Europäische Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU)

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  1. I. Wirtschaftlich
  2. II. Rechtlich

I. Wirtschaftlich

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1. Entstehung, Grundlagen und Ziele

Dieser Beitrag beschreibt, analysiert und bewertet die Entstehung, die Grundlagen und die Ziele der EWWU von ihren Anfängen bis zur Gegenwart. Die WWU wird auch als EWWU bezeichnet. Dies verkürzend ist oft auch – nicht ganz korrekt – von der europäischen Währungsunion die Rede. Ähnliches gilt für die englische Bezeichnung Economic and Monetary Union, deren Abkürzung EMU oft irrtümlich als European Monetary Union ausbuchstabiert wird. Gleichzeitig wird an dem Element „Monetary“ in „Monetary Union“ überdeutlich, dass es bei der WWU nicht nur um eine unwiderrufliche Festlegung innereuropäischer Wechselkurse („Währungsunion“), sondern auch – gerade aus deutscher Sicht sehr einschneidend – um das Betreiben einer gemeinsamen einheitlichen Geldpolitik geht. Die EWWU hat sich seit ihrer Einführung im Jahre 1999 mit zunächst elf Staaten um weitere Staaten auf nunmehr 19 Mitgliedsländer vergrößert: Griechenland (2001), Slowenien (2007), Malta und Zypern (2008), der Slowakei (2009), Estland (2011), Lettland (2014) und Litauen (2015).

1.1 Deutsche Mark

Die Einführung der DM und die Errichtung eines auf Geldwertstabilität orientierten Zentralbanksystems im Jahr 1948 waren wesentliche Treiber für das schnelle „Wirtschaftswunder“ nach den kriegsbedingten Verwerfungen in Westdeutschland. Dabei war ein einmaliger Währungsschnitt keineswegs hinreichend. Der international vergleichsweise geringe Wertverlust der DM und ihre Bedeutung als global zweitwichtigste Währung stellten das Resultat einer konsequenten Stabilitätspolitik der „Bank deutscher Länder“ und später der Deutschen Bundesbank dar. Für den Erfolg der Bundesbank war ihre politische Unabhängigkeit maßgeblich. Bei der Schaffung der europäischen Währungsunion und des ESZB stellte diese Erfahrung ein wichtiges Vorbild dar.

1.2 Europäische Währungsintegration

Mit der Unterzeichnung des EU-Vertrags (Vertrag von Masstricht) am 7.2.1992 bereitete die Politik bereits kurz nach der Überwindung der deutschen Teilung einer noch umfassenderen Veränderung im deutschen Geld- und Zentralbankwesen den Boden. Denn mit dem Vertrag verpflichteten sich die Partner, bis spätestens Anfang 1999 schrittweise eine EWWU zu verwirklichen. Im Folgenden werden zunächst die historischen Meilensteine dorthin beschrieben.

1.2.1 Werner-Plan

Erste Vorschläge zu einer stufenweisen Verwirklichung einer Währungsunion in Europa hatte es mit dem „Werner-Plan“ – benannt nach dem damaligen luxemburgischen Premierminister Pierre Werner – bereits seit 1970 gegeben. Die Initiative zu diesem Bericht kam v. a. vom damaligen Bundeskanzler Willy Brandt. Der Bericht war spezifisch im Hinblick auf das finale Ziel der EWWU, das bereits zehn Jahre später (1980) umgesetzt sein sollte. Die EWWU sollte eine „total and irreversible convertibility of currencies, the elimination of fluctuation in exchange rates, the irrevocable fixing of parity rates and the complete liberalisation of capital flows“ beinhalten (Werner u. a. 1970: 10). Der Werner-Bericht empfahl darüber hinaus eine vollständige Zentralisierung der Fiskalpolitik. In diesem Zusammenhang enthielt er den Vorschlag, eine neue Institution mit Entscheidungsgewalt auch über nationale Fiskalpolitiken zu gründen – das „Centre of Decision for Economic Policy“ (Gros/Thygesen 1998: 403). Dieses sollte dem &pfv;Europäischen Parlament gegenüber politisch rechenschaftspflichtig sein. In Bezug auf die Ausgestaltung der Institutionen und des Prozedere einer gemeinsamen Geldpolitik blieb der Bericht aber eher vage.

So wird deutlich, dass der ganzheitliche Politikansatz des ehemaligen Luxemburger Staatsministers P. Werner auch seine Finanz- und Währungspolitik umfasst. Geld stellt für ihn nicht nur Zahlungsmittel, sondern auch ein politisches und sogar philosophisches Mittel dar. Der von P. Werner bereits in Etappen geplante Euro war die „monetäre Verkörperung einer gemeinsamen politischen Zukunft“ (Werner u. a. 1970: 10), also deutlich mehr als ein Fortschritt in Richtung europäischer Integration durch ein konkretes ökonomisches Projekt im Sinne Jean Monnets. Der spätere Euro stellte für ihn – wie heute noch für die Vertreter einer „alternativlosen“ Rettung des Euros in seiner gegenwärtigen Zusammensetzung – nicht weniger eine Frage des „Fortschritts oder des Rückschritts der Union“ (Werner u. a. 1970: 31) dar. P. Werner sah die wirtschaftlichen Ungleichgewichte in der damaligen EWG kritisch und eine Gemeinschaftswährung als Lösung dieses Problems.

Angesichts des schwierigen wirtschaftlichen Umfeldes, das in den 1970er Jahren vorherrschte (Dollar-Verfall, Zusammenbruch des Systems von Bretton Woods und Ölpreisschock), wurden diese Pläne zunächst aber nicht weiter verfolgt. Allerdings wurde 1979 das EWS aus der Taufe gehoben.

1.2.2 Delors-Bericht

Mitte der 1980er Jahre griffen europäische Politiker die Überlegungen zu einer WWU erneut auf. Eine von den Staats- und Regierungschefs beauftragte Sachverständigengruppe um den damaligen EG-Kommissionspräsidenten Jacques Delors legte 1989 einen Bericht vor („Delors-Bericht“), der die Idee einer schrittweisen, dreistufigen Währungsintegration enthielt.

