie im 20.&nbsp;Jh. mit einer Revision des <I>Societas-perfecta-Konzepts</I> i.&nbsp;S.&nbsp;d. dann vom [[Zweites Vatikanisches Konzil|Zweiten Vatikanischen Konzil]] übernommenen bzw. angeregten <I>Volk-Gottes- und Communio-Paradigmas.</I> Die <I>Societas-perfecta</I>-Lehre modellierte Kirche als in einer sichtbaren und geschichtlich greifbaren Institution realisiertes geistliches Herrschaftssystem, in dem die Amtsträger kraft der ihnen – je nach ihrer hierarchischen Stellung – übertragenen Vollmachten ihre auf das Heil der Gläubigen gerichteten Aufgaben unabhängig von jeder äußeren (nichtkirchlichen) Einflussnahme wahrnehmen können. Das Konzept der <I>Societas perfecta</I> reflektierte ursprünglich die [[Souveränität]] und innere Handlungsfähigkeit einer politischen oder staatlichen Einheit, der all das uneingeschränkt zu eigen ist, was zu einem autonomen Funktionieren eines Gemeinwesens erforderlich ist. Pius&nbsp;IX. beanspruchte diese quasi-staatliche [[Autonomie]] für die Kirche gewissermaßen als Defensiv-Konzept, mit dem der k.n K. in einer nationalstaatlich verfassten Welt Unabhängigkeit zugesprochen und ihre Souveränität auch ad intra durch eine forciert hierarchische Verteilung der Handlungsvollmachten gesichert werden sollte. Er behauptete in diesem Sinne, die k. K. habe „kraft ihrer göttlichen Einsetzung die Gestalt einer vollkommenen Gesellschaft erhalten“ (Allocutio „Singulari quadam“ vom 9.12.1854). Als solche sei sie berechtigt, alle mit der Erlangung des Seelenheils ihrer Mitglieder zusammenhängenden Angelegenheiten autonom zu regeln. Die ihr durch göttliche Einsetzung verliehene Autonomie wird – nach der Primats- und Unfehlbarkeitsdefinition des Ersten Vatikanischen Konzils – wesentlich durch die höchste Souveränität des Papstes nach innen und außen zur Geltung gebracht (Dogmatische Konstitution „Pastor aeternus“ vom 18.6.1870).
 
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Das Selbstbild der Kirche als „hochpotenziertes und perfektes geistliches Staatswesen“ (Böckenförde 1982: 19) ist gewiss auch eine Reaktion auf Differenzierungsprozesse moderner [[Gesellschaft|Gesellschaften]], in denen sich die k. K. zunehmend nicht als souveräne Akteurin, sondern als eine „Mitspielerin“ vorfand, die ihren Maßgeblichkeitsanspruch bei „gemischten Angelegenheiten“, in denen staatliche und gesellschaftliche Direktiven oder Optionen gegen kirchliche geltend gemacht wurden, selbst bei Kirchenmitgliedern nicht mehr ohne weiteres durchsetzen konnte. Das Selbstverständnis eines kirchlichen Gemeinwesens, in dem das Kirche-Sein im Wesentlichen durch die hierarchisch geordnete Ausübung geistlicher Vollmachten realisiert wird, traf auf das Selbstverständnis einer demokratischen [[Öffentlichkeit]], in der die Mitsprache in Meinungsbildungsprozessen und die Mitwirkung an Entscheidungen nach Möglichkeit gewährleistet sein sollte. Während für die k. K. gelten sollte, dass Mitsprache und Mitwirkung der nicht mit geistlicher Vollmacht ausgestatteten Laien die Ausnahme bleibt, sollen Demokratien – so nahm man es kirchlich wahr – der entgegengesetzten Maxime folgen, wonach die Einschränkung der Mitsprache und Mitwirkung durch die Bürger genau zu regelnde Ausnahme zu bleiben hat bzw. nur an den Zuständigkeiten demokratisch legitimierter oder verantwortlicher [[Institution|Institutionen]] ihre Grenze findet. Diese Konstellation erklärt den ausgeprägt anti-demokratischen Affekt, der lehramtliche Stellungnahmen lange prägte. Er richtete sich gegen die Vorstellung, auch in der Kirche seien die Leitungs-Vollmachten nicht unmittelbar von Gott den Hierarchen verliehen, sondern der Kirche als ganzer mitgeteilt, die sie an die Amtsträger delegiere (vgl. die Verurteilung der Lehrsätze der Synode von Pistoia in der Konstitution Pius&nbsp;VI. vom 28.8.1794). Die ekklesiologische Diskussion bewegt sich hier mitunter immer noch in unangemessenen Alternativen, etwa wenn nicht deutlich genug unterschieden wird, in welchen kirchlichen Angelegenheiten die Mitwirkung der „einfachen“ Gläubigen prinzipiell denkbar ist, weil es hier mehrere kirchlich legitime Entscheidungs- und Gestaltungsmöglichkeiten gibt, und wo der Auftrag der kirchlichen Amtsträger ([[Amt]]), kirchliche Praxis und Glaubenslehre in ihrer christlichen Identität zu bewahren, dieser Mitwirkung Grenzen setzt. Die Diskussion hat freilich mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil insofern eine neue Basis gefunden, als nun allg. anerkannt wird, dass die hierarchischen Ämter nicht über der Kirche stehen, um über sie „souverän“ zu herrschen, sondern in ihr und für sie ihren Dienst zu leisten haben.
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Das Selbstbild der Kirche als „hochpotenziertes und perfektes geistliches Staatswesen“ (Böckenförde 1982: 19) ist gewiss auch eine Reaktion auf Differenzierungsprozesse moderner [[Gesellschaft|Gesellschaften]], in denen sich die k. K. zunehmend nicht als souveräne Akteurin, sondern als eine „Mitspielerin“ vorfand, die ihren Maßgeblichkeitsanspruch bei „gemischten Angelegenheiten“, in denen staatliche und gesellschaftliche Direktiven oder Optionen gegen kirchliche geltend gemacht wurden, selbst bei Kirchenmitgliedern nicht mehr ohne weiteres durchsetzen konnte. Das Selbstverständnis eines kirchlichen Gemeinwesens, in dem das Kirche-Sein im Wesentlichen durch die hierarchisch geordnete Ausübung geistlicher Vollmachten realisiert wird, traf auf das Selbstverständnis einer demokratischen [[Öffentlichkeit]], in der die Mitsprache in Meinungsbildungsprozessen und die Mitwirkung an Entscheidungen nach Möglichkeit gewährleistet sein sollte. Während für die k. K. gelten sollte, dass Mitsprache und Mitwirkung der nicht mit geistlicher Vollmacht ausgestatteten Laien die Ausnahme bleibt, sollen Demokratien – so nahm man es kirchlich wahr – der entgegengesetzten Maxime folgen, wonach die Einschränkung der Mitsprache und Mitwirkung durch die Bürger genau zu regelnde Ausnahme zu bleiben hat bzw. nur an den Zuständigkeiten demokratisch legitimierter oder verantwortlicher [[Institution|Institutionen]] ihre Grenze findet. Diese Konstellation erklärt den ausgeprägt anti-demokratischen Affekt, der lehramtliche Stellungnahmen lange prägte. Er richtete sich gegen die Vorstellung, auch in der Kirche seien die Leitungs-Vollmachten nicht unmittelbar von Gott den Hierarchen verliehen, sondern der Kirche als ganzer mitgeteilt, die sie an die Amtsträger delegiere (vgl. die Verurteilung der Lehrsätze der Synode von Pistoia in der Konstitution Pius&nbsp;VI. vom 28.8.1794). Die ekklesiologische Diskussion bewegt sich hier mitunter immer noch in unangemessenen Alternativen, etwa wenn nicht deutlich genug unterschieden wird, in welchen kirchlichen Angelegenheiten die Mitwirkung der „einfachen“ Gläubigen prinzipiell denkbar ist, weil es hier mehrere kirchlich legitime Entscheidungs- und Gestaltungsmöglichkeiten gibt, und wo der Auftrag der kirchlichen Amtsträger ([[Amt]]), kirchliche Praxis und Glaubenslehre in ihrer christlichen Identität zu bewahren, dieser Mitwirkung Grenzen setzt. Die Diskussion hat freilich mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil insofern eine neue Basis gefunden, als nun allgemein anerkannt wird, dass die hierarchischen Ämter nicht über der Kirche stehen, um über sie „souverän“ zu herrschen, sondern in ihr und für sie ihren Dienst zu leisten haben.
 
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Eine nachhaltigere Institutionalisierung hat das synodale Prinzip in der regelmäßigen Durchführung von Bischofssynoden ([[Synode]]) für die gesamte k. K. in Rom gefunden (seit 1967; eingerichtet mit dem MP „Apostolica sollicitudo“ vom 15.9.1965). Mit ihr soll der von LG 22–23 formulierten ekklesiologisch-grundlegenden Einsicht Rechnung getragen werden, dass die Bischöfe nicht nur auf ökumenischen [[Konzil|Konzilien]] „gemeinsam mit ihrem Haupt, dem Bischof von Rom, und niemals ohne dieses Haupt, gleichfalls Träger der höchsten und vollen Gewalt über die ganze Kirche“ (LG 22) sind. V.&nbsp;a. unter Papst Franziskus haben sich die Bischofssynoden als Forum einer offenen Diskussion über kirchlich kontroverse Fragen bewährt. Sie sind allerdings weiterhin darauf angewiesen, dass der Papst ihre Ergebnisse bündelt und ihnen in entspr.en Initiativen kirchliche Geltung verschafft.
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Eine nachhaltigere Institutionalisierung hat das synodale Prinzip in der regelmäßigen Durchführung von Bischofssynoden ([[Synode]]) für die gesamte k. K. in Rom gefunden (seit 1967; eingerichtet mit dem MP „Apostolica sollicitudo“ vom 15.9.1965). Mit ihr soll der von LG 22–23 formulierten ekklesiologisch-grundlegenden Einsicht Rechnung getragen werden, dass die Bischöfe nicht nur auf ökumenischen [[Konzil|Konzilien]] „gemeinsam mit ihrem Haupt, dem Bischof von Rom, und niemals ohne dieses Haupt, gleichfalls Träger der höchsten und vollen Gewalt über die ganze Kirche“ (LG 22) sind. V.&nbsp;a. unter Papst Franziskus haben sich die Bischofssynoden als Forum einer offenen Diskussion über kirchlich kontroverse Fragen bewährt. Sie sind allerdings weiterhin darauf angewiesen, dass der Papst ihre Ergebnisse bündelt und ihnen in entsprechenden Initiativen kirchliche Geltung verschafft.
 
