Zahlungsbilanz

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1. Definition und Bedeutung

Die Z. bildet alle wirtschaftlichen Beziehungen zwischen dem In- und dem Ausland innerhalb eines bestimmten Zeitraums ab. Alle Transaktionen, die Waren, Dienstleistungen, Übertragungen von Kapital oder Vermögen oder finanziellen Ansprüchen zum Gegenstand haben, werden in der Z. erfasst. Der Begriff der „Bilanz“ ist genaugenommen nicht korrekt, da in der Z. – wie in einer Bilanz üblich – keine Bestandsgrößen (wie bspw. Vermögen), sondern Stromgrößen (bspw. Einkommen) erfasst werden. Die Erfassung dieser Stromgrößen erfolgt dabei nach dem Prinzip der doppelten Buchführung (Doppik), bei dem jede Transaktion zweimal, und zwar auf jeder Seite der Bilanz einmal, erfasst wird. Dabei werden Zahlungseingänge auf der linken Seite (Soll) verbucht, Zahlungsausgänge auf der rechten Seite (Haben). Jeder Leistung steht damit eine Gegenleistung gegenüber; durch diese doppelte Verbuchung ist die Z. insgesamt stets ausgeglichen.

2. Aufbau

Die Z. besteht aus vier Teilbilanzen:

a) der Leistungsbilanz,

b) der Vermögensänderungsbilanz,

c) der Kapitalbilanz und

d) der Bilanz der statistisch nicht aufgliederbaren Transaktionen.

2.1 Die Leistungsbilanz

Die Leistungsbilanz untergliedert sich wiederum in vier Teilbilanzen:

a) In der Handelsbilanz werden Exporte (Soll-Seite) und Importe (Haben-Seite) verbucht.

b) In der Dienstleistungsbilanz werden der Export (Soll-Seite) und Import (Haben-Seite) von Dienstleistungen verbucht.

c) Die dritte Bilanz ist die Bilanz der Primäreinkommen (früher: Erwerbs-und Vermögenseinkommen); hier werden grenzüberschreitende Faktoreinkommen erfasst. Der Lohn eines Deutschen, der im Ausland arbeitet, wird bspw. als empfangenes Faktoreinkommen auf der Soll-Seite erfasst; der Lohn eines Ausländers, der in Deutschland arbeitet, wird als geleistetes Faktoreinkommen auf der Haben-Seite verbucht. Zusätzlich erfasst in dieser Bilanz werden Produktions- und Importabgaben, Subventionen und Pachteinkommen.

d) Die vierte Bilanz ist die Bilanz der Sekundäreinkommen (früher: laufende Übertragungen), das sind bspw. Zahlungen an den Haushalt der EU oder Entwicklungshilfe.

Der Saldo der Handels- und Dienstleistungsbilanz (also die Differenz zwischen Exporten und Importen von Waren und Dienstleistungen) wird als Außenbeitrag bezeichnet, der für die BRD i. d. R. positiv ist, da Deutschland traditionell mehr exportiert als importiert; umgangssprachlich spricht man hier von einem Exportüberschuss. Der Saldo der Leistungsbilanz insgesamt wird als Leistungsbilanzsaldo bezeichnet.

2.2 Vermögensänderungsbilanz

In der Vermögensänderungsbilanz werden Übertragungen von Vermögen mit einmaligem Charakter verbucht, bspw. Schuldenerlasse, Schenkungen oder Erbschaften. Der Gedanke hinter der Trennung von der Leistungsbilanz ist, dass diese einmaligen Vorgänge nicht das laufende Einkommen einer Volkswirtschaft betreffen, sondern nur zu einer Änderung der Vermögensposition führen. Laufende Übertragungen wie regelmäßige Mitgliedsbeiträge an internationale Organisationen hingegen verändern die Einkommensposition eines Landes und werden deswegen in der Bilanz der Sekundäreinkommen verbucht. Eine Erbschaft hingegen (die auf der Soll-Seite verbucht wird) ändert die Vermögensposition eines Inländers, aber nicht sein laufendes Einkommen. Die Vermögensänderungsbilanz ist notwendig, damit man zu einer Übertragung von Vermögen eine Gegenbuchung hat. Erbt ein Inländer bspw. einen Schreibtisch, so wird dieser auf der Haben-Seite als Import verbucht, auf der Soll-Seite als empfangene Übertragung.