In einer ersten Stufe sollten die noch bestehenden Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen Mitgliedstaaten aufgehoben und eine engere Koordinierung der Wirtschafts- und Währungspolitiken herbeigeführt werden. Dies wurde bereits als in Sichtweite befindlich angesehen. Hierfür ist die EcoFin-Entscheidung von Juni 1988 zu beachten, die Kapitalbewegungen für die meisten EWS-Mitglieder mit Wirkung von Juli 1990 und für vier weitere mit Wirkung von 1992–95 zu liberalisieren, und den generellen Fortschritt bei der Finanzmarktintegration unter dem „1992“-Programm. In der zweiten Stufe sollten die grundlegenden Organe und Strukturen installiert werden, darunter v. a. ein europäisches System von unabhängigen Zentralbanken. In der dritten Stufe schließlich sollten, als entscheidender Schritt, Wechselkurse unwiderruflich fixiert, die monetären und wirtschaftlichen Kompetenzen auf die Gemeinschaftsorgane übertragen und eine einheitliche Währung eingeführt werden.

Während der Werner-Plan noch eine vollständige Zentralisierung der Fiskalpolitik zur Sicherung einer flexiblen Stabilisierungspolitik mit Ermessensspielräumen empfahl, beließ der Delors-Bericht die Fiskalpolitik in den Händen der Nationalstaaten.

Der Delors-Bericht beinhaltete keinen radikalen Anstieg des EU-Budgets, ließ aber einen Ausbau der Regional- und Strukturpolitiken nach 1993 über die bereits 1988 beschlossene Verdoppelung der Transfers in benachteiligte Regionen hinaus offen. V. a. aber ist keine Rede von der Notwendigkeit eines automatischen Transfermechanismus, der die Effekte asymmetrischer Schocks auf Mitgliedstaaten eliminiert. Insgesamt gesehen offenbarte der Delors-Bericht eine positivere Einschätzung der Fähigkeiten von Preisflexibilität und Faktormobilität, die Anpassungsprobleme innerhalb der EWWU zu beheben, als der Werner-Plan.

Schließlich teilten die Autoren des Delors-Berichts auch nicht die Vorteile einer aktiven, mit viel Ermessensspielraum (discretion) versehenen, Fiskalpolitik und betonten stattdessen den Bedarf einer Stärkung der Konvergenz durch mittelfristige Vorgaben für nationale Haushaltspolitiken (rules). Dementsprechend spricht die französische Seite immer noch von two dreams in Bezug auf Politikkoordinierung, von denen nur der erste, der disziplinierende, deutsche Ansatz, später im Maastrichter Vertrag implementiert worden sei.

Der Delors-Bericht nahm auch den Vorschlag des Werner-Plans, ein Centre of Decision for Economic Policy zu gründen, nicht mehr auf. Es sah den bereits existierenden EcoFin-Rat (Rat Wirtschaft und Finanzen) als hinreichend für die weniger aktivistischen und mit weniger Ermessensspielraum versehenen Operationen, die ihm vorschwebten, an. In diesem Sinne waren die politischen Implikationen des Delors-Berichts weniger weitreichend. Die EWWU in ihrer Vision wollte weniger eine politische Union sein, als der Werner-Bericht vorsah.

Ein weiterer entscheidender Unterschied zum Werner-Plan bestand darin, dass die Einführung einer gemeinsamen Währung unmittelbar nach Eintritt in die dritte Stufe vollzogen werden sollte. Dies drücke v. a. die Irreversibilität der Bewegung hin zu einer EWWU aus.

Die Vorschläge des Delors-Berichts für das ESZB waren in Bezug auf dessen Mandat, seine Funktionen, seine Struktur und Organisation und seinen Status sehr explizit. Das ESZB sollte auf das vorrangige Ziel Preisniveaustabilität verpflichtet werden. Das Adjektiv „vorrangig“ wurde nicht zuletzt auf deutschen Druck hin im Entwurf des Statuts und in Art. 105 der vorgeschlagenen Vertragsänderung nachträglich eingefügt. Ist dieses erfüllt, soll das ESZB die allgemeine Wirtschaftspolitik auf der Gemeinschaftsebene unterstützen. Das System solle eine föderale Struktur haben und von einem Rat geleitet werden, der aus den nationalen Zentralbankgouverneuren und den Mitgliedern eines Direktoriums bestehen sollte, deren Mitglieder vom Europäischen Rat zu ernennen sind.

Der Bericht machte zwar keine Vorschläge für die Stimmrechte bei der Formulierung der gemeinsamen Geldpolitik. Er spezifizierte aber, dass die Mitglieder des ESZB-Rates unabhängig von Weisungen der nationalen Regierungen und Gemeinschaftsinstitutionen sein müssen. Dies machte das im Maastrichter Vertrag verankerte One person, one vote-Abstimmungsprinzip zu einer natürlichen Wahl. Zudem unterliegt das ESZB umfangreichen Berichtspflichten gegenüber dem Europäischen Parlament und dem Europäischen Rat, um seine Pflicht zur Rechenschaftslegung (Accountability) zu erleichtern.

Diese Bestimmungen waren klar und weitreichend. Sie beinhalteten die Hauptprinzipien der beiden deutschen Memoranda von Anfang 1988 und die viel konkreteren Positionen, die vom Bundesbankpräsidenten zu Beginn der Arbeit des Delors-Komitees eingereicht wurden. Die Meinungen der Zentralbank-Gouverneure in der Delors-Kommission konvergierten offensichtlich sehr schnell zu der Ansicht, dass das deutsche Modell der Bundesbank in Bezug auf Mandat, Struktur und Beziehung zu anderen politischen Institutionen das geeignete Vorbild für das ESZB sei. Denn das Bundesbank-Modell war für die Gouverneure, auch aus Eigennutz, sehr attraktiv im Hinblick auf die Autonomie bei der Formulierung und Implementierung der Geldpolitik. Diese Entscheidung basierte aber nicht auf einer eingehenden Prüfung des Bundesbank-Modells oder anderer föderaler Modelle wie das der US-amerikanischen Geldpolitik. Deutsche Interessen wurden auf dem geldpolitischen Gebiet durch die Besetzung des Delors-Komitees mit einer hinreichenden Zahl an Notenbankern durchgesetzt.

Überraschend war, dass sich die politischen Akteure, v. a. aber die Mitglieder des EcoFin-Rats, nicht gegen einen Vorschlag wendeten, der dem ESZB deutlich mehr Unabhängigkeit zukommen ließ als sie ihren eigenen nationalen Notenbanken zu gewähren bereit waren. Tatsächlich gab es keine bedeutenden Meinungsverschiedenheiten über die wichtigsten Regelungen für das ESZB im Rahmen der Intergovernmental Conference-Verhandlungen.