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<h3>6. Volk Gottes, stets der Reinigung und der Reform bedürftig</h3>
 
<h3>6. Volk Gottes, stets der Reinigung und der Reform bedürftig</h3>
 
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Die Kategorie des Volkes Gottes markiert einerseits diese universale Dimension der Sendung der Kirche und zugl. andererseits ihre Verwurzelung in der Ersterwählung Israels als <I>Kahal JHWH</I>, als des Eigentumsvolks Gottes, das der Welt zu bezeugen hat, was es bedeutet und wie es sich auswirkt, die Erwählung durch JHWH zu leben. Diese Erwählung soll Israel nicht streitig gemacht werden. Vielmehr ist und bleibt es eine elementare ekklesiologische Herausforderung, sich dieser Verwurzelung in Israels Erwählung bewusst zu bleiben und so ernsthaft zu realisieren, was es bedeutet, Gott „als ein Reich von Priestern und als ein heiliges Volk [zu] gehören“ (Ex 19,6). Das Zweite Vatikanische Konzil hat sich dieser Herausforderung zu stellen versucht und mit 1&nbsp;Petr 2,9 und Offb 16; 5,9–10 an die Berufung aller in der Kirche zur Teilhabe an einem gemeinsamen Priestertum erinnert, das sich freilich „dem Wesen und nicht bloß dem Grade nach“ vom hierachischen „Priestertum des Dienstes“ unterscheide (LG 10). Darüber hinaus wird dem ganzen Gottesvolk die Teilnahme am prophetischen Amt Christi und an seinem im befreienden Dienst realisierten königlichen Amt zugesprochen (vgl. KKK Nr.&nbsp;783–786). Man kann freilich anfragen, ob dieser die Glaubenden in ihrem Leben verpflichtenden Würde nicht auch die Zubilligung einer kirchlichen Verantwortung entsprechen müsste, mit der die Getauften (und Gefirmten) nicht nur auf ihren Weltdienst verwiesen, sondern als Akteure bei der Mitgestaltung der kirchlich-gemeindlichen Wirklichkeit anerkannt würden.
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Die Kategorie des Volkes Gottes markiert einerseits diese universale Dimension der Sendung der Kirche und zugleich andererseits ihre Verwurzelung in der Ersterwählung Israels als <I>Kahal JHWH</I>, als des Eigentumsvolks Gottes, das der Welt zu bezeugen hat, was es bedeutet und wie es sich auswirkt, die Erwählung durch JHWH zu leben. Diese Erwählung soll Israel nicht streitig gemacht werden. Vielmehr ist und bleibt es eine elementare ekklesiologische Herausforderung, sich dieser Verwurzelung in Israels Erwählung bewusst zu bleiben und so ernsthaft zu realisieren, was es bedeutet, Gott „als ein Reich von Priestern und als ein heiliges Volk [zu] gehören“ (Ex 19,6). Das Zweite Vatikanische Konzil hat sich dieser Herausforderung zu stellen versucht und mit 1&nbsp;Petr 2,9 und Offb 16; 5,9–10 an die Berufung aller in der Kirche zur Teilhabe an einem gemeinsamen Priestertum erinnert, das sich freilich „dem Wesen und nicht bloß dem Grade nach“ vom hierachischen „Priestertum des Dienstes“ unterscheide (LG 10). Darüber hinaus wird dem ganzen Gottesvolk die Teilnahme am prophetischen Amt Christi und an seinem im befreienden Dienst realisierten königlichen Amt zugesprochen (vgl. KKK Nr.&nbsp;783–786). Man kann freilich anfragen, ob dieser die Glaubenden in ihrem Leben verpflichtenden Würde nicht auch die Zubilligung einer kirchlichen Verantwortung entsprechen müsste, mit der die Getauften (und Gefirmten) nicht nur auf ihren Weltdienst verwiesen, sondern als Akteure bei der Mitgestaltung der kirchlich-gemeindlichen Wirklichkeit anerkannt würden.
 
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<h3>3. Die hierarchische Verfassung</h3>
 
<h3>3. Die hierarchische Verfassung</h3>
 
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Die Gesamtkirche besitzt als sichtbares Prinzip und Fundament ihrer Einheit ein oberstes, zentrales Leitungsorgan und ist nach zwei Aspekten gegliedert: <I>a)</I>&nbsp;in die Lateinische Kirche (Westkirche, römisch-k. K.) und die katholischen [[Ostkirchen]] (orientalische Kirchen, deren es derzeit 22 gibt, darunter sechs Patriarchale und vier Großerzbischöfliche Kirchen); <I>b)</I>&nbsp;in Gesamtkirche und Teilkirchen (Diözesen [ [[Bistum]] ], derzeit 2 882, und ähnliche Teilkirchen, wie Apostolische Administraturen, Apostolische Vikariate und Präfekturen für Missionsgebiete, Territorialprälaturen) so, dass zwischen beiden ein gegenseitiges Innesein besteht (LG 23): Die Gesamtkirche verkörpert sich in jeder Teilkirche und besteht zugl. aus allen Teilkirchen.
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Die Gesamtkirche besitzt als sichtbares Prinzip und Fundament ihrer Einheit ein oberstes, zentrales Leitungsorgan und ist nach zwei Aspekten gegliedert: <I>a)</I>&nbsp;in die Lateinische Kirche (Westkirche, römisch-k. K.) und die katholischen [[Ostkirchen]] (orientalische katholische Kirchen, deren es derzeit 23 gibt, darunter sechs Patriarchale und vier Großerzbischöfliche Kirchen); <I>b)</I>&nbsp;in Gesamtkirche und Teilkirchen (Diözesen [ [[Bistum]] ], derzeit rund 2 900, und diözesanähnliche Teilkirchen, wie Apostolische Administraturen, Apostolische Vikariate und Präfekturen für Missionsgebiete, Territorialprälaturen) so, dass zwischen beiden ein gegenseitiges Innesein besteht (LG 23): Die Gesamtkirche verkörpert sich in jeder Teilkirche und besteht zugleich aus allen Teilkirchen.
 
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<I>a)</I> Träger der höchsten Gewalt über die Gesamtkirche und alle ihre Untergliederungen sind der [[Papst]] und das Bischofskollegium (dessen feierliche Handlungsform das ökumenische [[Konzil]] ist), dem der Papst definitionsgemäß als hierarchisches Haupt angehört. Der Papst besitzt jede denkbare kirchliche Befugnis in Lehre, Leitung und Heiligung (als volle und höchste), kann sie jederzeit frei ausüben und untersteht keiner wie immer gearteten rechtlichen Kontrolle bzw. Instanz (<I>prima sedes a nemine iudicatur:</I> can. 1404 CIC, can. 1058 CCEO). Dem Papst steht für die Leitung der Gesamtkirche die Römische Kurie, die stellvertretend für ihn handelt, zur Seite. Sie gliedert sich in das Staatssekretariat (Sekretariat des Papstes), die Kongregationen (oberste Verwaltungsbehörden, und zwar: Kongregation für die Glaubenslehre, für die Orientalischen Kirchen, für den Gottesdienst und die Sakramentendisziplin, für das Selig- und Heiligsprechungsverfahren, für die Bischöfe, für die Evangelisierung der Völker, für den Klerus, für die Institute des geweihten Lebens und Gesellschaften des Apostolischen Lebens, für die katholische Erziehung und Bildung), Gerichtshöfe <I>(Poenitentiaria Apostolica, Supremum Tribunal Signaturae Apostolicae, Rota Romana)</I>, Dikasterien, z.&nbsp;B. für Laien, Familie und das Leben, für den Dienst an der gesamtmenschlichen Entwicklung, für Kommunikation; Räte (z.&nbsp;B. Päpstlicher Rat für die Einheit der Christen, für den interreligiösen Dialog, für die Gesetzestexte); und zahlreiche weitere Einrichtungen wie etwa die Präfektur des Päpstlichen Hauses; der Wirtschaftsrat, das Sekretariat für wirtschaftliche Fragen und die Vermögensverwaltung des Apostolischen Stuhles; das Amt für die liturgischen Feierlichkeiten des Papstes; das Statistische Zentralamt; Päpstliche Kommissionen (z.&nbsp;B. für Archäologie, Päpstliche Bibelkommission) oder die mit dem [[Heiliger Stuhl|Heiligen Stuhl]] verbundenen Einrichtungen wie das Vatikanische Geheimarchiv und die Vatikanische Bibliothek. Von der Leitung der Gesamtkirche zu unterscheiden ist die Leitung des Vatikanstaats ([[Vatikanstadt]]).
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<I>a)</I> Träger der höchsten Gewalt über die Gesamtkirche und alle ihre Untergliederungen sind der [[Papst]] und das Bischofskollegium (dessen feierliche Handlungsform das ökumenische [[Konzil]] ist), dem der Papst definitionsgemäß als hierarchisches Haupt angehört. Der Papst besitzt jede denkbare kirchliche Befugnis in Lehre, Leitung und Heiligung (als volle und höchste), kann sie jederzeit frei ausüben und untersteht keiner wie immer gearteten rechtlichen Kontrolle bzw. Instanz (<I>prima sedes a nemine iudicatur:</I> can. 1404 CIC, can. 1058 CCEO). Dem Papst steht für die Leitung der Gesamtkirche die Römische Kurie, die stellvertretend für ihn handelt, zur Seite. Sie gliedert sich sich seit der Neuregelung durch die Apost. Konstitution „Praedicate evangelium“ vom 19. III. 2022 in das Staatssekretariat (päpstliches Sekretariat mit drei Sektionen: für die allg. Angelegenheiten, für die Beziehungen mit den Staaten und Int. Organisationen, für das diplomat. Personal des Hl. Stuhles), 16 Dikasterien (sie entsprechen den bisherigen Kongregationen und Päpstlichen Räten und verkörpern die obersten Verwaltungsbehörden der Kirche; ihre Zuständigkeit ist teilw. nach Sachmaterien umschrieben, wie z.B. im Falle des Dikasteriums für die Glaubenslehre oder jenes für den Gottesdienst und die Sakramentendisziplin, im Übrigen nach personellen Gesichtspunkten, wie z.B. im Falle des Dikasteriums für die Orientalischen Kirchen oder jenes für die Bischöfe), in die drei Gerichtshöfe <I>(Poenitentiaria Apostolica, Supremum Tribunal Signaturae Apostolicae, Rota Romana)</I>, die Einrichtungen für wirtschaftliche Angelegenheiten, besondere Ämter ( „Uffici“,z.B. für die liturgischen Feiern des Papstes), die Advokaten des [[Heiliger Stuhl|Heiligen Stuhls]], und schließlich die mit dem Hl. Stuhl verbundenen Einrichtungen, die zwar nicht zur Römischen Kurie gehören, ihr aber auf vielfache Weise dienen und insofern mit ihr verbunden sind (dazu gehören z.B. das Vatikanische Archiv und die Vatikanische Bibliothek, die Päpstl. Kommission für Archäologie, mehrere Päpstl. Akademien). Gemäß der Neuregelung können prinzipiell auch Laien in leitende Funktionen der Römischen Kurie berufen werden. Von der Leitung der Gesamtkirche zu unterscheiden ist die Leitung des Vatikanstaats ([[Vatikanstadt]]).
 
