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Aktuelle Version vom 16. Dezember 2022, 06:10 Uhr
I. Wirtschaftswissenschaftliches Verständnis
Abschnitt drucken1. Vielfältige Begriffsverwendung
L. ist ein in vielen Bereichen sehr unterschiedlich besetzter Begriff, der je nach Kontext auch ganz verschiedliche Grade von Präzision bzw. Unbestimmtheit aufweist. Die Bandbreite reicht von der exakt definierten physikalischen Einheit (L. als Arbeit je Zeiteinheit) bis hin zur bewusst offenen und mehrdimensionalen Bedeutung etwa im Zusammenhang mit der Charakterisierung einer Lebens-L.
Aber auch im Bereich der Wirtschaft wird der Begriff L. in sehr heterogener Weise verwendet. Je nach Kontext bezieht sich L. auf ein Ergebnis wirtschaftlicher Aktivität (nationale Wirtschafts-L., L. im Sinne der betrieblichen Kosten- und L.s-Rechnung) oder auf ein Mittel zur Erstellung dieses Ergebnisses (Arbeits-L. oder auch eingesetzte Vorleistung im betrieblichen Produktionsprozess). Und schließlich kann sich wirtschaftliche L. auf ein Individuum, auf eine Unternehmung oder öffentliche Einrichtung und auf die makroökonomische Ebene beziehen.
Damit ist das Spektrum der Begriffsverwendung im wirtschaftlichen Bereich jedoch keinswegs vollständig erfasst. So werden bspw. in einem eher juristischen Sinn auch Zahlungen von den Trägern der sozialen Sicherungssysteme als (Sozial-)L.en bezeichnet (Sozialstaat, Sozialpolitik), analog zu den L.en auch privater Versicherungsträger im Schadensfall. Weiterhin wird in der Steuerlehre (Steuer) das L.s-Fähigkeitsprinzip als normative Basis für die Beurteilung der Angemessenheit einer Steuer herangezogen und in der Außenhandelsstatistik erfasst die L.s-Bilanz den wertmäßigen Strom grenzüberschreitender Güter und Dienst-L. über einen bestimmten Zeitraum.
2. Individuelle Leistung und staatliche Umverteilung
Die individuelle vom Markt bewertete L. ist die wesentliche Bestimungsgröße von Einkommen. In dem theoretisch einfachsten Fall ohne Marktmacht bezahlen gewinnmaximierende Unternehmen eine (nominale) Entlohnung nach Maßgabe des mit dem Preis des Gutes bzw. der Dienst-L. bewerteten physischen Grenzprodukts des jeweiligen Produktionsfaktors (Produktion). Neben der Marktbewertung ist also die Produktivität – und damit L. – entscheidend für die Einkommenshöhe. Diese beiden Elemente bleiben auch unter allg.eren bzw. realistischeren Bedingungen, bspw. unter Berücksichtigung von Marktmacht (Wettbewerb, Monopol) oder Informationsunvollkommenheit entscheidend. Damit ist die Rolle der L. für das Einkommen und damit die Verteilung benannt. Das L.s-Prinzip beschreibt auf der normativen Ebene die Zustimmung zu dieser Verteilungsnorm. Die individuelle L. bzw. Produktivität hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab, im Fall der Arbeitsproduktivität insb. von (Aus-)Bildung und weiteren individuellen Merkmalen, aber auch vom Stand des organisatorischen und technischen Wissens sowie der Verfügbarkeit weitere Produktionsfaktoren, insb. von Kapital.