Bei der genauen Beschreibung der einzelnen Stufen hin zur EWWU war ein Konsens jedoch schwieriger zu erreichen. So äußerte sich Bundesbankpräsident Karl Otto Pöhl damals dezidiert kritisch zu Formulierungen, die in einer Übergangsphase eine Aufteilung geldpolitischer Kompetenzen zwischen nationalen Notenbanken und dem ESZB zuließen. Hierdurch könne es zu Schwierigkeiten geldpolitischer Koordinierung und zu einer Aufweichung der Währungen kommen. Des Weiteren sahen deutsche Vertreter anders als z. B. die französischen in einer parallelen (privaten) Verwendung der europäischen Währungseinheit Inflationsgefahren (Inflation) und eine Erschwerung der Koordinierung nationaler Geldpolitiken.

1.2.3 Die Beschlüsse von Maastricht

Die Vorschläge des Delors-Komitees bildeten schließlich die Grundlage für die Beschlüsse von Maastricht. Der EUV wurde am 7.2.1992 im niederländischen Maastricht vom Europäischen Rat unterzeichnet. Die gemeinsame Währung sollte den Europäischen Binnenmarkt absichern und vollenden, der 1992 weitgehend verwirklicht worden war. Darüber hinaus sollte die gemeinsame Währung die EU auf dem Weg zu einer echten politischen Union weiterbringen. Dieser Prozess hatte bereits im Jahre 1957 mit der Unterzeichnung der Römischen Verträge begonnen und sich später über die Zollunion und das EWS fortgesetzt.

Der Vertrag beinhaltet v. a. Änderungen des EG-Vertrages, in den v. a. die Bestimmungen zur Schaffung der EWWU in drei Stufen eingefügt werden. Gemäß Vertragstext sollte in der EU frühestens zum 1.1.1997, spätestens aber zum 1.1.1999 eine gemeinsame Währung (Euro) eingeführt werden. Ein Land muss bestimmte wirtschaftliche Kriterien (die EU-Konvergenzkriterien, auch als Maastricht-Kriterien bezeichnet) erfüllen, um an der Währungsunion teilzunehmen. Damit soll die Stabilität der gemeinsamen Währung gesichert werden. Dabei geht es um Kriterien, die Haushalts-, Preisniveau-, Zinssatz- und Wechselkursstabilität gewährleisten sollen. Das Kriterium der Haushaltsstabilität (Defizitquote unter 3 % und Schuldenstandsquote unter 60 % des BIP) wurde später durch die Einrichtung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes als dauerhaftes Kriterium ausgelegt, die anderen Kriterien müssen Mitgliedstaaten nur vor der Euro-Einführung erfüllen. Der Fokus lag also auf der nominalen Konvergenz und nicht auf der realwirtschaftlichen Konvergenz, also ähnlicher Industriestrukturen, wettbewerbsfähiger realer Wechselkurse und einer hohen Korrelation von Konjunkturzyklen.

Der Vertrag fordert zudem, dass Länder dem Euro beitreten müssen, sobald sie die Konvergenzkriterien erfüllen. Die Entscheidung hierüber hat der Ministerrat (Rat der Europäischen Union) zu treffen. Lediglich das Vereinigte Königreich und Dänemark behielten sich das Recht vor, selbst über den Beitritt zur Währungsunion zu entscheiden (opting out).

1.2.4 Stufenplan zur Errichtung der EWWU und seine Realisierung

Die Staats- und Regierungschefs der EU einigten sich Ende 1989 darauf, mit der ersten Stufe der EWWU bereits am 1.7.1990 zu beginnen. In dieser Phase ging es darum, die nationale Geld- und Fiskalpolitik stärker auf die Erfordernisse der Preisstabilität und Haushaltsdisziplin auszurichten. Dazu sollten auch Maßnahmen beitragen, die die Unabhängigkeit der Zentralbanken von den Regierungen stärkten. Darüber hinaus hoben die teilnehmenden Staaten alle Kapitalverkehrskontrollen auf, um einen uneingeschränkten Kapitalverkehr zu gewährleisten.

Zu Beginn der zweiten Stufe der EWWU am 1.1.1994 wurde das EWI als Vorgängerinstitut der EZB mit Sitz in Frankfurt am Main gegründet. Seine Aufgaben bestanden in der regulatorischen, organisatorischen und logistischen Vorbereitung der Währungsunion. Gleichzeitig sollte das EWI die geldpolitische Koordination im Hinblick auf die kommende Währungsunion verbessern. Bis zum Beginn der dritten Stufe der EWWU am 1.1.1999 verblieb die Verantwortung für die Geldpolitik jedoch bei den nationalen Zentralbanken.

Der Europäische Rat ließ im Mai 1998 elf beitrittswillige Länder zur dritten Stufe der EWWU zu. Sie alle hatten in den Jahren zuvor Stabilitätserfolge erzielt. Die Staats- und Regierungschefs nominierten zudem die Mitglieder des Direktoriums der EZB. Damit konnten die EZB und das ESZB ihre Arbeit am 1.6.1998 aufnehmen. Zu Beginn der dritten Stufe am 1.1.1999 trat die Währungsunion in Kraft. Der Euro ersetzte in den elf teilnehmenden Ländern (Belgien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Irland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Portugal, Spanien) die bisherigen nationalen Währungen. Zunächst gab es den Euro drei Jahre lang nur als Buchgeld. Vom 1.1.2002 an wurde der Euro in allen zum Euro-Raum gehörenden Staaten auch als Bargeld eingeführt.

Die Deutsche Bundesbank ist als Zentralbank der BRD neben den übrigen nationalen Zentralbanken Teil des Eurosystems sowie des ESZB. Ihr Präsident gehört dem EZB-Rat und dem Erweiterten Rat an. Sie vertritt die deutschen Interessen in zahlreichen internationalen Gremien, darunter bspw. im IWF und im Europäischen Ausschuss für Systemrisiken.

Die Bundesbank (2015) beschreibt die Ausgestaltung des Eurosystems und des ESZB, dessen Organe (EZB-Rat, Abstimmungsregeln im EZB-Rat, EZB-Direktorium), der Sicherung der Preisstabilität als Aufgabe des Eurosystems, die Vorteile der Preisniveaustabilität (Lehren aus der Geschichte), die Unabhängigkeit der EZB und des ESZB, den Stabilitäts- und Wachstumspakt, das Verbot der monetären Staatsfinanzierung und den gegenseitigen finanzpolitischen Haftungsausschluss genauer.

Die gegenwärtige deutsche Regierung hat zur Zeit ein großes Interesse, auch Länder wie Polen oder Tschechien zum EWWU-Beitritt zu bewegen, da sie sich hiervon u. a. Mehrheiten für ihren angestrebten geldpolitischen Kurs, der mehr oder weniger dem der früheren Bundesbank entspr., erhofft.