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Die <I>Bischofskonferenz</I> (derzeit 114) ist demgegenüber eine Personalkörperschaft, i.&nbsp;d.&nbsp;R. bestehend aus den Bischöfen einer Nation. Sie besitzt Gesetzgebungskompetenz nur in den ihr durch höheres Recht ausdrücklich zugewiesenen Materien. Sie wurde als eigene hierarchische Stufe durch das Zweite Vatikanische Konzil (CD 38) eingeführt und hat an praktischer Bedeutung die Plenarkonzilien (auf Ebene eines Landes) und Provinzialkonzilien an den Rand gedrängt. Auf internationaler Ebene bestehen Zusammenschlüsse von Bischofskonferenzen, so z.&nbsp;B. für Europa der <I>CCEE</I> und, als spezielles Organ gegenüber [[Europarat]] und [[Europäische Union (EU)|EU]], die <I>COMECE.</I> Die Zuständigkeit zur Errichtung von Bischofskonferenz, Kirchenprovinzen und Diözesen (oder anderer Formen von Teilkirchen) liegt für die lateinische Kirche ausschließlich beim Apostolischen Stuhl.
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Die <I>Bischofskonferenz</I> (derzeit 115) ist demgegenüber eine Personalkörperschaft, i.&nbsp;d.&nbsp;R. bestehend aus den Bischöfen einer Nation. Sie besitzt Gesetzgebungskompetenz nur in den ihr durch höheres Recht ausdrücklich zugewiesenen Materien. Sie wurde als eigene hierarchische Stufe durch das Zweite Vatikanische Konzil (CD 38) eingeführt und hat an praktischer Bedeutung die Plenarkonzilien (auf Ebene eines Landes) und Provinzialkonzilien an den Rand gedrängt. Auf internationaler Ebene bestehen Zusammenschlüsse von Bischofskonferenzen, so z.&nbsp;B. für Europa der <I>CCEE</I> und, als spezielles Organ gegenüber [[Europarat]] und [[Europäische Union (EU)|EU]], die <I>COMECE.</I> Die Zuständigkeit zur Errichtung von Bischofskonferenz, Kirchenprovinzen und Diözesen (oder anderer Formen von Teilkirchen) liegt für die lateinische Kirche ausschließlich beim Apostolischen Stuhl.
 
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Personale Einheiten (Personalpfarreien z.&nbsp;B. für die Angehörigen einer bestimmten orientalischen <I>Ecclesia sui iuris</I>, Personaldiözesen) können aus bes.n Gründen errichtet werden, bleiben aber die Ausnahme. Primär personal determinierte Sonderformen sind die <I>Militärordinariate</I> (derzeit 36 weltweit), <I>Ordinariate für orientalische Gläubige,</I> die <I>Personaladministratur,</I> die <I>Ordinariate für die Gläubigen aus der anglikanischen Kirche.</I>
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Personale Einheiten (Personalpfarreien z.&nbsp;B. für die Angehörigen einer bestimmten orientalischen <I>Ecclesia sui iuris</I>, Personaldiözesen) können aus besonderen Gründen errichtet werden, bleiben aber die Ausnahme. Primär personal determinierte Sonderformen sind die <I>Militärordinariate</I> (derzeit 36 weltweit), <I>Ordinariate für orientalische Gläubige,</I> die <I>Personaladministratur,</I> die <I>Ordinariate für die Gläubigen aus der anglikanischen Kirche.</I>
 
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<I>c)</I> An der Spitze einer orientalischen <I>Ecclesia sui iuris</I> steht ein Ersthierarch (z.&nbsp;B. Patriarch oder Großerzbischof) mit seiner Synode. Die Synode der Bischöfe in der Patriarchalen und Großerzbischöflichen Kirche besitzt generelle Gesetzgebungskompetenz sowie die oberste Gerichtsbarkeit (außer jener des Apostolischen Stuhles) für die eigene Kirche. Die lateinische Bischofskonferenz hat in den Ostkirchen keine Entsprechung; diese sind vielmehr durchgehend vom synodalen Prinzip beherrscht (Synode der Bischöfe, Ständige Synode, Metropolitansynode). Die Kirchen <I>sui iuris</I> sind in Eparchien (entspr. den lateinischen Diözesen) untergliedert; eine Sonderform ist die Exarchie (wegen bes.r Umstände nicht als Eparchie errichtet; innerhalb des Territoriums der Kirche oder in der Diaspora), die weitgehend der Eparchie gleichgestellt ist. Kirchenprovinzen sind nur in der Patriarchalen und Großerzbischöflichen Kirche vorgesehen. Für die Errichtung von Kirchenprovinzen und Eparchien oder Exarchien innerhalb des Territoriums der <I>Ecclesia sui iuris</I> ist der Patriarch zuständig, außerhalb der Apostolische Stuhl. Die Gliederung in Pfarreien unterscheidet sich nicht von jener in der lateinischen Kirche.
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<I>c)</I> An der Spitze einer orientalischen <I>Ecclesia sui iuris</I> steht ein Ersthierarch (z.&nbsp;B. Patriarch oder Großerzbischof) mit seiner Synode. Die Synode der Bischöfe in der Patriarchalen und Großerzbischöflichen Kirche besitzt generelle Gesetzgebungskompetenz sowie die oberste Gerichtsbarkeit (außer jener des Apostolischen Stuhles) für die eigene Kirche. Die lateinische Bischofskonferenz hat in den Ostkirchen keine Entsprechung; diese sind vielmehr durchgehend vom synodalen Prinzip beherrscht (Synode der Bischöfe, Ständige Synode, Metropolitansynode). Die Kirchen <I>sui iuris</I> sind in Eparchien (entspr. den lateinischen Diözesen) untergliedert; eine Sonderform ist die Exarchie (wegen besonderer Umstände nicht als Eparchie errichtet; innerhalb des Territoriums der Kirche oder in der Diaspora), die weitgehend der Eparchie gleichgestellt ist. Kirchenprovinzen sind nur in der Patriarchalen und Großerzbischöflichen Kirche vorgesehen. Für die Errichtung von Kirchenprovinzen und Eparchien oder Exarchien innerhalb des Territoriums der <I>Ecclesia sui iuris</I> ist der Patriarch zuständig, außerhalb der Apostolische Stuhl. Die Gliederung in Pfarreien unterscheidet sich nicht von jener in der lateinischen Kirche.
 
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K. Lüdicke (Hg.): Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, 55. Erg.-Lfg., Stand Mai 2018 • H. Hallermann u. a. (Hg.): Lexikon für Kirchen- und Religionsrecht, 4 Bde., ab 2018 • Segreteria due Stati (Hg.): Annuario Pontificio 2018, 2018 • HdbkathKR, <sup>3</sup>2015 • J. Otaduy/A. Viana/J. Sedano (Hg.): Diccionario General de Derecho Canónico, 7 Bde., 2012 • S. Haering/H. Schmitz (Hg.): Lexikon des Kirchenrechts, 2004 • H. Schwendenwein: Die Katholische Kirche. Aufbau und rechtliche Organisation, 2003 • J. I. Arrieta: Diritto dell’organizzazione ecclesiastica, 1997 • W. Aymans/K. Mörsdorf: Kanonisches Recht, 4 Bde., 1991–2014;
+
K. Lüdicke (Hg.): Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, 61. Erg.-Lfg., Stand Januar 2022 • H. Hallermann u. a. (Hg.): Lexikon für Kirchen- und Religionsrecht, 4 Bde., ab 2018 • Segreteria di Stato (Hg.): Annuario Pontificio 2021, 2018 • HdbkathKR, <sup>3</sup>2015 • J. Otaduy/A. Viana/J. Sedano (Hg.): Diccionario General de Derecho Canónico, 7 Bde., 2012 • S. Haering/H. Schmitz (Hg.): Lexikon des Kirchenrechts, 2004 • H. Schwendenwein: Die Katholische Kirche. Aufbau und rechtliche Organisation, 2003 • J. I. Arrieta: Diritto dell’organizzazione ecclesiastica, 1997 • W. Aymans/K. Mörsdorf: Kanonisches Recht, 4 Bde., 1991–2014;
 
<br>Orientalisches Kirchenrecht:<br>
 
<br>Orientalisches Kirchenrecht:<br>
G. Nedungatt (Hg.): A Guide to the Eastern Code, 2002 • P. V. Pinto (Hg.): Commento al Codice dei Canoni delle Chiese Orientali, 2001 • J. Madey: Quellen und Grundzüge des Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium, 1999 • I. Zuzek: Understanding the Eastern Code, 1997.
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G. Nedungatt/G. Ruyssen (Hg.): A Guide to the Eastern Code, <sup>2</sup>2020 • P. V. Pinto (Hg.): Commento al Codice dei Canoni delle Chiese Orientali, 2001 • J. Madey: Quellen und Grundzüge des Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium, 1999 • I. Zuzek: Understanding the Eastern Code, 1997 • J.D. Faris/J. Abbass (Hg.): A Practical Commentary to the Code of Canons of the Eastern Churches, 2 Bde., 2019.
 
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H. Pree: Katholische Kirche, II. Kirchenrecht, Version 08.06.2022, 09:10 Uhr, in: Staatslexikon<sup>8</sup> online, URL: {{fullurl:Katholische Kirche}} (abgerufen: {{CURRENTDAY2}}.{{CURRENTMONTH}}.{{CURRENTYEAR}})
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H. Pree: Katholische Kirche, II. Kirchenrecht, Version 09.03.2023, 17:16 Uhr, in: Staatslexikon<sup>8</sup> online, URL: {{fullurl:Katholische Kirche}} (abgerufen: {{CURRENTDAY2}}.{{CURRENTMONTH}}.{{CURRENTYEAR}})
 
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[[Category:Theologie]]

Aktuelle Version vom 9. März 2023, 17:13 Uhr

  1. I. Systematisch-theologisch
  2. II. Kirchenrecht
  3. III. Statistik

I. Systematisch-theologisch

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1. Die Situation

Die zweite Hälfte des 20. Jh. brachte für das theologische Selbstverständnis der k.n K. (die Ekklesiologie) in mehrfacher Hinsicht eine Neuorientierung, deren Auswirkungen noch nicht klar abzuschätzen sind. Zentrale Bedeutung hatte und hat nach wie vor das Zweite Vatikanische Konzil, das auf kirchliche und gesellschaftliche Entwicklungen ebenso reagierte, wie es die Neubesinnung der Kirche auf ihr „Wesen“ und ihren Auftrag vorangetrieben hat. Dabei standen und stehen weiterhin etwa die folgenden Herausforderungen an:

a) die Verschiebung eines staats-analogen Verständnisses der Kirche hin zur Selbstwahrnehmung als zivilgesellschaftlicher Akteur (Zivilgesellschaft) unter anderen;

b) damit verbunden die Gestaltung der Spannung zwischen verbindlicher Nachfolge-Gemeinschaft und einem Anbieter von Lebensorientierung auf dem Markt gesellschaftlicher „Ideen-Angebote“;

c) daraus folgend: die Herausbildung eines diakonisches (Caritas, Diakonie) anstelle eines hoheitlich-bürokratischen Selbstverständnisses von Kirche;

d) die deutliche Verschiebung von einer Amtszentrierung zu einer Teilnehmerorientierung des kirchlichen Angebots;

e) dem entspr.: die Ablösung der Einbahnkommunikation „von oben nach unten“ durch eine spannungsreiche kirchliche Kommunikation mit vielen Akteuren, in der sich unterschiedliche Erfahrungen, Glaubensüberzeugungen und Nachfolgewege artikulieren;

f) die Überwindung des kirchlichen Zentralismus in einer „polyzentrischen Weltkirche“ (Metz 1987);

g) das ökumenische Bewusstsein (Ökumene), das Kirche als lebensweltliche Gegebenheit nur noch im Plural kennt und nicht ausschließen will, dass es mehrere legitime Weisen des Daseins der einen Kirche Jesu Christi geben kann;

h) die klare missionarische Perspektivierung (Mission) des Daseins der Kirche in der Welt, in der es nicht vorrangig um die Heimholung „der Anderen“ in die römisch-k. K. geht, sondern wesentlich um die Solidarisierung mit den Benachteiligten und an den Rand Gedrängten, damit gerade ihnen die Berufung in Gottes jetzt anbrechende Herrschaft glaubwürdig bezeugt werde;

i) die Überwindung eines „ekklesiologischen Narzissmus“ und die Öffnung für die Situationen, in die Kirche selbst eingebunden ist und in denen sie zu einer gültigen Realisierung ihres Auftrags kommen muss;

j) die Neuorientierung aber auch angesichts einer in vielen Weltregionen um sich greifenden Säkularisierung, die die Kirche vielfach dazu zwingt, sich auf eine Diaspora-Situation einzustellen.