Die Heterogenität individueller L.s-Fähigkeit bzw. L. bedingt bereits eine entsprechende Ungleichheit der Einkommen. Aber auch die bereits genannte Komponente der Marktbewertung individueller L. als Bestimmungsgröße von Einkommen ist mit Blick auf die resultierende Verteilung relevant. Ein Grund dafür ist das Phänomen der winner-take-all-Märkte, in denen die L. der besten Anbieter massiv höher bewertet wird als diejenige weiterer und ggf. nur marginal schlechterer Konkurrenten. Der kommerzielle Sport und die Musikindustrie sind Beispiele für solche Märkte. Die individuelle L. hängt aber auch davon ab, ob diese in einem produktiven Umfeld erbracht werden kann. Dieses wiederum ist nicht zuletzt eine Frage funktionierender ökonomischer und politischer Institutionen in einem sehr weiten Sinn. Dazu gehören alle Arten staatlicher Infrastruktur-L.en bis hin zur Sicherstellung eines funktionierenden Rechtsstaates.
Staaten und auch andere politische und gesellschaftliche Organisationsebenen greifen immer – wenngleich in über Zeit und Raum unterschiedlichem Umfang – umverteilend ein. Unmittelbar klar ist dies im Fall von Transferzahlungen und deren Finanzierung im Rahmen der sozialen Sicherungssysteme. Umverteilend wirken aber auch Regulierungen und Eingriffe, die keine direkten Zahlungen zwischen Staat und Individuen auslösen. Dazu gehören bspw. die Festlegung von Mindestlöhnen oder auch die Definition von Zugangsvoraussetzungen in bestimmte Berufe.
Gesellschaftliche Umverteilungsbemühungen sind immer Ausdruck der Nicht-Akzeptanz des bereits genannten L.s-Prinzips und der damit verbundenen Forderung der Korrektur von Marktergebnissen, insb. nach Gesichtspunkten der nur normativ operationalisierbaren Bedarfsgerechtigkeit. Quantitativ sind diese Maßnahmen überaus bedeutsam. So umfassen in Deutschland die staatlichen Ausgaben mit unmittelbarer Umverteilungsabsicht (öffentliche Sozialausgaben) 25,3 % des BIP, die entsprechenden Zahlen für Österreich und die Schweiz sind 27, 8 % bzw. 19,7 % (jeweils für das Jahr 2016). Die beiden mit Abstand größten Bereiche sind in allen Ländern die staatlichen Renten- und Krankversicherungssysteme (Krankenversicherung, Rentenversicherung).
L. und deren Entlohnung hat neben der beschriebenen distributiven Funktion auch einen allokativen Aspekt. Produktionsfaktoren werden dahin gelenkt, wo sie die höchste Entlohnung erhalten und damit tendenziell auch den höchsten Beitrag zur Wertschöpfung erbringen. Ein Aspekt dessen ist die Zahlung von L.s-Löhnen, wobei diese sowohl an der individuellen L. des Arbeitnehmers als auch am Gesamterfolg einer Unternehmung ansetzen können.
3. Leistung auf Unternehmensebene
L. auf der Unternehmensebene i. S. d. betrieblichen Kosten- und L.s-Rechnung sind der betriebsbedingte, d. h. unmittelbar mit dem Unternehmenszweck zusammenhängende Teil der Erträge. Dies kann sowohl eine Sach-L. als auch eine Dienst-L. sein. Ferner kann man L. unterscheiden in solche, die unmittelbar zu Verkaufserlösen führen (Absatz-L.) bzw. dem Lagerbestand (als fertige oder unfertige L.) zugeführt oder als selbst erstellte Produktionsmittel verwendet werden (aktivierte Eigen-L.). Für die Rechnungslegung der Unternehmen bzw. deren Kosten- und L.s-Rechnung sind die L. monetär zu bewerten.
4. Leistung auf gesamtwirtschaftlicher Ebene
Auch wenn die Verwendung des Begriffes L. auf der individuellen bzw. betrieblichen Ebene zunächst intuitiver erscheint, wird L. auch auf der gesamtwirtschaftlichen Ebene gemessen und wahrgenommen. Ungeachtet einiger konzeptioneller Probleme ist das wichtigste Maß für internationale und intertemporale Vergleiche wirtschaftlichen Wohlstands das reale BIP pro Kopf, wobei für die internationale Vergleichbarkeit eine Kaufkraftbereinigung notwendig ist. Abb. 1 zeigt die Entwicklung dieses Maßes in US-Dollar pro Jahr zu Preisen von 2011 für den Zeitraum von 1990 bis 2016.