2. Der Ordnungsrahmen der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion

2.1 Fundamentalprinzipien

Die Politiker, die die WWU schufen, folgten zwei Leitgedanken: Zum einen sollten die Vorteile einer Währungsunion nutzbar gemacht werden, zum anderen aber sollten die nationalen Parlamente und Regierungen der Mitgliedstaaten weiterhin für die Finanzpolitik zuständig sein. Als Ergebnis ist die Geldpolitik in der Währungsunion zentralisiert, während die Finanzpolitik dezentral ausgeübt wird – wobei allerdings mehrere institutionalisierte Verfahren für eine Koordination sorgen sollen. Dieser Ordnungsrahmen wurde in Reaktion auf die Finanzmarkt- und Staatsschuldenkrise in mehrfacher Hinsicht weiterentwickelt und gestärkt.

Die Fundamentalprinzipien, die dem System der Wirtschaftspolitik in der EWWU zugrunde liegen, gehen bis auf die Römischen Verträge oder sogar noch weiter zurück und sind die Folgenden:

a) Scharfe Trennung der Verantwortlichkeiten zwischen Geld- und Fiskalpolitik;

b) Primat der Preisniveaustabilität für die Geldpolitik;

c) Ausrichtung nationaler Fiskalpolitiken an den Grenzen für exzessive Defizite, um Preisniveaustabilität zu gewährleisten (Insolvenzen von Staaten standen bis zur Finanzkrise 2008 noch nicht im Vordergrund).

Die institutionelle Umgebung, in der diese beiden klassischen makroökonomischen Politikinstrumente wirken, wird bestimmt durch:

a) Präferenz für marktbasierte Lösungen;

b) Akzeptanz einer beschränkten Umverteilungsfunktion auf der europäischen Ebene, eher fokussiert auf Regionen (nicht Länder) als auf gesellschaftliche Klassen;

c) Durchführung gemeinschaftlicher Politiken auf einer beschränkten Zahl an Gebieten mit einem relativ bescheidenen Budget.

Die EU verfügt somit im weitesten Sinne über einen wohldefinierten Rahmen für die Wirtschaftspolitik, der auch als Ordnungspolitik bezeichnet und als im deutschen Interesse liegend betrachtet werden könnte. Aus deutscher Sicht stellen sich die Vorteile des größeren Währungsraums aber nur dann ein, wenn die gemeinsame Währung in ihrem Wert stabil ist. Jedes Mitgliedsland in einer Währungsunion muss deshalb nach deutscher Vorstellung seine Wirtschafts-, Finanz- und Lohnpolitik an die veränderten Rahmenbedingungen anpassen. Deshalb sollten bspw. die Tarifparteien bei Lohnerhöhungen die Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit beachten. Denn in einer Währungsunion kann ein Land einem Verlust an internationaler Wettbewerbsfähigkeit – z. B. aufgrund überhöhter Lohnsteigerungen – nicht mehr dadurch entgegenwirken, dass es die eigene Währung abwerten lässt.

Um die Risiken der europäischen Währungsunion mit ihren speziellen Bedingungen zu begrenzen, setzten die politischen Gründer auf eine Doppelstrategie: Zum einen sollten rechtliche Vorschriften den Spielraum der nationalen Politiken einschränken, zum anderen sollten „Sanktionen durch den Markt“ disziplinierend wirken. Niedergelegt wurden diese Vorschriften zunächst im EUV und im Stabilitäts- und Wachstumspakt. Beide Regelwerke wurden im Laufe der Zeit mehrfach verändert. So wurde der EUV zum AEUV weiterentwickelt. Insb. in Reaktion auf die Staatsschuldenkrise wurden die Regelwerke um weitere Abkommen ergänzt sowie neue Institutionen geschaffen.

2.2 Maßnahmen zur Eurorettung und Anpassung des Ordnungsrahmens

Erzwungen durch die im Winter 2009/10 ausbrechende Staatsschuldenkrise und ihre Zuspitzung im Mai 2010 wurden von der europäischen Politik zahlreiche Initiativen ergriffen. In einer bisher unbekannten Frequenz von „Krisengipfeln“ setzten sie in der Folge vielfältige Rettungsmaßnahmen in Kraft, um die Solvenz aller Euro-Mitgliedsländer zu bewahren und Gefahren für die Stabilität des Finanzsystems durch Ansteckung (contagion) in der Eurozone entgegenzuwirken. Darüber hinaus einigten sie sich auf neue Regeln zur Ausgestaltung (governance) der Wirtschafts- und Finanzpolitik, um die EU zu stärken und künftigen Krisen vorzubeugen.

Die seit Jahren latente und ab 2010 offenkundig gewordene und bis jetzt ungelöste griechische Staatsschuldenkrise (Finanzkrise) erforderte sogar noch weiter gehende Maßnahmen. Es wurden insgesamt drei Griechenland-Programme aufgelegt, die jeweils von der deutschen Bundesregierung mitgetragen wurden. Als Gegenleistung für die Kredite musste sich die griechische Regierung auf einschneidende Reformen festlegen, die das jährliche Haushaltsdefizit verringern und makroökonomische Fehlentwicklungen korrigieren. Programmelemente bestanden in signifikanten Kürzungen der Sozialausgaben sowie Steuererhöhungen – umgangssprachlich auch Austerität genannt.

Die Einhaltung dieser Bedingungen (Konditionalität) wurde jeweils von der Troika (IWF, EZB, Europäische Kommission) überwacht, da es sich um bilaterale Verträge der Euro-Partner mit dem Schuldner Griechenland handelte. Kritiker sahen hierin trotzdem eine Umgehung der No Bail-out-Regel. Weitere Programmländer waren Irland, Portugal und Spanien (auf die Bankenrettung begrenzt), die allesamt den Rettungsschirm wieder verlassen haben. Ein weiteres Programmland ist Zypern.

Da die Lage an den Finanzmärkten trotz Verabschiedung des ersten Programms für Griechenland immer dramatischer wurde und die Finanzstabilität in der Eurozone akut bedroht erschien, beschlossen die EU-Politiker eine Folge von Stabilisierungsmaßnahmen: eine beschleunigte Konsolidierung der öffentlichen Haushalte, eine Reform des fiskalischen Regelwerks und einen großen Rettungsschirm. Finanziell angeschlagene Länder sollten mit den Finanzmitteln dieser Fonds rasch Unterstützung erhalten können, was die privaten Gläubiger der überschuldeten Staaten beruhigen sollte. Bereits 2010 schuf die EU den EFSM und die EFSF als vorübergehende Rettungsmaßnahmen.