2. Societas perfecta

Auf diese Herausforderungen reagierte die Ekklesiologie im 20. Jh. mit einer Revision des Societas-perfecta-Konzepts i. S. d. dann vom Zweiten Vatikanischen Konzil übernommenen bzw. angeregten Volk-Gottes- und Communio-Paradigmas. Die Societas-perfecta-Lehre modellierte Kirche als in einer sichtbaren und geschichtlich greifbaren Institution realisiertes geistliches Herrschaftssystem, in dem die Amtsträger kraft der ihnen – je nach ihrer hierarchischen Stellung – übertragenen Vollmachten ihre auf das Heil der Gläubigen gerichteten Aufgaben unabhängig von jeder äußeren (nichtkirchlichen) Einflussnahme wahrnehmen können. Das Konzept der Societas perfecta reflektierte ursprünglich die Souveränität und innere Handlungsfähigkeit einer politischen oder staatlichen Einheit, der all das uneingeschränkt zu eigen ist, was zu einem autonomen Funktionieren eines Gemeinwesens erforderlich ist. Pius IX. beanspruchte diese quasi-staatliche Autonomie für die Kirche gewissermaßen als Defensiv-Konzept, mit dem der k.n K. in einer nationalstaatlich verfassten Welt Unabhängigkeit zugesprochen und ihre Souveränität auch ad intra durch eine forciert hierarchische Verteilung der Handlungsvollmachten gesichert werden sollte. Er behauptete in diesem Sinne, die k. K. habe „kraft ihrer göttlichen Einsetzung die Gestalt einer vollkommenen Gesellschaft erhalten“ (Allocutio „Singulari quadam“ vom 9.12.1854). Als solche sei sie berechtigt, alle mit der Erlangung des Seelenheils ihrer Mitglieder zusammenhängenden Angelegenheiten autonom zu regeln. Die ihr durch göttliche Einsetzung verliehene Autonomie wird – nach der Primats- und Unfehlbarkeitsdefinition des Ersten Vatikanischen Konzils – wesentlich durch die höchste Souveränität des Papstes nach innen und außen zur Geltung gebracht (Dogmatische Konstitution „Pastor aeternus“ vom 18.6.1870).

Das Selbstbild der Kirche als „hochpotenziertes und perfektes geistliches Staatswesen“ (Böckenförde 1982: 19) ist gewiss auch eine Reaktion auf Differenzierungsprozesse moderner Gesellschaften, in denen sich die k. K. zunehmend nicht als souveräne Akteurin, sondern als eine „Mitspielerin“ vorfand, die ihren Maßgeblichkeitsanspruch bei „gemischten Angelegenheiten“, in denen staatliche und gesellschaftliche Direktiven oder Optionen gegen kirchliche geltend gemacht wurden, selbst bei Kirchenmitgliedern nicht mehr ohne weiteres durchsetzen konnte. Das Selbstverständnis eines kirchlichen Gemeinwesens, in dem das Kirche-Sein im Wesentlichen durch die hierarchisch geordnete Ausübung geistlicher Vollmachten realisiert wird, traf auf das Selbstverständnis einer demokratischen Öffentlichkeit, in der die Mitsprache in Meinungsbildungsprozessen und die Mitwirkung an Entscheidungen nach Möglichkeit gewährleistet sein sollte. Während für die k. K. gelten sollte, dass Mitsprache und Mitwirkung der nicht mit geistlicher Vollmacht ausgestatteten Laien die Ausnahme bleibt, sollen Demokratien – so nahm man es kirchlich wahr – der entgegengesetzten Maxime folgen, wonach die Einschränkung der Mitsprache und Mitwirkung durch die Bürger genau zu regelnde Ausnahme zu bleiben hat bzw. nur an den Zuständigkeiten demokratisch legitimierter oder verantwortlicher Institutionen ihre Grenze findet. Diese Konstellation erklärt den ausgeprägt anti-demokratischen Affekt, der lehramtliche Stellungnahmen lange prägte. Er richtete sich gegen die Vorstellung, auch in der Kirche seien die Leitungs-Vollmachten nicht unmittelbar von Gott den Hierarchen verliehen, sondern der Kirche als ganzer mitgeteilt, die sie an die Amtsträger delegiere (vgl. die Verurteilung der Lehrsätze der Synode von Pistoia in der Konstitution Pius VI. vom 28.8.1794). Die ekklesiologische Diskussion bewegt sich hier mitunter immer noch in unangemessenen Alternativen, etwa wenn nicht deutlich genug unterschieden wird, in welchen kirchlichen Angelegenheiten die Mitwirkung der „einfachen“ Gläubigen prinzipiell denkbar ist, weil es hier mehrere kirchlich legitime Entscheidungs- und Gestaltungsmöglichkeiten gibt, und wo der Auftrag der kirchlichen Amtsträger (Amt), kirchliche Praxis und Glaubenslehre in ihrer christlichen Identität zu bewahren, dieser Mitwirkung Grenzen setzt. Die Diskussion hat freilich mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil insofern eine neue Basis gefunden, als nun allgemein anerkannt wird, dass die hierarchischen Ämter nicht über der Kirche stehen, um über sie „souverän“ zu herrschen, sondern in ihr und für sie ihren Dienst zu leisten haben.

3. Leib Christi

Die Intention des Societas-perfecta-Konzepts von Kirche, sich „nach außen“ abzugrenzen und als quasi-staatliches Handlungssubjekt zu behaupten, „nach innen“ aber die souveräne Handlungsfähigkeit der Vollmachtsträger zur Geltung zu bringen, entsprach der in mittelalterlicher Kanonistik aus dem römischen Recht übernommenen Vorstellung einer Körperschaft, die sich selbst regiert bzw. von denen regiert wird, die für sie stehen und sie handlungsfähig machen. Diese Vorstellung implementiert die biblische Metapher des Leibes Christi (v. a. 1 Kor 12,12–27), nicht ohne sie in ihrer Intention zu verändern. Wo es Paulus darauf ankommt, Überlegenheitsansprüche in der Gemeinde auf das „organische“ Zusammenwirken der Charismen zum Wohl des ganzen Leibes zu verweisen, in und an dem der auferstandene Christus erfahren werden kann, dient die Metapher nun der Privilegierung des sichtbar-handlungsfähigen (Ober-)Hauptes, von dem her die universale Kirche ist, was sie zu sein hat: „ein Leib Christi […], dessen Haupt die Römische Kirche ist […]; die untergeordneten Ortskirchen [inferiores ecclesiae] sind Glieder dieses Hauptes, Glieder, die vom Haupt her sind, oder Glieder, die von anderen Gliedern her sind, so wie im menschlichen Körper die Hand vom Arm her, die Finger von der Hand her“ (Andreae 1581: 74). Dieses Modell ist im Wesentlichen noch für die Enzyklika „Mystici corporis“ vom 29.6.1943 maßgebend. Freilich wird hier ausdrücklich dem Missverständnis widersprochen, der „sogenannte ‚organische‘ Aufbau des Leibes der Kirche bestehe allein in den Stufen der Hierarchie und bestimme sich durch sie“ (Denzinger/Hoping/Hünermann 2017: 3801). Es wird festgehalten, dass nur Getaufte und in rechtmäßiger Verbindung mit der k.n K. bleibende Menschen Glieder der Kirche sind, aber auch die Einladung an die vom „sichtbaren Gefüge“ (Denzinger/Hoping/Hünermann 2017: 3802) der k.n K. Getrennten ausgesprochen, sich ihres Heiles dadurch zu vergewissern, dass sie „in die katholische Einheit eintreten“ und sich der Gnadenmittel erfreuen, die allein in der k.n K. zugänglich sind (Denzinger/Hoping/Hünermann 2017: 3821).

Die Leib-Christi-Metapher wird bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil v. a. so ausgelegt, dass sie die sichtbare Realität der Körperschaft (römisch-k.) Kirche als exklusive Realisierung des „mystischen Leibes“ der in Christus Verbundenen zur Geltung bringt. Dieser mystische Leib ist durch den Herrn der Kirche mit all den Mitteln und Organen ausgestattet, die seinen Gliedern den Zugang zum ewigen Heil erschließen. Das Zweite Vatikanische Konzil öffnet diese Exklusionsmetapher vorsichtig, insofern von den „getrennten Kirchen und Gemeinschaften“ gesagt wird, sie seien „nicht ohne Bedeutung und Gewicht im Geheimnis des Heiles“ und könnten in ihren liturgischen Handlungen „ohne Zweifel tatsächlich das Leben der Gnade zeugen“ (UR 3). Der Geist Christi würdige sie dadurch, „sie als Mittel des Heiles zu gebrauchen“, deren Wirksamkeit sich freilich „von der der katholischen Kirche anvertrauten Fülle der Gnade und Wahrheit herleitet“ (UR 3). Die Katholiken sollten deshalb „die wahrhaft christlichen Güter aus dem gemeinsamen Erbe mit Freude anerkennen und hochschätzen“ und zugl. „unter Wahrung der Einheit im Notwendigen je nach der Aufgabe eines jeden in den verschiedenen Formen des geistlichen Lebens und der äußeren Lebensgestaltung, in der Verschiedenheit der liturgischen Riten sowie der theologischen Ausarbeitung der Offenbarungswahrheit die gebührende Freiheit walten lassen, in allem aber die Liebe üben“ und den Weg der „notwendigen Erneuerung und Reform“ als Weg zu umfassenderer und tieferer Katholizität ansehen (UR 4). Die Dogmatische Konstitution LG will ebenfalls der Einsicht Rechnung tragen, dass außerhalb des „sichtbaren Gefüges“ der römisch-k.n K. „vielfältige Elemente der Heiligung und Wahrheit zu finden sind“ (LG 8). So haben die Konzilsväter die Textvorlage, nach der die in Welt und Geschichte konkret existierende Kirche Jesu Christi die k. K. in ihrer institutionellen Greifbarkeit sei [est], abgeändert und davon gesprochen, „die in dieser Welt als Gesellschaft verfasst[e] und geordnet[e]“ Kirche Jesu Christi sei „verwirklicht [subsistit in] in der katholischen Kirche, die vom Nachfolger Petri und den Bischöfen in Gemeinschaft mit ihm geleitet werden“ (LG 8). Die Erklärung der Kongregation für die Glaubenslehre „Dominus Iesus“ vom 6.8.2000 versteht das subsistit freilich wieder i. S. d. im konziliaren Diskussionsprozess ersetzten est und leitet daraus die Weigerung ab, kirchliche Gemeinschaften, „die den gültigen Episkopat und die ursprüngliche und vollständige Wirklichkeit des eucharistischen Mysteriums nicht bewahrt“ hätten, als „Kirchen im eigentlichen Sinn“ anzuerkennen („Dominus Iesus“ 17).