Der Saldo aus Leistungsbilanz und Vermögensänderungsbilanz wird als Finanzierungssaldo bezeichnet. Ist dieser positiv, so haben per Saldo die Forderungen des Inlandes gegenüber dem Ausland zugenommen, da man mehr Waren und Dienstleistungen an das Ausland geliefert hat, als das Ausland an das Inland und auch die einmaligen Übertragungen nicht ausgereicht haben, um diese Lücke zu schließen; das Ausland hat per Saldo mehr Werte aus dem Inland erhalten, als es an das Inland geliefert hat. Die Differenz entspricht dann einer Zunahme der Forderungen des Inlands an das Ausland.

2.3 Kapitalbilanz

Die Kapitalbilanz erfasst alle Kapitalbewegungen zwischen dem In- und Ausland. Der Kauf ausländischer Vermögenswerte ist eine Zunahme von Forderungen an das Ausland und wird als Kapitalexport oder Nettoerwerb von finanziellen Vermögenswerten bezeichnet; er erhöht das Auslandsvermögen eines Landes. Der Verkauf inländischer Vermögenswerte hingegen bedeutet eine Abnahme von Forderungen oder eine Zunahme von Verbindlichkeiten gegenüber dem Ausland und wird als Kapitalimport (oder Nettoaufnahme von Verbindlichkeiten) bezeichnet. Die Kapitalimporte (-exporte) werden dabei auf der Soll-Seite (Haben-Seite) der Z. verbucht. Sind die Kapitalexporte größer (kleiner) als die Kapitalimporte, so liegt ein Netto-Kapitalexport (-import) vor, der Saldo der Kapitalbilanz wird in diesem Fall mit einem Plus-Zeichen (Minus-Zeichen) versehen, weil damit eine Zunahme (Abnahme) des Netto-Auslandsvermögens einhergeht.

Die Kapitalbewegungen in der Kapitalbilanz werden in fünf Bereiche aufgeschlüsselt: Direktinvestitionen, Wertpapieranlagen, Finanzderivate, übriger Kapitalverkehr und Währungsreserven.

Die Kapitalbilanz beinhaltet auch die Bilanz der Währungsreserven, auch Devisenbilanz genannt. Bisweilen wird auch die Kapitalbilanz plus Devisenbilanz als Kapitalbilanz im weiteren Sinne bezeichnet. Die Devisenbilanz erfasst die Veränderung der Währungsreserven (Goldbestände, IWF-Position, Sonderziehungsrechte und ausländische Währungen), die eine Forderung an das Ausland darstellen. Gewinnt (verliert) das Inland Währungsreserven, so wird der Zufluss (Abfluss) an fremden Währungen auf der Haben-Seite (Soll-Seite) der Devisenbilanz verbucht.

2.4 Statistisch nicht aufgliederbare Transaktionen

Da die Daten für die einzelnen Bilanzen oft aus verschiedenen Quellen kommen und sich in Bezug auf Genauigkeit, Vollständigkeit und Zeitpunkt der Erhebung oft unterscheiden, teilweise auch nur geschätzt werden, ist die Z. als Ganzes zumeist nicht ausgeglichen, obwohl sie es aufgrund des Prinzips der doppelten Buchung sein müsste. Um diese dennoch auszugleichen, gibt es die Bilanz der statistisch nicht aufgliederbaren Transaktionen (Restposten), welche die Z. rechnerisch ausgleicht.

3. Systematik

Da nach dem Prinzip der doppelten Buchführung jede Transaktion des Inlandes mit dem Ausland in der Z. zweimal verbucht wird, ist die Z. als Ganzes immer ausgeglichen. Allerdings können die Teilbilanzen unausgeglichen sein, ein Defizit in einer Bilanz wird dann durch einen Überschuss in einer der anderen Bilanzen ausgeglichen. Dadurch ergibt sich, dass die Summe aller Salden der Teilbilanzen stets Null ergeben muss:

Saldo der Leistungsbilanz + Saldo der Kapitalbilanz + Saldo der Vermögensänderungsbilanz = 0

Vernachlässigt man die Vermögensänderungsbilanz, so ergibt sich, dass ein Überschuss (Defizit) in der Leistungsbilanz zu einem entspr.en Defizit (Überschuss) in der Kaitalbilanz führt. Dies ergibt sich rein sachlogisch: Exportiert ein Land mehr, als es aus dem Ausland importiert, so bedeutet das, dass das Inland dem Ausland per Saldo Waren und Dienstleistungen auf Kredit überlassen hat, was einem Kapitalexport entspricht; dementsprechend steht dem Leistungsbilanzüberschuss, bei dem die Soll-Seite der Leistungsbilanz größer ist als die Haben-Seite, eine Zunahme der Forderungen an das Ausland gegenüber; die Haben-Seite der Kapitalbilanz ist dementsprechend länger als die Soll-Seite.