Abb. 1: Wirtschaftsleistung: BIP pro Kopf in kaufkraftbereinigten US-Dollar zu Preisen von 2011 (weltweiter Durchschnitt), 1990–2016
In diesen 26 Jahren stieg die Wertschöpfung pro Kopf – und damit der materielle Wohlstand – im weltweiten Durchschnitt um insgesamt etwa 70 % bzw. gut 2 % pro Jahr. Auch wenn im Zuge dieses Wachstumsprozesses das Problem absoluter Armut in vielen Ländern deutlich geringer wurde, darf dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Unterschiede weltweit enorm sind. Einige länderspezifische Werte für das Jahr 2017 sind in Abb. 2 zu sehen.
Die Grafik zeigt die enormen internationalen Wohlstandsunterschiede und damit Unterschiede der jeweiligen Wirtschafts-L. Zwischen dem in der Länderauswahl in Abb. 2 reichsten und ärmsten Land (Norwegen bzw. Afghanistan) ist das Wohlstandsgefälle mit einem Faktor 36 zu beziffern. Anders gesagt muss ein Afghane im Durchschnitt ein Jahr von dem leben, was ein durchschnittlicher Norweger in 10 Tagen verdient. Es liegt auf der Hand, dass für diese Größenordnungen nicht nur exogene Faktoren wie das Vorhandensein von Rohstoffvorkommen verantwortlich sind, sondern auch unterschiedlich effiziente Institutionen auf der gesamtgesellschaftlichen Ebene (Neue Politische Ökonomie, Ordnungsökonomik).
Abb. 2: Wirtschaftsleistung für ausgewählte Länder im Jahr 2017
(BIP pro Kopf in kaufkraftbereinigten US-Dollar zu Preisen von 2011)
Literatur
J. Langenbeck/B. Burgfeld-Schächer: Kosten- und Leistungsrechnung, 32017 • OECD: Government at a Glance 2017, 2017 • R. H. Frank: The winner-take-all society, 1995 • M. Weitzman/D. Kruse: Profit sharing and productivity, in: A. S. Blinder (Hg.): Paying for Productivity, 1990, 95–140.
Empfohlene Zitierweise
J. Jerger: Leistung, I. Wirtschaftswissenschaftliches Verständnis, Version 08.06.2022, 09:10 Uhr, in: Staatslexikon8 online, URL: https://www.staatslexikon-online.de/Lexikon/Leistung (abgerufen: 24.11.2024)
II. Zum pädagogisch-psychologischen Begriff
Abschnitt druckenL. ist ein zentrales pädagogisch-psychologisches Prinzip und beschreibt allgemein den zielgerichteten Vollzug und die Resultate einer menschlichen Tätigkeit. Hierbei umfasst die Ausführung gezielte Handlungen bzw. Handlungssequenzen, wobei diese zu bestimmten und zugleich manifesten oder latenten Ergebnissen führen. Die zielgerichtete Tätigkeit dient der Bewältigung von Anforderungen, ist mit Anstrengungen verbunden und für die Ergebnisse liegt ein Gütemaßstab zur Bewertung vor. Dazu erfordert L. den zielgerichteten Einsatz verfügbarer Fähigkeiten (Potenziale) eines Menschen und ist i. S. v. Performanz abzugrenzen von Kompetenz (als Performanzpotenzial) und gleichermaßen vom Lernen (als Verhaltensänderung). Speziell unter Schul-L. lassen sich „die von der Schule initiierten Lernprozesse und Lernergebnisse“ (Ingenkamp/Lissmann 2008: 131) der Schüler verstehen. „Diese Lernleistungen können im Hinblick auf verschiedene Verhaltensdimensionen beschrieben und unter Bezug auf verschiedene Normen eingeordnet werden“ (Ingenkamp/Lissmann 2008: 131). Dabei sind Lernaktivitäten und -ergebnisse auf schulische Lern- und Bildungsziele ausgerichtet und werden durch Unterrichtsmaßnahmen gezielt angeregt bzw. planvoll gesteuert.