Diese restriktive Deutung hat die Kirchen der Reformation katholischerseits wieder in jener Defizit-Perspektive verortet, die das Zweite Vatikanische Konzil vorsichtig weiten wollte. Sie hat zudem die Zwiespältigkeit eines Gebrauchs der Leib-Christi-Metapher in den Blick gerückt, der von Abgrenzung wie von ekklesialer Introspektion geprägt ist und darin auch weit hinter der Bedeutung dieser Metapher bei Paulus zurückbleibt. Hier verweist sie ja darauf, dass das „organische“ Miteinander der Charismen in der Gemeinde den Menschen zum Zeugnis für die Gegenwart Christi und seines Geistes in ihr wird. In der Gemeinde durfte die Erfahrung gemacht werden, dass der erhöhte Herr in dieser Welt „leibhaft“ greifbar wird, da sich Menschen in der Nachfolge Christi von dem in Anspruch nehmen lassen, was Jesus Christus selbst als Gottesherrschaft leibhaft sichtbar gemacht, ja „realisiert“ hat. Dadurch also, „dass die Gemeinde in ihrem Reden und Tun ihren Glauben in die Tat umsetzt, wird sichtbar, was das Motiv ihres Handelns ist, wird sichtbar, woraus sie lebt: Jesus Christus“ (Venetz 1981: 132). Ihre Charismen „sind es, wodurch der Christus ‚konkret‘ wird, erfahren wird, leibhaft wird, in die Welt hinaus will, so dass er in jedem Menschen und an jedem Ort anwesend wird“ (Venetz 1981: 139).

4. Zeugnisgemeinschaft

Wird der Leib Christi, der die Kirche ist, in diesem Sinne als Zeugnis-Wirklichkeit gesehen, so tritt in den Blick, wie die Kirche ihre Sendung verfehlt, wenn sie sich in einem „theologischen Narzissmus“ (vgl. Papst Franziskus, Stellungnahme beim Vor-Konklave) auf sich – auf ihre eigenen Angelegenheiten und Selbstbehauptungsinteressen – fixiert und so um sich selbst dreht. Kirche soll – so Papst Franziskus – eine „missionarische Communio“ (EG 23) sein. Sie soll hinausgehen, „um allen an allen Orten und bei allen Gelegenheiten ohne Zögern, ohne Widerstreben und ohne Angst das Evangelium zu verkünden“ (EG 23), um allen – gerade den gesellschaftlich und wirtschaftlich Ausgeschlossenen – ihre Solidarität zu zeigen und die Freude wie die Herausforderung der Botschaft von Gottes Barmherzigkeit zu bezeugen, damit „das Wort Gottes aufgenommen werde und seine befreiende und erneuernde Kraft offenbare“ (EG 24). Die Sendung der Kirche, die der Leib Christi ist, besteht also entscheidend darin, den Menschen mit dem guten Wort zu dienen, das der fleischgewordene Logos in die Welt hineingesprochen hat, und Diener ihrer Freude im Glauben zu sein, nicht Herrin über ihren Glauben (vgl. 2 Kor 1,24) sowie an ihrer Seite zu stehen, wenn ihnen die von Gott mitgegebene Würde streitig gemacht wird.

Mit dem Verständnis von Kirche als Gemeinschaft rückt – wie auch bei Paulus – die Gemeinde vor Ort als elementare Verwirklichung von Kirche ins Blickfeld. Die römisch-lehramtliche Ekklesiologie hat die Formel „Ecclesia in et ex Ecclesiis“ (LG 23), die sich hier freilich nur auf (Orts-)Kirchen i. S. v. Diözesen (Bistum) bezieht, so ausgelegt, dass sie den „ontologischen“ Vorrang der Universalkirche vor den Ortskirchen geltend machte. Die hierarchisch unter dem Bischof von Rom (Papst) geordnete Universalkirche sei gewissermaßen die Mutter aller Teilkirchen, welche die Ortskirchen „gleichsam als Töchter“ gebiert (Schreiben der Kongregation für die Glaubenslehre „Über einige Aspekte der Kirche als Communio“ 9). Diese unglückliche biomorphe Metapher rekurriert der Sache nach auf die Vorstellung der Universalkirche als „Totus Christus“ („Dominus Iesus“ 16), in den die Teilkirchen eingegliedert und nur deshalb Kirche seien. Die ekklesiologische Vorstellung einer Herkünftigkeit der Ortskirche von der Universalkirche lässt – wie die Diskussion seither erkennen lässt – nicht deutlich werden, weshalb die Universalkirche tatsächlich in und aus den Ortskirchen besteht. Sie begünstigt einen forcierten kirchlichen Zentralismus, wie er neuerdings auch von Papst Franziskus kritisiert wird, da er „das Leben der Kirche und ihre missionarische Dynamik [kompliziere], statt ihr zu helfen“ (EG 32).

Schon seit Pius XII. wird erwogen, inwiefern dem Subsidiaritätsprinzip (Subsidiarität) auch eine ekklesiologische Geltung zugesprochen und angenommen werden darf, dass der Einheitsdienst der zentralen kirchlichen Instanzen, insb. des Petrusamtes, für die Ortskirchen eine wesentlich subsidiäre Bedeutung hat. Dabei wird nicht in Zweifel gezogen, dass dem Petrusamt mit dem Kollegium der Bischöfe eine Stellung eigenen göttlichen Rechts in der k.n K. zukommt, das sich nicht aus der ekklesial-elementaren Bedeutung der Ortskirchen ableiten lässt. Sie haben den Auftrag des Herrn der Kirche, seine Kirche in geschwisterlicher Einheit und in der Wahrheit des christlichen Glaubens zu halten.

Als Zeugnisgemeinschaft wird die Kirche alltäglich in den Räumen konkreten Zusammenlebens vor Ort wahrgenommen. In manchen Weltregionen, v. a. in Europa, scheint sie auch deshalb in die Krise geraten zu sein, weil die Ortsgemeinden die Präsenz der Kirche in diesen Lebenszusammenhängen nicht mehr hinreichend lebendig erhalten können. Ein an der „Versorgung“ durch Kleriker (Klerus) orientiertes Denken hat vielfach dazu geführt, dass die Grenzen der Pfarreien enorm ausgeweitet und das personale Angebot an Seelsorgern und Seelsorgerinnen trotz der Mitarbeit haupt- oder nebenamtlicher Laien stark ausgedünnt wurde. Das ist mitunter als Rückzug der Kirche aus der Fläche und von den konkreten Herausforderungen der Glaubensverkündigung, der liturgischen Gestaltung sakramentaler Zusammenkünfte wie der Caritasarbeit wahrgenommen worden, damit aber als eine Schwächung der Kirche in ihren Grundfunktionen Liturgie, Verkündigung und Diakonie. Viele Initiativen wollen die Gemeinden als Erfahrungs-, Lern- und Feiergemeinschaften des Glaubens neu lebendig machen und die Gemeindemitglieder befähigen, ihre Charismen qualifiziert in den Aufbau der Gemeinden einzubringen – bis dahin, dass diese in gewissen Grenzen auch gemeindeleitende Verantwortung übernehmen. Damit stellt sich die Frage nach der spezifischen Aufgabe der Geweihten in den Gemeinden neu. Die Antwort wird man sich nicht von einem in Europa und anderen Weltregionen herrschenden, scheinbar ausweglosen Priestermangel vorgeben lassen dürfen. Vielmehr werden neue Formen des priesterlichen Dienstes (Priester) in den Blick zu nehmen sein. Die Verpflichtung der geweihten Priester zur Ehelosigkeit wird hier ebenso kritisch angefragt wie der Ausschluss der Frauen vom Sakrament der Priesterweihe, der freilich mit dem Apostolischen Schreiben Johannes Pauls II. „Ordinatio sacerdotalis“ vom 22.5.1994 erneut bekräftigt wurde. Wichtiges Kriterium für eine katholisch legitime Fortentwicklung im Verständnis und der ekklesialen Realität des priesterlichen Amtes wird die Herausforderung sein müssen, den Zugang der Gemeinden zu jener sakramentalen Feier offen zu halten, in der sie sich als Leib Christi konstituiert wissen: zur Feier der Eucharistie, deren Vorsitz den priesterlichen Amtsträgern zukommt. In dieser Feier wird den Kommunizierenden wirksam zugesprochen und als Mahnung auf ihren Weg mitgegeben: „Seid, was ihr seht, und empfangt, was ihr seid: Leib Christi“ (Aug. serm. 272).

5. Communio in Partizipation

Das Zweite Vatikanische Konzil hat die herkömmliche Leib-Christi-Ekklesiologie im weiteren Zusammenhang des Communio-Denkens der Alten Kirche neu gelesen und so die kommunikative Realität von Kirche herausgestellt. Kirche kommuniziert die in Jesus Christus, seiner Hingabe bis in den Tod, Wirklichkeit gewordene Selbsthingabe Gottes dafür, dass die Menschen in der Gemeinschaft mit ihm gerettet werden und zur Fülle des Lebens gelangen; Kirche kommuniziert – bezeugt – Gottes Handeln zum Heil der Menschen in Jesus Christus, das im Heiligen Geist ihr selbst geschieht. Sie versteht sich und nimmt sich wahr als Kommunikatorin in Kommunikationsgesellschaften und kommunikativen Prozessen, in denen viele Akteure für ihre Botschaften und Anliegen um Aufmerksamkeit konkurrieren. Und sie weiß sich gefordert, in diesem alles durchdringenden Kommunikations-Universum glaubwürdig präsent zu sein. Zu solcher kommunikativer Präsenz kann es aber nur kommen, weil Kirche sich der Selbst-Kommunikation Gottes in Jesus Christus durch den Heiligen Geist verdankt: weil sie empfangen und teilnehmen, in diesem Sinne kommunizieren darf, was ihr in Jesus Christus gegeben und mit-geteilt ist. Kirchliche Communio gründet in einer Koinonia, die aus dem und in dem leben, die das teilen darf, was ihr mitgeteilt wird; im neutestamentlichen Wort koinonia kommt das noch deutlicher zum Ausdruck als im lateinischen communio: Die Gemeinschaft der „Heiligen“ (koinonia t&omacr;n hagi&omacr;n/communio sanctorum) ist durch die gemeinsame Teilhabe an den „Sancta“ (den Sakramenten, am Wort Gottes) im Heiligen Geist geheiligt. Das Heiligende, an dem sie teilhaben darf, ist ihr gegeben, um es zu teilen und so die Communio aufzubauen. Es ist ihr gegeben durch die im Heiligen Geist ausgeteilte Selbsthingabe Jesu Christi, in der Gott sich mitteilt und an seinem göttlichen Leben, an der Communio/Koinonia Gottes selbst, Anteil gibt.