4. Zahlungsbilanz und Wechselkurs

Alle Transaktionen der Leistungsbilanz haben auch Folgen für den Wechselkurs eines Landes, also den Preis der inländischen Währung gemessen in ausländischer Währung. Dabei gilt, dass alle Transaktionen, die auf der Soll-Seite (Haben-Seite) verbucht werden, die inländische Währung aufwerten (abwerten). So muss bspw. jeder Export ins Ausland letztlich mit inländischer Währung bezahlt werden, was dazu führt, dass der ausländische Importeur die inländische Währung im Tausch gegen seine Währung nachfragt – die Nachfrage (das Angebot) nach inländischer (an ausländischer) Währung steigt, was zu einer Aufwertung (Abwertung) der inländischen (ausländischen) Währung führt. Das bedeutet, dass Ungleichgewichte in den Teilbilanzen zu einer entspr.en Wechselkursreaktion führen, ein Leistungsbilanzdefizit (-überschuss) bspw. führt so zu einer Abwertung (Aufwertung) der inländischen Währung.

5. Ungleichgewichte in der Zahlungsbilanz

5.1 Ursachen

Spricht man von Ungleichgewichten in der Z., so meint man damit Ungleichgewichte in den Teilbilanzen, da die Z. als Ganzes immer ausgeglichen sein muss; diese Ungleichgewichte können auf makroökonomische Probleme eines Landes hinweisen.

Ursache chronischer Ungleichgewichte in der Leistungsbilanz (welche entspr.e Ungleichgewichte in der Kapitalbilanz zur Folge haben) sind v. a. Unterschiede in den Preisen der gehandelten Waren: Je günstiger ein Land produziert, desto mehr kann es ins Ausland exportieren, desto größer wird der Überschuss in der Leistungsbilanz. Ursachen dieser Kostenvorteile sind bspw. unterschiedliche Inflationsraten (Inflation), Lohnstückkosten oder Unterschiede in der Produktivität. Auch eine Unterbewertung der eigenen Währung führt zu höheren Exporten ins Ausland. Zinsunterschiede zum Ausland führen ebenfalls zu entspr.en Ungleichgewichten in der Kapitalbilanz, die sich zwangsläufig in entspr.en Ungleichgewichten in der Leistungsbilanz niederschlagen.

5.2 Folgen

V. a. große, chronische Defizite oder Überschüsse in der Leistungsbilanz spielen in politischen Debatten eine große Rolle. Weist ein Land über einen längeren Zeitraum einen hohen Überschuss (Defizit) in der Leistungsbilanz aus, so bedeutet das, dass das betreffende Land weniger (mehr) konsumieren oder investieren kann, als es seiner eigenen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit entspricht – es verbraucht weniger (mehr), als es selbst herstellt. Das Überschussland erhält dadurch steigende Forderungen an das Defizitland, während das Defizitland sich gegenüber dem Überschussland zunehmend verschuldet; dies zeigt sich dementsprechend in den Kapitalbilanzen der beiden Staaten, das Überschussland (Defizitland) weist Nettokapitalexporte (Nettokapitalimporte) auf.

Solche Überschüsse oder Defizite können Probleme für beide Länder aufwerfen: Das Überschussland konsumiert und investiert weniger, als es eigentlich produziert, da ja ein Teil der inländischen Produktion ins Ausland geht. Speziell Deutschland mit seinen chronischen Exportüberschüssen wird vorgeworfen, dass es aufgrund dieser Überschüsse zu wenig im Inland investiert und damit seinen inländischen Kapitalstock und sein Wachstumspotential vernachlässigt – die Ergebnisse deutscher Produktion gehen ins Ausland, anstatt im Inland investiert zu werden. Darüber hinaus führen die hohen Exportüberschüsse zu entspr.en Forderungen (Kapitalexporten) an das Ausland; gerät dieses in Zahlungsschwierigkeiten, so müssen diese Forderungen möglicherweise wertberichtigt oder abgeschrieben werden. Das Inland hätte damit Waren an das Ausland geliefert, die im Nachhinein nicht oder nur teilweise bezahlt werden. Gleiches tritt ein, wenn die ausländische Währung abwertet: Das Inland hat dem Ausland Waren geliefert und im Gegenzug dafür ausländische Devisen erhalten; wertet die ausländische Währung aber (aufgrund der hohen Leistungsbilanzdefizite des Auslandes) ab, so sinkt die Kaufkraft der Devisen, die das Inland im Gegenzug für die gelieferten Waren erhalten hat, das Inland erleidet Verluste.