Im Dezember 2010 dann beschloss der Europäische Rat, mit dem ESM einen Fonds als permanenten Rettungsschirm einzurichten. Der Fonds soll bereitstehen, um im Krisenfall die gesamte Eurozone zu stabilisieren. Zu diesem Zweck soll er in „vorübergehende“ Zahlungsschwierigkeiten geratene Euro-Mitgliedsländer mit Krediten und anderen Maßnahmen unterstützen und diese im Gegenzug nach Maßgabe eines Reformprogramms zu Korrekturmaßnahmen verpflichten. Ziel dabei ist wiederum die Beruhigung der Finanzmärkte. Der ESM stand im weiteren Verlauf der Eurokrise immer wieder als maßgebliches Zentrum von Vorschlägen für eine nachhaltige Weiterentwicklung der Governance der Eurozone im Mittelpunkt, so z. B. für einen EWF.

2.3 Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakts und Fiskalpakt

Über die kurzfristigen Rettungsmaßnahmen hinaus erarbeiteten die EU-Politiker zahlreiche Programme, die darauf abzielen, die eigentlichen Ursachen der Krise zu beseitigen und die Währungsunion langfristig zu stabilisieren und zu stärken. Dazu zählt eine Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakts, die im Dezember 2011 in Kraft getreten ist. Der Pakt sieht seither u. a. strengere Vorgaben für die staatliche Budgetpolitik vor, wenn ein Land bei der Schuldenquote die Grenze von 60 % verletzt. Der „überschießende“ Prozentsatz muss jährlich um ein Zwanzigstel abgebaut werden. Auch der Sanktionsmechanismus bei Nichtbefolgen der Vorgaben wurde leicht verschärft.

Im Frühjahr 2012 einigten sich die Regierungen von 25 der damals 27 EU-Länder v. a. auf deutsche Initiative auf ein Vertragswerk, das als Gegenstück zur Aufgabe grundlegender Prinzipien bei der Geldpolitik seit Mai 2010 für mehr Haushaltsdisziplin sorgen soll, den sogenannten Fiskalpakt (fiscal compact; vollständige deutsche Bezeichnung: Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion). Der Fiskalpakt trat Anfang 2013 in Kraft. Er ergänzt und verschärft den reformierten Stabilitäts- und Wachstumspakt. Da das Vereinigte Königreich und Tschechien ihre Teilnahme ablehnten, ist der Fiskalpakt keine Ergänzung des AEUV, sondern ein zwischenstaatliches Abkommen.

Der Fiskalpakt sieht u. a. vor, dass jedes teilnehmende Land eine „Schuldenbremse“ einführen muss. Im Rahmen der Schuldenbremse darf der Staatshaushalt nach einer Übergangszeit im Normalfall nur ein sehr geringes strukturelles Defizit aufweisen. Verletzt ein Staat diese Regeln, wird automatisch ein Korrekturmechanismus eingeleitet, der darauf abzielt, die Fehlentwicklung zu korrigieren. Außerdem wurde im Rahmen des Fiskalpakts festgelegt, dass ein Defizitverfahren nur durch eine Zweidrittel-Mehrheit der Finanzminister gestoppt werden kann. Insofern geht diese Bestimmung über die Regeln zum Defizitverfahren im Stabilitäts- und Wachstumspakt hinaus und entspr. deutschen Interessen.

2.4 Weitere Maßnahmen zur Stärkung der Wirtschafts- und Währungsunion

Neben den kurzfristigen Rettungsmaßnahmen erarbeiteten die EU-Politiker zahlreiche Programme, welche darauf zielen, die eigentlichen Ursachen der Krise zu beseitigen und die Währungsunion langfristig zu stabilisieren und zu stärken. Neben der Errichtung des ESM zählt Folgendes dazu:

a) Europäisches Semester: Demnach müssen die EU-Regierungen von 2011 an die Planungen für ihre Staatshaushalte frühzeitig den europäischen Gremien mitteilen und ihre Planungen ggf. anpassen.

b) Verfahren bei gesamtwirtschaftlichen Ungleichgewichten: Ein Frühwarnsystem macht die EU-Länder auf entstehende Ungleichgewichte aufmerksam, bspw. in der Leistungsbilanz. EU-Kommission und Rat können dem Land Maßnahmen zur Korrektur der Ungleichgewichte empfehlen und ggf. Sanktionen verhängen. Der deutsche Einfluss zeigt sich hier darin, dass der kritische Wert für Leistungsbilanzüberschüsse bei 6 % des BIP, der für Defizite aber schon bei -4 % liegt. Diese Asymmetrie wird von deutscher Seite mit der Argumentation untermauert, nur Länder mit Leistungsbilanzdefiziten seien in der Vergangenheit von spekulativen Attacken heimgesucht worden.

c) Wie weiter oben schon erwähnt, betrifft ein wichtiger Aspekt der deutsch-französischen EWWU-Debatte die Frage, ob ein gewisser Grad an Symmetrie makroökonomischer Anpassungen in der EWWU angestrebt und schriftlich fixiert werden sollte bzw. könnte. Dies stellt eine konstante Forderung der französischen Seite seit spätestens 1974 dar. Man denke nur an die Vision Valéry Giscard d’Estaings eines auf der Korbwährung ECU basierenden EWS (die von Bundeskanzler Helmut Schmidt unterstützt wurde) und den Beginn der EWWU-Debatte durch Frankreich (und Italien) mit dem Ruf nach Nachfrage-Stimulierung in Deutschland, als der deutsche Leistungsbilanzüberschuss stetig wuchs und an den Fourcade-Plan für symmetrischere Interventionsregeln im Rahmen der Währungsschlange. Aber letztendlich wurde die EWWU asymmetrisch ausgestaltet, um eine Konvergenz zur besten und nicht zur durchschnittlichen Performance zu gewährleisten.

d) Euro-Plus-Pakt: Im Frühjahr 2011 einigten sich die Euroländer sowie einige weitere EU-Länder auf Initiative v. a. der deutschen Bundesregierung auf die Selbstverpflichtung, einmal jährlich konkrete nationale Ziele und Maßnahmen zur Förderung von Wettbewerbsfähigkeit, Beschäftigung, Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen und Finanzstabilität zu benennen – und sich an der Umsetzung dieser Ziele messen zu lassen.