1. Leistungsmessung und Leistungsbeurteilung
Um L. bzw. Schul-L. feststellen zu können, bedarf es der L.s-Messung bzw. L.s-Beurteilung, die synonym die Erfolgskontrolle curricular geplanter Lernvorgänge bezeichnen und wesentliche Bestandteile der pädagogischen Diagnostik darstellen. Letztere „umfasst alle diagnostischen Tätigkeiten, durch die bei einzelnen Lernenden und den in einer Gruppe Lernenden Voraussetzungen und Bedingungen planmäßiger Lehr- und Lernprozesse ermittelt, Lernprozesse analysiert und Lernergebnisse festgestellt werden, um individuelles Lernen zu optimieren. Zur pädagogischen Diagnostik gehören ferner die diagnostischen Tätigkeiten, die die Zuweisung zu Lerngruppen oder individuellen Förderungsprogrammen ermöglichen sowie die mehr gesellschaftlich verankerten Aufgaben der Steuerung des Bildungsnachwuchses oder der Erteilung von Qualifikationen zum Ziel haben“ (Ingenkamp/Lissmann 2008: 13). Bei einer weiteren Begriffsdifferenzierung zeigt sich L.s-Messung als methodisch anspruchsvolleres, meist objektiveres Vorgehen, während L.s-Beurteilung sich als nachgeordneter interpretativer Vorgang erweist, so dass beide Termini entspr. unterschieden werden sollten. Bei der L.s-Messung werden daher standardisierte Verfahren favorisiert, welche die Gütekriterien, d. h. Objektivität (Unabhängigkeit von der messenden Person und den Umständen bei der Durchführung, Auswertung und Interpretation), Reliabilität (Grad der Zuverlässigkeit der Messung) sowie Validität (d. h. Grad der Gültigkeit der Messung) berücksichtigen. V. a. im schulischen Kontext ist auch die Fairness (d. h. Grad der Gerechtigkeit der Messung für diverse Personengruppen) bedeutsam. Diese Gütekriterien erweisen sich auch im Rahmen internationaler L.s-Vergleichstudien (z. B. PISA, TIMSS) als relevant, bei denen regelmäßige Schul-L.s-Messungen mittels objektiver L.s-Tests mit einer relativ hohen transkulturellen curricularen Validität zur Erfassung kumulativ erworbener Basiskompetenzen (Leseverständnis, mathematische und naturwissenschaftliche Grundbildung) eingesetzt werden. Bei der L.s-Beurteilung werden mit Blick auf die wertende Interpretation dann die Bezugsnormen deutlich, wobei zwischen der sachlichen (d. h. Ausmaß des Erreichens kriterialer Vorgaben), sozialen (d. h. relative Position einer Person zur Bezugsgruppe), individuellen (d. h. Ausmaß, in dem eine Person ihre vorhandenen Möglichkeiten ausschöpft) und fähigkeitsorientierten Bezugsnorm (z. B. Ausmaß der relativen Fähigkeit einer Person, vorgegebene Kompetenzstufen zu erreichen) differenziert werden kann. Hier sind auch Funktionen und Formen der schulischen L.s-Bewertung relevant, wobei sich verschiedene Funktionen (z. B. Diagnose und Rückmeldung als Orientierung im Lernprozess, Anreiz und Motivierung für Lernende, Steuerung pädagogischer Interventionen, Begründung für Selektions- und Allokationsentscheidungen) unterscheiden lassen, wofür dann unterschiedliche Formen (z. B. Benotung mündlicher und schriftlicher Prüfungen, Schuleingangstests, Schul-L.s-Tests, Schul-L.s-Vergleiche) geeignet sind. Mit Blick auf die Kritik an der traditionellen L.s-Bewertung – verbunden mit Reformen von der objektivierten L.s-Messung hin zur förderorientierten Lerndiagnose – gewinnen alternative Bewertungsmöglichkeiten (z. B. Portfolios, Lerntagebücher, Feedback, Kompetenzraster, Entwicklungsberichte) im Sinne einer vielfältigen L.s-Kultur und modernen L.s-Bewertung an Relevanz.