Dass Gottes Selbstgabe durch Jesus Christus im Heiligen Geist die Gemeinschaft der durch die Sancta Geheiligten und zum Teilen des ihnen Mitgeteilten – zu einer Gemeinschaft der Partizipation – Berufenen stiftet, ist v. a. in der Ostkirche ekklesiologisch realisiert worden. Und es hat dort auch eine institutionelle Ausprägung gefunden: in der synodal realisierten Gemeinschaft der Kirchen, die an den Sancta partizipieren und deshalb miteinander Gemeinschaft haben. Die Bischöfe stehen – da sie der Feier der Sakramente vorstehen – für die Vergegenwärtigung der Sancta; sie stehen – da sie synodal mit den anderen Bischöfen und ihren Gemeinden Gemeinschaft halten – dafür ein, dass die Gemeinden gemeinschaftlich aus den Sancta leben und den Namen der koinonia t&omacr;n hagi&omacr;n (communio sanctorum) zu Recht tragen.

Die k. K. hat nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil neue Erfahrungen mit synodalen Prozessen gemacht und mit Wegen experimentiert, auf denen auch den Laien eine substantielle Mitsprache ermöglicht werden kann, ohne die bes. kirchliche Verantwortlichkeit der Bischöfe und der römischen Kirchenleitung zu schmälern. Das Niederländische Pastoralkonzil (1966–70) und die Gemeinsame Synode der Bistümer in der BRD in Würzburg (1971–75) haben dafür – z. T. mit römischer Duldung – Vorgehensweisen entwickelt, die – was das Niederländische Pastoralkonzil anging – heftig umstritten blieben und immer noch keine adäquate ekklesiologische bzw. kirchenrechtliche Würdigung gefunden haben. Die Neigung der römischen Kirchenleitung ging in den Jahrzehnten danach eher dahin, alle Analogien zu demokratischen Verfahren zu vermeiden und die Mitwirkung von Laien im Sinne einer qualifizierten Beratung der Bischöfe, kaum aber der formellen Mitentscheidung im synodalen Prozess zu interpretieren (vgl. can. 460 CIC). Einer in der heutigen Situation der k.n K. nachvollziehbaren und ihrer Zukunftsfähigkeit dienenden Communio-Ekklesiologie entspr. das nur bedingt.

Eine nachhaltigere Institutionalisierung hat das synodale Prinzip in der regelmäßigen Durchführung von Bischofssynoden (Synode) für die gesamte k. K. in Rom gefunden (seit 1967; eingerichtet mit dem MP „Apostolica sollicitudo“ vom 15.9.1965). Mit ihr soll der von LG 22–23 formulierten ekklesiologisch-grundlegenden Einsicht Rechnung getragen werden, dass die Bischöfe nicht nur auf ökumenischen Konzilien „gemeinsam mit ihrem Haupt, dem Bischof von Rom, und niemals ohne dieses Haupt, gleichfalls Träger der höchsten und vollen Gewalt über die ganze Kirche“ (LG 22) sind. V. a. unter Papst Franziskus haben sich die Bischofssynoden als Forum einer offenen Diskussion über kirchlich kontroverse Fragen bewährt. Sie sind allerdings weiterhin darauf angewiesen, dass der Papst ihre Ergebnisse bündelt und ihnen in entsprechenden Initiativen kirchliche Geltung verschafft.

Die aus einer konsequenten Communio-Ekklesiologie resultierenden und weiter zu präzisierenden internen Verfassungsfragen, die mit der hierarchischen Prägung dieser Communio zu tun haben und Paul VI. veranlassten, in der LG beigegebenen Nota praevia von „communio hierarchica“ (LG Nota praevia 2) zu sprechen, sollten aber nicht den Blick auf den viel weiter ausgreifenden, theologisch wie ekklesiologisch universalen Gehalt von Communio verengen, wie er schon in LG 1 dargelegt wird: Kirche dient als „Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug“ der „innigsten[n] Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit“; sie ist „das im Mysterium schon gegenwärtige Reich Christi“ (LG 3): berufen und erwählt, an der Ausbreitung dieses Reiches – der Vergemeinschaftung der Menschen mit den gemeinschaftswilligen Gott – mitzuwirken. So erscheint sie als „das von der Einheit des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes her geeinte Volk“ (LG 4, nach Cyprian von Karthago), als das in die göttliche Communio einbezogene, die Menschen durch ihr Zeugnis in ihre Communio missionarisch einladende Volk Gottes.

6. Volk Gottes, stets der Reinigung und der Reform bedürftig

Die Kategorie des Volkes Gottes markiert einerseits diese universale Dimension der Sendung der Kirche und zugleich andererseits ihre Verwurzelung in der Ersterwählung Israels als Kahal JHWH, als des Eigentumsvolks Gottes, das der Welt zu bezeugen hat, was es bedeutet und wie es sich auswirkt, die Erwählung durch JHWH zu leben. Diese Erwählung soll Israel nicht streitig gemacht werden. Vielmehr ist und bleibt es eine elementare ekklesiologische Herausforderung, sich dieser Verwurzelung in Israels Erwählung bewusst zu bleiben und so ernsthaft zu realisieren, was es bedeutet, Gott „als ein Reich von Priestern und als ein heiliges Volk [zu] gehören“ (Ex 19,6). Das Zweite Vatikanische Konzil hat sich dieser Herausforderung zu stellen versucht und mit 1 Petr 2,9 und Offb 16; 5,9–10 an die Berufung aller in der Kirche zur Teilhabe an einem gemeinsamen Priestertum erinnert, das sich freilich „dem Wesen und nicht bloß dem Grade nach“ vom hierachischen „Priestertum des Dienstes“ unterscheide (LG 10). Darüber hinaus wird dem ganzen Gottesvolk die Teilnahme am prophetischen Amt Christi und an seinem im befreienden Dienst realisierten königlichen Amt zugesprochen (vgl. KKK Nr. 783–786). Man kann freilich anfragen, ob dieser die Glaubenden in ihrem Leben verpflichtenden Würde nicht auch die Zubilligung einer kirchlichen Verantwortung entsprechen müsste, mit der die Getauften (und Gefirmten) nicht nur auf ihren Weltdienst verwiesen, sondern als Akteure bei der Mitgestaltung der kirchlich-gemeindlichen Wirklichkeit anerkannt würden.

Die Volk-Gottes-Kategorie stellt Kirche „auf ihrem Pilgerweg“ durch die Geschichte dar, auf dem sie sich zugl. „als heilig und stets der Reinigung bedürftig“ erfährt, „immerfort den Weg der Buße und der Erneuerung“ zu gehen hat (LG 8) und zu einer „dauernden Reform gerufen“ ist, in der sie die „Treue gegenüber ihrer eigenen Berufung“ immer wieder neu entdecken und realisieren muss (EG 26 mit UR 6). Die Jahrtausendwende hat dazu Anlass gegeben, sich der schweren Vergehen zu erinnern, die im Namen der Kirche über die Jh. hinweg begangen wurden. Die Vergebungsbitte Johannes Pauls II. vom 12.3.2000 thematisiert sie mit großer Ehrlichkeit und wirft die Frage auf, inwiefern nicht nur Söhne und Töchter der Kirche sündigten, sondern die von Gott unverlierbar geheiligte Kirche durch das Tun und Zulassen ihrer Repräsentanten selbst Verantwortung dafür trägt, dass die Sünde die Glaubwürdigkeit des gemeinsamen Zeugnisses mitunter schwer beschädigt. Die in nicht wenigen Ländern seither aufgedeckten Fälle des sexuellen Missbrauchs und der erzieherischen Gewalt gegen Minderjährige in der Kirche und der oft zwiespältige Umgang mit diesen Verfehlungen lassen solche Anfragen nicht verstummen.

Will man die ekklesiologische Neuorientierung, wie sie vom Zweiten Vatikanischen Konzil angestoßen wurde und bis in die Gegenwart fortwirkt, theologisch umfassend würdigen, so kann mit Walter Kardinal Kasper gesagt werden: „Während in der Volk-Gottes-Ekklesiologie die theozentrische Dimension, in der Leib-Christi-Ekklesiologie die christozentrische Dimension der Kirche im Vordergrund steht, geht es in der Communio-Ekklesiologie um die pneumatozentrische und charismatische Dimension der Kirche“ (Kasper 2012: 261). Allen drei Typen von Ekklesiologie aber geht es entscheidend darum, wie Kirche in ihrem Zeugnis die ihr vom göttlichen Vater gewährte und zugemutete Erwählung zur Nachfolge Christi als von Gottes Geist gewirkte Herausforderung zu einem Leben in Fülle – in der Gottesherrschaft – glaubwürdig bezeugen kann. Diese Herausforderung wird sie nur als „Kirche ‚im Aufbruch‘“ (EG 24) ergreifen können und im Aufgebrochenwerden anzunehmen haben.

II. Kirchenrecht

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1. Die katholische Kirche als rechtlich verfasste Größe

In der Kirche verbindet sich das Göttliche (die mit himmlischen Gaben beschenkte Kirche als geistliche Gemeinschaft) mit dem Menschlichen (der mit hierarchischen Organen ausgestatteten sichtbaren Gesellschaft der irdischen Kirche) zu einer einzigen komplexen Wirklichkeit (LG 8/1), die in dieser Welt als Gesellschaft verfasst und geordnet ist (LG 8/2; can. 204 § 2 CIC, can. 7 § 2 CCEO). Dem entspr. es, dass der k.n K. und dem Apostolischen Stuhl die Eigenschaft, Rechtssubjekt zu sein, als von Anfang an eingestiftet gilt (can. 113 § 1 CIC). Die Kirche versteht sich daher als Gemeinschaft, deren innere Struktur dem Leitprinzip der Gerechtigkeit verpflichtet ist: jedem soll das zukommen, was ihm gebührt. Das verlangt nach einer Rechtsordnung, in der die Rechte und Pflichten der Einzelnen klar festgelegt, die Zuständigkeiten sachgerecht verteilt und die Verfahren möglichst zweckentsprechend, transparent und handhabbar geordnet sind.