II. Rechtlich

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1. Entstehung

Die EWWU wurde mit Wirkung zum 1.11.1993 von den damals zwölf europäischen Mitgliedstaaten durch den in Maastricht geschlossenen EUV geschaffen. Ihr Grundkonzept beruhte auf Vorarbeiten eines Ausschusses unter Leitung des damaligen Präsidenten der Kommission Jacques Delors aus den Jahren 1988/89, der wiederum auf Überlegungen im Werner-Plan (1970) zurückgreifen konnte. Die Ziele waren, den Europäischen Binnenmarkt um eine gemeinsame Währung zu ergänzen und zugleich ein politisches Signal zu setzen, dass die Mitgliedstaaten um der „immer engeren Union der Völker Europas“ (Art. 2 Abs. 2 EUV) willen auf ihre Hoheitsrechte im Bereich der Währungspolitik verzichten. Das deutsche Zustimmungsgesetz zum Vertrag von Maastricht war nach Ansicht des BVerfG verfassungsgemäß. Allerdings betonte das BVerfG, dass die EWWU als Stabilitätsgemeinschaft konzipiert sei, die Grundlage und Gegenstand des deutschen Zustimmungsgesetzes sei. Konstitutive Elemente dieser Stabilitätsgemeinschaft sind das vorrangige Gebot der Preisstabilität, das Verbot der monetären Haushaltsfinanzierung, die Eigenständigkeit der nationalen Haushalte, das Verbot der direkten oder indirekten Vergemeinschaftung von Staatsschulden und die Stabilitätskriterien für eine tragfähige Haushaltswirtschaft.

Die Einführung der EWWU erfolgte in drei Stufen. Die erste Stufe, die den Zeitraum vom 1.7.1990 bis zum 31.12.1993 umfasste, diente v. a. der vollständigen Einführung des freien Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten. In der zweiten Stufe vom 1.1.1994 bis zum 31.12.1998 wurde das EWI als Vorgängerin der EZB gegründet, das die Vorbereitungen für die Einführung der dritten Stufe traf. Zugl. traten die primärrechtlichen Regelungen zur wirtschaftspolitischen Koordinierung und zur haushaltspolitischen Disziplinierung der Mitgliedstaaten in Kraft. Der Eintritt in die dritte Stufe zum 1.1.1999 erfolgte zunächst nur für die elf Mitgliedstaaten, für die der Rat der Europäischen Union zuvor positiv festgestellt hatte, dass sie die vom europäischen Primärrecht vorgesehenen Konvergenzkriterien erfüllten. Die EZB übernahm die Zuständigkeit für die Geldpolitik für die neue einheitliche Euro-Währung. Die Währungen der teilnehmenden Mitgliedstaaten wurden anhand zuvor festgelegter Umrechnungskurse durch den Euro ersetzt. Zwischen dem 1.1.1999 und dem 31.12.2001 existierte der Euro zunächst nur als Buchgeld, während die Stückelungen der nationalen Währungen (Münzen und Geldscheine) rechtlich als Denominationen des Euro behandelt wurden. Euro-Münzen und Euro-Geldscheine wurden erst ab 1.1.2002 in Verkehr gebracht. Die Euro-Zone wurde mit dem Beitritt Griechenlands im Jahr 2002 um ihr zwölftes Mitglied erweitert und wuchs bis zum Jahr 2015 auf 19 der aktuell 27 Mitgliedstaaten an.

2. Räumliche Geltung

Die Unionsverträge beruhen auf dem Grundsatz, dass alle Mitgliedstaaten der EWWU beitreten und insoweit auch den gleichen haushalts- und währungsrechtlichen Vorgaben unterliegen. Sonderregelungen gelten, nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs, nur für Dänemark, das sich auf primärrechtliche Ausnahmen in Protokollen zu den Verträgen berufen kann. Es befindet sich rechtlich noch in der zweiten Stufe der EWWU, könnte aber jederzeit beantragen, seinen Sonderstatus aufzugeben und dann als Kandidat zur Aufnahme in den Euroraum behandelt werden. Diesen Kandidatenstatus (Pre-Ins) genießen zunächst auch alle nachträglich beigetretenen Mitgliedstaaten. Nach der Terminologie der Verträge sind sie „Mitgliedstaaten mit Ausnahmeregelung“ (Art. 139 Abs. 1 AEUV). Bevor der Rat positiv über ihren Beitritt beschließt (Art. 140 Abs. 2 AEUV), müssen sie die Unabhängigkeit ihrer nationalen Zentralbank im innerstaatlichen Recht hergestellt haben und die vertraglichen Konvergenzkriterien erfüllen. Dabei handelt es sich um die Erreichung eines hohen Grades an Preisstabilität, eine auf Dauer tragbare Finanzlage der öffentlichen Hand, die Einhaltung der normalen Bandbreiten des Wechselkursmechanismus des EWS und das Niveau der langfristigen Zinssätze (Art. 140 Abs. 1 AEUV). Nähere Definitionen dieser Kriterien finden sich im dem Primärrecht zugehörigen Protokoll über die Konvergenzkriterien. Die Beschränkung auf diese vier Kriterien ebenso wie die mit ihrer Anwendung verbundenen weiten Beurteilungsspielräume zeigen deutlich, dass die Mitgliedschaft in der EWWU auf einer hochgradig politischen Entscheidung beruht. Gesichtspunkte der realen wirtschaftlichen Konvergenz der Mitgliedstaaten, z. B. hinsichtlich der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und der Struktur der Arbeitsmärkte, finden dagegen nur am Rande Berücksichtigung. Eine Besonderheit des Verfahrens besteht zudem darin, dass sich einzelne Mitgliedstaaten dem Beitritt entziehen können, indem sie nicht am Wechselkursmechanismus II teilnehmen. Dabei handelt es sich um ein System fester Wechselkurse, die durch Vertrag zwischen der EZB und den nationalen Zentralbanken der Beitrittsstaaten vereinbart werden. Da die Teilnahme an diesem Mechanismus nach Auffassung des Europäischen Rates freiwillig ist, soll es sich nicht um eine Rechtsverletzung handeln, wenn eine nationale Zentralbank entweder nicht teilnimmt oder keine Leitkursvereinbarung trifft.