2. Leistungsentwicklung und Leistungsförderung
Die gezielte Entwicklung und systematische Förderung von L. bzw. Schul-L. erfordert zunächst die Kenntnis von L.s-Domänen und L.s-Bedingungen, wobei die pädagogische Diagnostik und individuelle Förderung des L.s-Potenzials eng aneinander gekoppelt sind. Hier gilt es zunächst verschiedene L.s-Domänen im eher kognitiven (z. B. Sprachen, Mathematik, Naturwissenschaften, Gesellschaftswissenschaften) und eher nicht-kognitiven (z. B. Sport, Kunst, Musik, Handwerk, Technik, Empathie- und Sozialverhalten) Bereich zu differenzieren. In diesem Kontext zeigen sich unterschiedliche L.s-Profile mit L.s-Stärken und -Schwierigkeiten vor dem Hintergrund einer erhöhten bzw. eingeschränkten L.s-Fähigkeit einer Person in Form von L.s-Exzellenz bis hin zu L.s-Versagen. Dafür sind vielfältige förderliche bzw. hinderliche L.s-Bedingungen innerhalb der Person bzw. außerhalb in der Lernumwelt relevant, wobei deutliche Wechselwirkungen zwischen internalen bzw. externalen Faktoren sichtbar werden. Das Zusammenwirken persönlicher, sozialer und sachlicher L.s-Bedingungen ist für die L.s-Entwicklung und L.s-Förderung bedeutsam, wobei sich bei den Personfaktoren kognitive und nicht-kognitive Fähigkeitspotenziale (z. B. Intelligenz, Kreativität) sowie co-kognitive Persönlichkeitspotenziale als bedeutsam erweisen. Zu letzteren gehört v. a. die L.s-Motivation, womit „das Bestreben, die eigene Tüchtigkeit in all jenen Tätigkeiten zu steigern und möglichst hochzuhalten, in denen man einen Gütemaßstab für verbindlich hält und deren Ausführung deshalb gelingen oder misslingen kann“ (zit. n.: Beckmann/Heckhausen 2018: 145), gemeint ist. Dabei zeigt sich das L.s-Motiv neben dem Anschluss- und Machtmotiv als menschliches Grundmotiv und ist geprägt durch zwei Grundtendenzen: Hoffnung auf Erfolg und Furcht vor Misserfolg, die sich aktivierend oder hemmend auf die L.s-Entwicklung auswirken können. Hemmend kann sich auch die internale L.s-Angst und L.s-Verweigerung sowie der externale L.s-Druck auf die L.s-Entfaltung auswirken, wobei deutliche Interaktionen von Person- und Umweltfaktoren sichtbar werden. Aktivierend kann dagegen im Hinblick auf die L.s-Förderung insb. die Passung von L.s-Voraussetzungen der Person mit den L.s-Anforderungen der Umwelt (Familie, Schule) sein, wobei adäquate interne und externe Ressourcen (z. B. Lernkapital, Bildungskapital) bedeutsam sind. In diesem Kontext fokussiert die prospektive Begabungsforschung und retrospektive Expertiseforschung mit Blick auf die Voraussetzungen von Hoch-L. bzw. Ursachen von Minder-L. wichtige Begabungsfaktoren in Form von Fähigkeits- und Persönlichkeitspotenzialen (z. B. Intelligenz, Motivation) sowie Umweltfaktoren (z. B. Instruktion, Mentoring) und stellt die zentrale Rolle von systematischen kontinuierlichen Lernprozessen (z. B. Übung, Training) zur Transformation von Begabungspotenzial in L.s-Performanz heraus.