Zu den wichtigsten Prinzipien der kirchlichen Rechtsordnung zählen:

a) das hierarchische Prinzip: d. h. jede Gewalt in der Kirche hat ihren Ursprung in Gott; die Verantwortung der Amtsträger richtet sich grundsätzlich nach „oben“, und besteht nicht primär gegenüber dem „Volk“; es besteht keine Gewaltenteilung zwischen Leitungsamt (Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung), Lehramt und Heiligungsamt im hierarchischen Haupt, welches gegenüber der ihm anvertrauten Gemeinschaft Christus repräsentiert. In der unaufgebbaren gegenseitigen Zuordnung von hierarchischem Haupt und kirchlicher Gemeinschaft auf allen Ebenen der Kirche, sowie des Priestertums des Dienstes (Priester) zum gemeinsamen Priestertum aus der Taufe erweist sich die Kirche als communio hierarchica;

b) das Prinzip der Gleichheit und Mitverantwortung als Grundlage der communio fidelium, d. h. der gemeinsamen personalen Teilhabe an den Gütern des Heils mit den sich daraus ergebenden Konsequenzen für das Leben in kirchlicher Gemeinschaft;

c) das Prinzip der Verschiedenheit, d. h. Respektierung der verschiedenen Berufungen und Charismen; innerkatholischer Pluralismus als Bereicherung, nicht als Gefahr für die Einheit: vgl. u. a. OE 2, LG 13/3;

d) das Prinzip der bischöflichen Kollegialität (vgl. CD 36–41), das sich in den synodalen/konziliaren Strukturen und in der Einheit aller Teilkirchen in der Gesamtkirche (communio ecclesiarum) ausdrückt;

d) das Prinzip der Legalität: Bindung der Ausübung kirchlicher Gewalt und der Anwendung des Kirchenrechts an Recht und Gesetz.

2. Die Person als fundamentales Rechtssubjekt

Zufolge der Ekklesiologie des Zweiten Vatikanischen Konzils ist nicht mehr die Hierarchie der Protagonist der Rechtsordnung der Kirche, sondern der einzelne Gläubige. Durch die Taufe wird der Mensch der Kirche eingegliedert und erhält aktiven Anteil am dreifachen Amt Christi. Wer alle drei Bande der Kircheneinheit (Glaube, Sakramente, kirchliche Leitung; can. 205 CIC, can. 8 CCEO) erfüllt, steht als Katholik in der plena communio. Unter allen Getauften besteht Gleichheit in der Würde als Christ und in der Berufung zur aktiven Mitwirkung an der Heilssendung der Kirche – eine Gleichheit, die fundamentaler ist als die auf ihr als Basis aufruhenden Verschiedenheiten je nach Berufung, kirchlichem Lebensstand und Amt. Kraft göttlicher Weisung gibt es unter den Getauften Geweihte (Kleriker, Klerus) im Unterschied zu den Laien (can. 207 § 1 CIC); unter beiden gibt es Gläubige mit der Berufung zum Leben nach den evangelischen Räten (Ordensstand; can. 207 § 2 CIC). Das Priestertum des Dienstes unterscheidet sich wesentlich vom gemeinsamen (LG 10), hat aber diesem zu dienen, nicht umgekehrt. Die mit der Taufe erworbene Kirchengliedschaft (rechtlich: persona in Ecclesia) ist unverlierbar. Auch im Falle der Exkommunikation geht sie nicht verloren, sondern diese hat eine Rechtsbeschränkung bei aufrecht bleibender Kirchengliedschaft zur Folge.

Die Zentralität der Person des Gläubigen findet im geltenden Recht bes. darin ihren Ausdruck, dass sowohl der CIC als auch der CCEO übereinstimmend einen Katalog von fundamentalen, weil aus der Taufe entspringenden Rechten und Pflichten enthält. Zu den Grundrechten zählen u. a. jenes auf Zuwendung der Heilsgüter, auf Gründung und Unterhaltung christlicher Initiativen und Werke, auf Achtung der Privat- und Intimsphäre, auf Rechtsschutz, auf freie Wahl des Lebensstandes oder die Vereinigungsfreiheit; zu den Grundpflichten u. a. jene zur Wahrung der Gemeinschaft mit der Kirche oder zur Unterstützung der Kirche. Diese Rechte und Pflichten bilden zusammen den rechtlichen Rahmen für die Verwirklichung der christlichen Existenz.

3. Die hierarchische Verfassung

Die Gesamtkirche besitzt als sichtbares Prinzip und Fundament ihrer Einheit ein oberstes, zentrales Leitungsorgan und ist nach zwei Aspekten gegliedert: a) in die Lateinische Kirche (Westkirche, römisch-k. K.) und die katholischen Ostkirchen (orientalische katholische Kirchen, deren es derzeit 23 gibt, darunter sechs Patriarchale und vier Großerzbischöfliche Kirchen); b) in Gesamtkirche und Teilkirchen (Diözesen [ Bistum ], derzeit rund 2 900, und diözesanähnliche Teilkirchen, wie Apostolische Administraturen, Apostolische Vikariate und Präfekturen für Missionsgebiete, Territorialprälaturen) so, dass zwischen beiden ein gegenseitiges Innesein besteht (LG 23): Die Gesamtkirche verkörpert sich in jeder Teilkirche und besteht zugleich aus allen Teilkirchen.

a) Träger der höchsten Gewalt über die Gesamtkirche und alle ihre Untergliederungen sind der Papst und das Bischofskollegium (dessen feierliche Handlungsform das ökumenische Konzil ist), dem der Papst definitionsgemäß als hierarchisches Haupt angehört. Der Papst besitzt jede denkbare kirchliche Befugnis in Lehre, Leitung und Heiligung (als volle und höchste), kann sie jederzeit frei ausüben und untersteht keiner wie immer gearteten rechtlichen Kontrolle bzw. Instanz (prima sedes a nemine iudicatur: can. 1404 CIC, can. 1058 CCEO). Dem Papst steht für die Leitung der Gesamtkirche die Römische Kurie, die stellvertretend für ihn handelt, zur Seite. Sie gliedert sich sich seit der Neuregelung durch die Apost. Konstitution „Praedicate evangelium“ vom 19. III. 2022 in das Staatssekretariat (päpstliches Sekretariat mit drei Sektionen: für die allg. Angelegenheiten, für die Beziehungen mit den Staaten und Int. Organisationen, für das diplomat. Personal des Hl. Stuhles), 16 Dikasterien (sie entsprechen den bisherigen Kongregationen und Päpstlichen Räten und verkörpern die obersten Verwaltungsbehörden der Kirche; ihre Zuständigkeit ist teilw. nach Sachmaterien umschrieben, wie z.B. im Falle des Dikasteriums für die Glaubenslehre oder jenes für den Gottesdienst und die Sakramentendisziplin, im Übrigen nach personellen Gesichtspunkten, wie z.B. im Falle des Dikasteriums für die Orientalischen Kirchen oder jenes für die Bischöfe), in die drei Gerichtshöfe (Poenitentiaria Apostolica, Supremum Tribunal Signaturae Apostolicae, Rota Romana), die Einrichtungen für wirtschaftliche Angelegenheiten, besondere Ämter ( „Uffici“,z.B. für die liturgischen Feiern des Papstes), die Advokaten des Heiligen Stuhls, und schließlich die mit dem Hl. Stuhl verbundenen Einrichtungen, die zwar nicht zur Römischen Kurie gehören, ihr aber auf vielfache Weise dienen und insofern mit ihr verbunden sind (dazu gehören z.B. das Vatikanische Archiv und die Vatikanische Bibliothek, die Päpstl. Kommission für Archäologie, mehrere Päpstl. Akademien). Gemäß der Neuregelung können prinzipiell auch Laien in leitende Funktionen der Römischen Kurie berufen werden. Von der Leitung der Gesamtkirche zu unterscheiden ist die Leitung des Vatikanstaats (Vatikanstadt).

Der Kardinalat (Kardinal) ist kein Amt, sondern die höchste kirchliche Würde. Die vornehmste Aufgabe des Kardinalskollegiums ist die Papstwahl. Die Bischofssynode (Synode), in welche insb. die einzelnen Bischofskonferenzen Vertreter entsenden, tagt in etwa regelmäßigen Zeitabständen als Beratungsorgan des Papstes. Hauptaufgabe der Päpstlichen Gesandten (Legaten und Apostolische Delegaten) ist die Verbindung zwischen dem Papst und den Teilkirchen eines Landes; sekundäre Aufgabe die diplomatische Vertretung des Heiligen Stuhles als Völkerrechtssubjekt bei der Regierung eines Staates.

b) Die Lateinische Kirche hat, anders als die orientalischen k.n K.n, kein eigenes hierarchisches Haupt außer dem Papst. Territoriale Untergliederungen sind: die Kirchenprovinz (Verband mehrerer Diözesen) mit einem Metropoliten als Vorsteher; die Diözese mit dem Diözesanbischof als Vorsteher: dieser ist nicht Beauftragter oder Stellvertreter des Papstes, sondern besitzt in seiner Diözese alle ordentliche, eigenberechtigte und unmittelbare Gewalt, die für sein Amt erforderlich ist, mit Ausnahme dessen, was der Papst sich oder einer anderen Autorität vorbehalten hat. Die Pfarrei als obligatorische Untergliederung der Teilkirche ist die unterste Verfassungseinheit der Kirche.

Die Bischofskonferenz (derzeit 115) ist demgegenüber eine Personalkörperschaft, i. d. R. bestehend aus den Bischöfen einer Nation. Sie besitzt Gesetzgebungskompetenz nur in den ihr durch höheres Recht ausdrücklich zugewiesenen Materien. Sie wurde als eigene hierarchische Stufe durch das Zweite Vatikanische Konzil (CD 38) eingeführt und hat an praktischer Bedeutung die Plenarkonzilien (auf Ebene eines Landes) und Provinzialkonzilien an den Rand gedrängt. Auf internationaler Ebene bestehen Zusammenschlüsse von Bischofskonferenzen, so z. B. für Europa der CCEE und, als spezielles Organ gegenüber Europarat und EU, die COMECE. Die Zuständigkeit zur Errichtung von Bischofskonferenz, Kirchenprovinzen und Diözesen (oder anderer Formen von Teilkirchen) liegt für die lateinische Kirche ausschließlich beim Apostolischen Stuhl.