Nach erfolgtem Beitritt eines Mitgliedstaats sehen die Verträge kein Verfahren zur Suspendierung der Mitgliedschaftsrechte oder gar zu einem Austritt aus der EWWU, sondern nur aus der Union im Ganzen vor (Art. 50 EUV). Insoweit wäre eine Änderung der Verträge nach Art. 48 Abs. 6 EUV notwendig, die aber langwierig ist und die Zustimmung aller Mitgliedstaaten erfordert. Immer wieder wurde auch die Möglichkeit eines Austritts auf Grundlage eines völkerrechtlichen Kündigungsrechts (clausula rebus sic stantibus) oder europarechtlich im Wege eines actus contrarius durch Beschluss des Rates analog Art. 140 AEUV diskutiert. Selbst wenn es diese Möglichkeit geben sollte, führt die Entscheidung für eine Loslösung aus der EWWU zu komplizierten Folgefragen, für die mangels historischer Vorbilder keine passfertigen Antworten vorliegen. Sie betreffen die Abwicklung von Forderungen zwischen den Zentralbanken des Eurosystems im Rahmen des Zahlungssystems TARGET und die Umstellung von öffentlich-rechtlichen wie privatrechtlichen Forderungen, die bislang in Euro denominiert waren, auf eine neue, nationale Währung. Damit verbunden sind wiederum eigentumsrechtliche Fragen, wenn die neue Währung gegenüber dem Euro abwertet. Im Falle des Austritts eines Mitgliedstaats, der zuvor bilaterale und multilaterale Finanzhilfen in Anspruch genommen hat, müsste ggf. über die Restrukturierung der Gläubigerforderungen verhandelt werden.

3. Haushaltsrechtliche Pflichten der Mitgliedstaaten

Die Unionsverträge beruhen auf der Trennung von staatlicher Haushaltspolitik und gemeinschaftlicher Währungspolitik. Sie kommt darin zum Ausdruck, dass die Zuständigkeit für die Haushaltspolitik im autonomen Verantwortungsbereich der Mitgliedstaaten verbleibt, während die Währungspolitik zum ausschließlichen Zuständigkeitsbereich der Union gehört. Eigenverantwortlich entscheiden die Mitgliedstaaten über Art und Umfang ihrer Einnahmen und legen fest, für welche öffentlichen Aufgaben und in welcher Höhe sie im Staatshaushalt Ausgaben veranschlagen. Europarechtliche Einflüsse ergeben sich auf der Einnahmenseite allein aus der sekundärrechtlichen Steuerharmonisierung (Art. 113, 115 AEUV), auf der Ausgabenseite durch das Beihilfenrecht. Die Verträge begrenzen jedoch das Maß der zulässigen öffentlichen Verschuldung nach Art. 126 AEUV, um von der fiskalischen Seite die Stabilität der EWWU zu schützen und damit zugleich die Unabhängigkeit der Geldpolitik zu sichern. Die wirtschaftspolitische Koordinierung der Mitgliedstaaten nach Art. 121 AEUV entfaltet dagegen nur geringe Steuerungskraft auf haushaltspolitische Entscheidungen, zumal die hiermit verbundenen Empfehlungen des Rates rechtlich unverbindlich sind.

Doch auch die von Art. 126 AEUV vorgesehene Begrenzung des Defizits auf 3 % und des Schuldenstands auf 60 % des BIP eines Mitgliedstaats erwies sich bislang nicht als hinreichendes Instrument zur Bewältigung der Gefahren, die von einer nicht mehr tragfähigen Verschuldung ausgehen können. Denn die Verträge überantworten die Durchsetzung dieser Verschuldungsgrenzen der Europäischen Kommission, die einerseits über nur schwache Sanktionsrechte und andererseits über sehr weite Beurteilungsspielräume verfügt. Der sogenannte Stabilitäts- und Wachstumspakt, der auf zwei Verordnungen beruht und im Zuge der Staatsschuldenkrise durch weitere Verordnungen zur Überwachung der Haushaltsdisziplin und makroökonomischer Ungleichgewichte (Sixpack und Twopack) ergänzt wurde, ändert an der geringen politischen Durchsetzungskraft der Verpflichtungen nichts. Über echte Durchgriffsrechte auf haushaltspolitische Entscheidungen in den Mitgliedstaaten verfügt die Kommission nicht. Überaus zweifelhaft sind auch die realen Wirkungen des auf völkerrechtlicher Grundlage vereinbarten „Vertrags über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion“ (Fiskalpakt) vom [2.3.2012 2.3.2012], der eine dem deutschen Verfassungsrecht vergleichbare Schuldenbremse vorsieht.

Die haushaltspolitische Autonomie bringt an sich eine umfassende Eigenverantwortung der Mitgliedstaaten für die Folgen ihrer haushaltspolitischen Entscheidungen mit sich. Das Bail-out-Verbot nach Art. 125 AEUV sichert diesen Grundsatz ab, da kein Mitgliedstaat die Lasten aus seinen finanziellen Verbindlichkeiten auf andere Mitgliedstaaten oder die Union überwälzen kann. Der Vorschrift liegt der Zweck zugrunde, eine marktkonforme Verschuldung der Mitgliedstaaten in der EWWU durchzusetzen, da die Kapitalmärkte (Geld- und Kapitalmarkt) als Disziplinierungsinstrument wirken sollen, indem sie eine unsolide Haushaltspolitik durch Risikoaufschläge auf die Zinsen für Staatsanleihen sanktionieren. Dieses Grundkonzept erfuhr infolge der Schuldenkrise eine wesentliche Ausnahme für die Fälle, in denen die Finanzstabilität im Euroraum insgesamt gefährdet ist (Art. 136 Abs. 3 AEUV).