Literatur
<?thyn=4>J. Beckmann/H. Heckhausen: Motivation durch Erwartung und Anreiz, in: J. Heckhausen/H. Heckhausen (Hg): Motivation und Handeln, 2018, 119–162 • C. Fischer/C. Fischer-Ontrup: Besondere Begabungen. Diagnostik, Förderung und Beratung, in: K. Seifried/S. Drewes/M. Hasselhorn (Hg.): Hdb. Schulpsychologie. Psychologie für die Schule, 2016, 171–184 • F. Winter: Leistungsbewertung. Eine neue Lernkultur braucht einen anderen Umgang mit den Schülerleistungen, 2014 • F. Preckel/E. Stumpf/W. Schneider: Hochbegabung, Expertise und außergewöhnliche Leistung, in: W. Schneider/U. Lindenberger (Hg.): Entwicklungspsychologie, 2012, 633–676 • H.-E. Tenorth/R. Tippelt (Hg.): Beltz Lexikon Pädagogik, 2012 • J. Baumert: Internationale Schulleistungsmessungen, in: ebd., 358–361 • E. Klieme/M. Diedrich: Schulleistung und Leistungsmessung, in: ebd., 634–637 • K. Ingenkamp/U. Lissmann: Lehrbuch der pädagogischen Diagnostik, 2008 • R. S. Jäger: Leistungsbeurteilung, in: W. Schneider/M. Hasselhorn (Hg.): Hdb. der Pädagogischen Psychologie, 2008, 324–336.
Empfohlene Zitierweise
C. Fischer: Leistung, II. Zum pädagogisch-psychologischen Begriff, Version 08.06.2022, 09:10 Uhr, in: Staatslexikon8 online, URL: https://www.staatslexikon-online.de/Lexikon/Leistung (abgerufen: 24.11.2024)
III. Rechtswissenschaftliche Aspekte
Abschnitt druckenL. (englisch: performance, service; französisch: prestation, rendement, service; italienisch: prestazione, rendimento, servizio) ist im geltenden Recht und in der Rechtswissenschaft ein Begriff, dessen Bedeutung (über das bekannte Theorem der Relativität der Rechtsbegriffe hinaus) in besonderem Maße vom Kontext abhängt, d. h. nicht nur zwischen Zivilrecht, öffentlichem Recht, Strafrecht und Prozessrecht, sondern auch innerhalb dieser Teilrechtsgebiete zu unterscheiden ist.
1. Im Zivilrecht
Im Allgemeinen Teil des Bürgerlichen Rechts und im Schuldrecht bezeichnen L. und Gegen-L. die Gegenstände von Transaktionen (§ 241 Abs. 1 BGB). Unterscheiden lassen sich Haupt- und Neben-L.en sowie primäre und sekundäre, d. h. hilfsweise eintretende, L.en (wie Schadensersatz). Den so verstandenen L.s-Pflichten lassen sich Schutzpflichten gegenüberstellen (vgl. § 241 Abs. 2 BGB: „Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils“). Den Begriff der Dienst-L. nutzt der Gesetzgeber im Dienstvertragsrecht (§§ 611–630 BGB) und Familienrecht (§ 1619 BGB), ohne damit einen modernen, wirtschaftswissenschaftlichen Begriff i. S. d. Dienstleistungsgesellschaft (service society) zu übernehmen, der im BGB nur am Rande, v. a. im Verbraucherschutzrecht, anklingt (insb. §§ 312 ff.). Im Recht der ungerechtfertigten Bereicherung (§§ 812–822 BGB) nimmt der L.s-Begriff eine wichtige Rolle ein, insofern er das wichtigste Institut, die L.s-Kondiktion, kennzeichnet (§ 812 Abs. 1 S. 1 BGB). Seine Funktion wird überwiegend dahingehend verstanden, in Mehrpersonenverhältnissen bei der Bestimmung von Schuldner und Gläubiger zu helfen.