Personale Einheiten (Personalpfarreien z. B. für die Angehörigen einer bestimmten orientalischen Ecclesia sui iuris, Personaldiözesen) können aus besonderen Gründen errichtet werden, bleiben aber die Ausnahme. Primär personal determinierte Sonderformen sind die Militärordinariate (derzeit 36 weltweit), Ordinariate für orientalische Gläubige, die Personaladministratur, die Ordinariate für die Gläubigen aus der anglikanischen Kirche.

c) An der Spitze einer orientalischen Ecclesia sui iuris steht ein Ersthierarch (z. B. Patriarch oder Großerzbischof) mit seiner Synode. Die Synode der Bischöfe in der Patriarchalen und Großerzbischöflichen Kirche besitzt generelle Gesetzgebungskompetenz sowie die oberste Gerichtsbarkeit (außer jener des Apostolischen Stuhles) für die eigene Kirche. Die lateinische Bischofskonferenz hat in den Ostkirchen keine Entsprechung; diese sind vielmehr durchgehend vom synodalen Prinzip beherrscht (Synode der Bischöfe, Ständige Synode, Metropolitansynode). Die Kirchen sui iuris sind in Eparchien (entspr. den lateinischen Diözesen) untergliedert; eine Sonderform ist die Exarchie (wegen besonderer Umstände nicht als Eparchie errichtet; innerhalb des Territoriums der Kirche oder in der Diaspora), die weitgehend der Eparchie gleichgestellt ist. Kirchenprovinzen sind nur in der Patriarchalen und Großerzbischöflichen Kirche vorgesehen. Für die Errichtung von Kirchenprovinzen und Eparchien oder Exarchien innerhalb des Territoriums der Ecclesia sui iuris ist der Patriarch zuständig, außerhalb der Apostolische Stuhl. Die Gliederung in Pfarreien unterscheidet sich nicht von jener in der lateinischen Kirche.

4. Nichthierarchische Strukturen

Dazu zählen die diversen Formen der Ordensverbände (Orden und Kongregationen), deren Mitglieder sich durch öffentliche Gelübde auf die Lebensform nach den evangelischen Räten (Armut, Keuschheit, Gehorsam) verpflichten; die ordensähnlichen Gemeinschaften: Säkularinstitute und Gesellschaften des apostolischen Lebens. Das Ordenswesen ist in den orientalischen Kirchen parallel ausgeprägt, mit beachtlichen Unterschieden in der Typologie der Verbands- und Lebensformen. Nichthierarchisch ist auch das kirchliche Vereinswesen, obwohl die Kategorie des öffentlichen kanonischen Vereins (consociatio publica) des lateinischen Kirchenrechts, im Unterschied zum privaten kanonischen Verein, eine gemessen an der Vereinsautonomie ungewöhnlich starke Anbindung an die kirchliche Autorität beinhaltet. Die Personalprälatur (nur im lateinischen Kirchenrecht präsent; die einzige bisher existierende ist jene des Opus Dei) nimmt eine Zwischenstellung zwischen hierarchischer Struktur und Zweckverband ein.

III. Statistik

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Mit 2,2 Mrd. ist die christliche, vor der muslimischen, die größte Glaubensgemeinschaft in der Welt. Trotz starken Wachstums liegt Prognosen zufolge der Anteil der Muslime 2050 knapp unter dem der Christen (vgl. Tab. 1).

1900 1970 2010 2050
in Mill.  % in Mill.  % in Mill.  % in Mill.  %
Christen 558 34,4 1.216 33,7 2.168 31,4 2.918 31,4
Katholiken* 271 16,8 668 18,5 1.196 17,5
Muslime 200 12,4 550 15,3 1.600 23,2 2.761 29,7
Hindus 203 12,5 465 12,8 1.032 15,0 1.384 14,9
Buddhisten 127 7,8 231 6,4 487 7,1 486 5,2

Tab. 1: Zahl der Gläubigen
* Die Zahlen für die katholische Kirche variieren leicht gegenüber denen im Annuarium Statisticum Ecclesiae.
Quellen: D. B. Barret, World Christian Encyclopedia, 1982; Pew Research Center, Global Religious Futures Project, 2017

Die k. K. ist mit 1,2 Mrd. die größte christliche Glaubensgemeinschaft (vgl. Abb. 1). Der ÖRK hat 348 Mitgliedskirchen und umfasst 500 Mio. Christen.

Abb. 1: Weltchristenheit 2017

Abb. 1: Weltchristenheit 2017
Quelle: T. M. Johnson/G. A. Zurlo (Hg.): World Christian Database

Weltweit steigt die Zahl der Katholiken (1900: 271 Mio.; 1970: 668 Mio.; 2010: 1 196 Mio.) bei gleichzeitiger Stagnation des Anteils an der Gesamtbevölkerung (1900: 16,8 %; 1970: 18,5 %; 2010: 17,5 %). Der Anteil an der Gesamtbevölkerung ist in den einzelnen Erdteilen unterschiedlich. In Mittel- und Südamerika beträgt er über 80 %, in Europa 40 %, in Australien und Ozeanien 26 %, in Nordamerika 25 %, in Afrika 19 %, in Asien 3 % (vgl. Tab. 2). Starke Zuwächse finden sich in Afrika, in Mittel- und Südamerika sowie in Australien und Ozeanien.

Erdteil Bevölkerung in 1.000 Katholiken in 1.000 Anteil an der Bevölkerung in %
Afrika 1.144.200 222.170 19,4
Amerika 982.228 625.268 63,7
davon
   Nordamerika 357.388 88.166 24,7
   Mittelamerika
   und Antillen
209.996 177.603 84,6
   Südamerika 414.844 359.499 86,7
Asien 4.367.040 141.412 3,2
Europa 716.711 285.752 39,9
Australien und Ozeanien 38.762 10.208 26,3
Erde 7.248.941 1.284.810 17,7

Tab. 2: Die Katholiken in der Welt 2015
Quelle: ANNUARIUM STATISTICUM ECCLESIAE, Vatican 2015

Die k. K. wächst durch die Zahl der Taufen und Konversionen. 2015 werden insgesamt 15 763 947 Menschen getauft, davon sind 82,8 % Kinder unter sieben Jahren. Obwohl in Europa rund 286 Mio. Katholiken leben, gab es nur 2 Mio. Taufen, während in Afrika 4 Mio. Taufen bei 222 Mio. Katholiken und in Asien 2,5 Mio. Taufen bei 141 Mio. Katholiken verzeichnet sind. Die Gewichte haben sich mehr und mehr in die südliche Hemisphäre verlagert. Mitverantwortlich für diese Entwicklung ist die Tatsache, dass in Asien und Afrika auf 1 000 Katholiken 14,8 bzw. 12,3 getaufte Kinder unter sieben Jahren kommen (vgl. Tab. 3), während das Verhältnis in Europa mit 6,6 unter dem Weltmaßstab (10,2) liegt.

Taufen insgesamt Kinder bis 7 Jahre Erwachsene (> 7 J.) Kinder bis 7 Jahre auf 1.000 Katholiken
Anzahl  % Anzahl  %
Afrika 4.043.370 2.724.210 67,4 1.319.160 32,6 12,3
   darunter
   Elfenbeinküste 58.915 13.731 23,3 45.184 76,7 2,0
   Kamerun 137.122 83.506 60,9 53.616 39,1 13,1
   Kenia 327.292 180.097 55,0 147.195 45,0 12,6
   D.R. Kongo 546.956 342.719 62,7 204.237 37,3 7,9
   Zentralafrika 38.901 20.891 53,7 18.010 46,3 11,7
Amerika 7.076.113 6.207.395 87,7 868.718 12,3 9,9
   darunter
   Brasilien 1.392.959 1.184.123 85,0 208.836 15,0 6,9
   Kanada 93.176 86.251 92,6 6.925 7,4 5,4
   Mexiko 1.736.227 1.604.754 92,4 131.473 7,6 14,5
   USA 778.482 708.030 91,0 70.452 9,0 9,8
   Venezuela 385.357 356.081 92,4 29.276 7,6 13,2
Asien 2.510.971 2.087.506 83,1 423.465 16,9 14,8
   darunter
   Indien 306.080 252.115 82,4 53.965 17,6 11,8
   Japan 5.574 2.688 48,2 2.886 51,8 4,9
   Ost-Timor 21.712 19.086 87,9 2.626 12,1 16,6
   Südkorea 115.861 22.835 19,7 93.026 80,3 4,1
Europa 2.013.345 1.923.790 95,6 89.555 4,4 6,7
   darunter
   Deutschland 167.266 158.070 94,5 9.196 5,5 6,6
   Finnland 261 237 90,8 24 9,2 17,0
   Spanien 230.497 219.392 95,2 11.105 4,8 5,1
Australien und Ozeanien 120.148 105.220 87,6 14.928 12,4 10,3

Tab. 3: Taufe von Kindern und Erwachsenen in Afrika und Asien 2015
Quelle: ANNUARIUM STATISTICUM ECCLESIAE, Vatican 2015.

2015 sind insgesamt 4 688 780 Männer und Frauen im Dienst der Verkündigung. Davon 5 304 Bischöfe, 415 656 Priester, 45 255 Ständige Diakone, 54 229 Ordensbrüder, 670 330 Ordensschwestern, 23 556 Mitglieder von Säkularinstituten, 351 797 Laienmissionare, 3 122 653 Katecheten (vgl. Tab. 4, nächste Seite oben). Weltweit hat sich die Zahl seit 2010 um 1,4 % verringert, Zuwächse gibt es in Asien (19 %) und in Afrika (4 %). Auf einen Priester in Afrika kommen 2015 rechnerisch 5 044 Katholiken, während es in Europa 1 595, in Nordamerika 1 873, in Asien 2 185, in Südamerika 7 118 und weltweit 3 091 sind.

Erdteil Priester Ständiger Diakon Ordensbruder Ordensschwester Mitglied von Säkularinstitut Laienmissionar Kathechet
2010 2015 2010 2015 2010 2015 2010 2015 2010 2015 2010 2015 2010 2015
Afrika 37.527 44.048 401 450 8.564 8.781 66.375 71.567 866 1.104 6.372 7.914 397.383 405.204
Amerika
Nordamerika 50.473 47.067 17.653 19.403 6.447 5.833 72.985 59.902 800 695 1.464 2.921 444.456 370.217
Mittelamerika (Festland) 20.384 21.695 952 1.119 2.270 2.090 35.901 33.874 653 648 44.127 67.615 456.296 429.309
Mittelamerika (Antillen) 3.476 3.767 1.156 1.351 863 991 7.473 7.357 234 232 2.980 2.906 79.722 90.788
Südamerika 48.274 50.507 5.680 7.690 6.951 6.407 78.839 70.820 4.339 4.125 252.147 227.942 905.594 885.840
Asien
Mittlerer Osten 2.685 2.661 66 99 462 306 4.744 4.510 5 5 2.802 2.799 2.701 2.440
Südostasien u.Ferner Osten 54.451 62.053 158 216 9.999 12.387 160.564 166.786 1.917 1.938 18.924 27.999 302.073 384.071
Europa 190.150 179.140 13.151 14.532 17.669 16.004 286.042 247.743 17.937 14.768 6.334 11.513 556.528 540.040
Ozeanien 4.816 4.718 347 395 1.440 1.430 9.012 7.771 49 41 352 188 15.875 14.744
Erde 412.236 415.656 39.564 45.255 54.665 54.229 721.935 670.330 26.800 23.556 335.502 351.797 3.160.628 3.122.653

Tab. 4: Im Dienst der Verkündigung Tätige 2010 und 2015
Quelle: ANNUARIUM STATISTICUM ECCLESIAE, Vatican 2015.