Auch chronische Leistungsbilanzdefizite führen zu Problemen, da sie die Verschuldung eines Landes gegenüber dem Ausland erhöhen. Werden die Importe aus dem Ausland für Investitionen im Inland genutzt, so kann das Inland aus den Erträgen dieser Investitionen später seine Schulden gegenüber dem Ausland zurück zahlen, werden hingegen die Importe konsumiert, stellt sich die Frage, wie das Inland langfristig seine Schulden gegenüber dem Ausland begleichen will. Schlimmstenfalls steht am Ende einer solchen Entwicklung eine Staatspleite, die auch zum Problem für die Gläubigerländer wird.

Allerdings kann ein Land ein Leistungsbilanzdefizit nicht unbegrenzt ausweiten. Wird die dadurch bedingte Verschuldung gegenüber dem Ausland zu hoch, werden internationalen Kapitalgeber sich weigern, dem Land weiterhin Kredit zu geben, die Kapitalimporte (die ja das Spiegelbild der Leistungsbilanzdefizite sind), lassen sich dann nicht mehr finanzieren, es kommt zu einer Schuldenkrise.

5.3 Ausgleich von Zahlungsbilanzungleichgewichten

Ein Ausgleich von Z.-Ungleichgewichten kann automatisch über eine entspr.e Reaktion des Wechselkurses geschehen: Staaten mit Leistungsbilanzüberschüssen (-defiziten) werten ihre Währung auf (ab), das führt zu einer Verteuerung (Verbilligung) der eigenen Exporte und damit zu einer automatischen Korrektur der Leistungsbilanz.

Oftmals aber wollen Staaten den Wechselkurs ihrer Währung nicht dem freien Spiel der Devisenmärkte überlassen, weswegen andere Ausgleichmechanismnen ins Spiel kommen:

a) Die Regierung kann bei einem Leistungsbilanzüberschuss die inländische Binnenkonjunktur ankurbeln, was zu mehr inländischem Konsum führt, wodurch die heimische Produktion verstärkt im Inland verwendet wird statt exportiert zu werden. Bei einem Defizit kann die Regierung entspr. die heimische Konjunktur dämpfen.

b) Die Tarifpartner können bei einem Überschuss (Defizit) die Lohnstückkosten erhöhen (senken), das führt aufgrund der gestiegenen (gesunkenen) Produktionskosten zu mehr (weniger) Exporten.

c) Die heimische Notenbank kann bei einem Überschuss (Defizit) die Zinsen im Inland senken (erhöhen) oder die Geldmenge erhöhen (reduzieren), das führt zu mehr Kapitalexporten (Kapitalimporten) mit einer entspr.en Reaktion in der Leistungsbilanz, die sich dann verschlechtert (verbessert). Möglicherweise passiert dieser Ausgleich auch automatisch, da steigende Exporte zu einem Anstieg der Devisenreserven führen: Die Exporteure erhalten für ihre Waren ausländische Devisen, die sie bei der Notenbank gegen inländische Währung eintauschen, damit erhöht sich automatisch die inländische Geldmenge, was zu steigenden Preisen führen kann; damit würde die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der Exporte reduziert. Allerdings kann die heimische Notenbank auch Gegenmaßnahmen ergreifen, um diese Entwicklung zu verhindern (sog. Sterilisierung).

Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen lässt sich die Eurokrise des Jahres 2009 auch als Z.-Krise interpretieren: Aufgrund sinkender Zinsdifferenzen floss Kapital in den Süden der Währungsunion, zugl. hatten die Länder des Südens vergleichsweise höhere Löhne und Preise. Beides führte zu Defiziten in der Leistungsbilanz der Südstaaten, die über ausländisches Kapital, also über die Kapitalbilanz finanziert werden mussten. Aufgrund der gemeinsamen Währung konnten die Defizitländer nicht abwerten, eine eigenständige Geldpolitik war auch nicht möglich. Sobald die ausländischen Kapitalgeber nicht mehr dazu bereit sind, diese Defizite zu finanzieren, kommt es zu einer Z.-Krise.

Im Zuge der jüngsten Finanzmarktkrisen und Staatsschuldenkrisen wird diskutiert, Ungleichgewichte in den Z.en der einzelnen Staaten mittels koordinierter internationaler Bemühungen zu bekämpfen (sog.e makroprudentielle Aufsicht). So hat die EU im Rahmen der Bekämpfung der Euro-Krise ein Verfahren zur Überwachung makroökonomischer Ungleichgewichte eingeführt, in dessen Rahmen die Leistungsbilanzsalden der Mitgliedstaaten der EWWU analysiert werden.