2. Im Öffentlichen Recht
Im Verfassungs- wie im Verwaltungsrecht kann L. Dienste oder Zuwendungen Privater an den Staat und umgekehrt des Staates an Private bezeichnen.
2.1 Verfassungsrecht
In der Grundrechtsdogmatik werden Abwehr- und L.s-Funktion der Grundrechte einander gegenübergestellt; dabei lassen sich unter L. erstens Schutz für das jeweilige Grundrechtsgut (i. S. d. Schutzpflichten), zweitens Bereitstellung faktischer, insb. materieller Voraussetzungen und drittens Zurverfügungstellung von Verfahren und Organisation fassen. Unterschiedlich wird das Verhältnis von L. zu Teilhabe gesehen; am sinnvollsten erscheint die Nebeneinanderstellung von Abwehr, Teilhabe und L. Geht es hierbei um L.en des Staates, kennt das Verfassungsrecht L.en auch in umgekehrter Perspektive als Tätigkeit Privater („Dienst-L.“ in Art. 12 Abs. 2 und Art. 12a GG) sowie als Kollektivsingular i. S. d. Fähigkeit Privater; so gibt Art. 33 Abs. 2 GG für die Besetzung öffentlicher Ämter das L.s-Prinzip vor („Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.“), wobei fachliche L. als Fachwissen, Fachkönnen und Bewährung im Fach umschrieben wird. Im Übrigen erscheint L. im GG überwiegend in Komposita (Dienst-L., Sach-L., Geld-L.). Die im Verfassungstext nicht erwähnte individuelle L.s-Fähigkeit wird vom BVerfG als Leitschnur und Grenze der Besteuerung angesehen (BVerfGE 93, 121 [135]).
2.2 Verwaltungsrecht
Die Verwaltung ist im 20. Jh. als L.s-Träger entdeckt worden: „L.s-Verwaltung“ oder „darreichende Verwaltung“ im (scheinbaren) Gegensatz zur „Eingriffsverwaltung“. Das geltende Recht spiegelt diese Dimension im Allgemeinen Verwaltungsrecht nur unvollkommen wider, wo im Zusammenhang der Aufhebung begünstigender Verwaltungsakte Geld-L.en und Sach-L.en der Verwaltung unterschieden werden. Das SGB fächert die Sozial-L.en (Dienst-, Sach- und Geld-L.en, § 11 S. 1 SGB I) in den Einweisungsvorschriften des SGB I auf; hierzu zählen u. a. L. der Ausbildungsförderung, der Arbeitsförderung, der Grundsicherung für Arbeitsuchende, der GKV, der sozialen Pflegeversicherung, bei Schwangerschaftsabbrüchen, der gesetzlichen Unfallversicherung, der gesetzlichen Rentenversicherung, Versorgungs-L.en bei Gesundheitsschäden, Kindergeld, Kinderzuschlag, L.en für Bildung und Teilhabe, Elterngeld und Betreuungsgeld, Wohngeld, L.en der Kinder- und Jugendhilfe, der Sozialhilfe, der Eingliederungshilfe sowie zur Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen. Zuständig sind eine Vielzahl von (nach Fachrecht berufenen) Körperschaften, Anstalten und Behörden („L.s-Träger“), § 12 SGB I. – Das Steuerrecht definiert in § 3 Abs. 1 AO Steuern als „Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft“. Das gegenwärtige Verwaltungsrecht erweist das Staat-Bürger-Verhältnis als Netz vielfältigster konkreter und abstrakter L.s-Beziehungen. Angesichts zahlreicher Rechtspflichten der L.s-Empfänger im Sozialstaat einerseits und der unentbehrlichen Bereitstellung staatlicher L.en (bspw. Sicherheit) durch die Eingriffsverwaltung andererseits greift die Entgegensetzung von Eingriffsverwaltung und L.s-Verwaltung zu kurz. Das neue Konzept der Gewährleistungsverwaltung nimmt die im GG angedeutete Staatsaufgabe der Gemeinwohlsicherung nach Privatisierung (Art. 87e Abs. 4, Art. 87 f. Abs. 1) auf.
3. Im Strafrecht
Im geltenden Strafrecht ist L. unentbehrliches Tatbestandsmerkmal in einer Vielzahl von Tatbeständen, so bei Bestechungs- und Bestechlichkeitsdelikten. Der umstrittene Tatbestand „Erschleichen von Leistungen“ (§ 265 StGB) kriminalisiert die unbefugte und verdeckte Inanspruchnahme sehr verschiedener entgeltlicher Dienste: „die Leistung eines Automaten oder eines öffentlichen Zwecken dienenden Telekommunikationsnetzes, die Beförderung durch ein Verkehrsmittel oder den Zutritt zu einer Veranstaltung oder Einrichtung“ (§ 265a Abs. 1 StGB).
4. Im Prozessrecht
Im Zivilprozessrecht und seinem Beispiel folgend im Verwaltungsprozessrecht werden L.s-Klagen von Feststellungs- und Gestaltungsklagen unterschieden. Erstere gehen auf ein Tun, Dulden oder Unterlassen des Beklagten, d. h. auf gerichtlichen L.s-Befehl und Befriedigung des Klägers, wohingegen Feststellungsklagen auf verbindliche Feststellung, Gestaltungsklagen auf Veränderung der Rechtslage zielen. Während die ZPO L.s-Klagen als Normalfall zugrunde legt und Feststellungsklagen in § 256 Abs. 1 ZPO allgemein zulässt, sind die Gestaltungsklagen nur statthaft, wo ausdrücklich zugelassen. Die VwGO unterstellt L.s-Klagen ebenfalls als statthaft und sieht einen bedingten Vorrang von Gestaltungs- und L.s-Klagen vor Feststellungsklagen vor (§ 43 Abs. 2 S. 1 VwGO).
5. Ausblick
Die Allgegenwart der L.s-Verwaltung in allen Lebensphasen und -bereichen rechtfertigt den Ausdruck „L.s-Staat“, das Wachstum der Gewährleistungsverwaltung den Ausdruck „Gewährleistungsstaat“ (Eifert 1998). Für die EU existieren keine prägnanten Pendants; doch muss die auf den L.s-Staat gemünzte Mahnung auch auf die Union übertragen werden: „Eine Ausuferung des L.sstaats würde einer Versorgungsmentalität und dem sogenannt Anspruchsdenken Vorschub leisten und dem ‚L.sprinzip‘ entgegenwirken. Umgekehrt muß man anerkennen, daß unter den heutigen Bedingungen staatliche L.en vielfach erst die Voraussetzungen für individuelle L.en schaffen“ (Hollerbach 1995: 897 f.).
Literatur
R. Waltermann: Sozialleistungen, in: F. Ruland/U. Becker/P. Axer (Hg.): Sozialrechtshandbuch, 62018, § 7 • C. Thomale: Leistung als Freiheit. Erfüllungsautonomie im Bereicherungsrecht, 2012 • D. Murswiek: Grundrechte als Teilhaberechte, soziale Grundrechte, in: HStR, Bd. 9, 32011, § 192 • S. Beck: Die Zuordnungsbestimmung im Rahmen der Leistung, 2008 • M. Eifert: Grundversorgung mit Telekommunikationsleistungen im Gewährleistungsstaat, 1998 • A. Hollerbach: Leistung, in: StL, Bd. 3, 71995, 897 f. • H.-E. Henke: Die Leistung. Grundvorgang des sozialen Lebens und Grundbegriff des Schuldrechts, 1991 • E. Forsthoff: Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Bd. 1, 101974 • Ders.: Die Verwaltung als Leistungsträger, 1938.
Empfohlene Zitierweise
F. Reimer: Leistung, III. Rechtswissenschaftliche Aspekte, Version 08.06.2022, 09:10 Uhr, in: Staatslexikon8 online, URL: https://www.staatslexikon-online.de/Lexikon/Leistung (abgerufen: 24.11.2024)