4. Rechtliche Maßstäbe der Währungspolitik

Die Währungspolitik, die nach Art. 3 Abs. 1 c AEUV zu den ausschließlichen Zuständigkeiten der Union zählt, umfasst die der EZB anvertraute Geldpolitik und die dem Rat zugewiesene Währungsaußen- bzw. Wechselkurspolitik nach Art. 138 und 219 AEUV. Gegenstand der Geldpolitik ist die Versorgung der Volkswirtschaft im Euroraum mit Buchgeld und Bargeld. Art. 127 Abs. 1 AEUV verpflichtet die EZB, dabei vorrangig das Ziel der Preisstabilität zu verfolgen. In zulässiger Konkretisierung der primärrechtlichen Vorgabe versteht die EZB hierunter eine mittelfristige Preissteigerung von 2 %. Soweit sie das Ziel der Preisstabilität nicht gefährdet, darf die EZB zudem die Wirtschaftspolitik in der Union unterstützen. Alle geldpolitischen Maßnahmen der EZB müssen einheitlich im Euroraum gelten und dürfen nicht auf die spezifischen volkswirtschaftlichen Bedürfnisse einzelner Mitgliedstaaten zielen. Eine Ausnahme erfuhr dieser Grundsatz bislang durch den sog. OMT-Beschluss der EZB im Jahr 2012, dessen Rechtsmäßigkeit der Europäische Gerichtshof (EuGH) später bejahte. Umstritten ist, ob und in welchem Umfang die EZB zudem einen Beitrag zur Stabilität des Finanzsystems leisten darf. Da die EZB wie alle Organe der Union dem Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung unterliegt, darf sie nur innerhalb des durch die Verträge und die – ebenfalls dem Primärrecht angehörende – Satzung des ESZB gezogenen Rahmens handeln. Dieser Rahmen wird durch das Verbot des Art. 123 Abs. 1 AEUV verstärkt, wonach die Zentralbanken weder den Mitgliedstaaten noch den Unionsorganen oder dem ESM Darlehen zur Verfügung stellen oder von ihnen begebene Anleihen unmittelbar erwerben dürfen. Das Verbot der monetären Haushaltsfinanzierung führt dazu, dass Offenmarktgeschäfte der Zentralbanken auf den Primärmärkten für öffentliche Anleihen, also der Erwerb direkt vom staatlichen Emittenten, ausnahmslos verboten sind. Auf den Sekundärmärkten, auf denen der Handel im Anschluss an die Emission stattfindet, gilt dagegen nur ein Umgehungsverbot. Der EuGH hat daraus das Verbot an die EZB abgeleitet, dass die Sekundärmarktkäufe in der Praxis wie ein unmittelbarer Erwerb auf dem Primärmarkt wirken oder dass den Mitgliedstaaten der Anreiz genommen wird, eine gesunde Haushaltspolitik zu verfolgen.

In instrumenteller Hinsicht setzt die EZB ihre Geldpolitik durch Geschäfte mit Kreditinstituten des Euroraums um, um den kurzfristigen Geldmarktzins zu beeinflussen. Sie schließt mit ihnen besicherte Darlehensverträge oder Repogeschäfte ab oder kauft und verkauft Devisen, Gold und marktgängige Wertpapiere. Die Abwicklung dieser Geschäfte erfolgt über Konten bei der EZB und den nationalen Zentralbanken sowie über das Zahlungssystem TARGET 2. Die EZB kann zudem Mindestreservepflichten der Banken festlegen. Im Bereich der Bargeldemission verfügt die EZB über das ausschließliche Recht, die Ausgabe von Euro-Banknoten zu genehmigen. Das Münzregal liegt dagegen bei den Mitgliedstaaten, für dessen Inanspruchnahme die EZB quantitative Obergrenzen und Vorschriften über die Stückelung und technischen Spezifikationen erlässt.

5. Funktionsweise des Eurosystems

Dem Eurosystem gehören die EZB und die nationalen Zentralbanken der Mitgliedstaaten an, die den Euro als Währung eingeführt haben. Alle diese Zentralbanken genießen sachlich-funktionale Unabhängigkeit in Gestalt der Weisungsfreiheit gegenüber den Mitgliedstaaten und den anderen Unionsorganen (Art. 130 AEUV). Die Unabhängigkeit soll eine strikt auf die rechtlichen Vorgaben des Unionsrechts ausgerichtete Geldpolitik ermöglichen. Verbunden damit sind indes auch Beurteilungs- und Entscheidungsspielräume der EZB. Innerhalb des Eurosystems trifft die EZB die geldpolitischen Beschlüsse und erlässt Verordnungen sowie Leitlinien. Die Durchführung der geldpolitischen Vorgaben obliegt grundsätzlich den nationalen Zentralbanken nach dem Schlüssel ihrer Kapitalquoten an der EZB. Zudem beteiligt sich die EZB am Gesamtvolumen der von ihr beschlossenen geldpolitischen Geschäfte mit einem Anteil von 8 %.

Das zentrale Beschlussorgan der EZB ist der EZB-Rat, in dem die Präsidenten der nationalen Zentralbanken mit gleicher Stimme vertreten sind. Seit dem 1.1.2015 ist die Zahl ihrer Stimmrechte auf 15 begrenzt, was zur Folge hat, dass die Stimmrechte im Monatswechsel rotieren. Dem EZB-Rat gehören auch die sechs Mitglieder des EZB-Direktoriums an, die über unbeschränkte Stimmrechte verfügen. Das Direktorium bildet das zweite Beschlussorgan, dessen Mitglieder einschließlich des Präsidenten von den Mitgliedstaaten für eine Amtszeit von acht Jahren ernannt werden. Das Direktorium bereitet die geldpolitischen Beschlüsse des EZB-Rats vor und überwacht ihre Durchführung durch die nationalen Zentralbanken.

6. Krisenbewältigung

Mit dem Ausbruch der Schuldenkrise im Euroraum zum Jahresende 2009 begann eine Zeit juristisch wie ökonomisch umstrittener Maßnahmen mit dem Ziel, die Krisenfolgen einzudämmen und die Ursachen zu bekämpfen. Auf die schweren fiskalischen Probleme der Krisenstaaten reagierten die Mitgliedstaaten zunächst mit bilateralen Hilfskrediten, dann mit multilateraler Hilfe durch die neu geschaffene EFSF. Als sich ihre Wirkung als unzureichend erwies, gründeten die Euro-Mitgliedstaaten 2012 den auf Dauer angelegten ESM. Der Streit um die rechtliche Vereinbarkeit dieser Maßnahmen mit dem Bail-out-Verbot des Art. 125 AEUV wurde durch die Neueinfügung von Art. 136 Abs. 3 AEUV und Entscheidungen des EuGH wie des BVerfG beigelegt. Tragende Gesichtspunkte waren die Notwendigkeit zur Bekämpfung schwerer Krisen des Finanzsystems und die Vergabe von quantitativ begrenzten Hilfen unter strikten Auflagen zur Haushaltssanierung. Zu den Krisenbekämpfungsmaßnahmen zählte ferner die Schaffung der Bankenunion im Jahr 2014, die mit der Übertragung von weitreichenden aufsichtsrechtlichen Zuständigkeiten über Kreditinstitute auf die EZB (Single Supervisory Mechanism) und der Schaffung eines einheitlichen Abwicklungsmechanismus verbunden war. Beide Mechanismen wurde später vom BVerfG als verfassungsgemäß eingestuft. Auf geldpolitischer Ebene begleitete die EZB seit dem Jahr 2010 die Rettungsmaßnahmen mit verschiedenen Wertpapierkaufprogrammen, die auch den Erwerb von Staatsanleihen der Krisenstaaten einschlossen. Das nie vollzogene, aber besonders umstrittene OMT-Programm aus dem Jahr 2012 wurde mit der Notwendigkeit begründet, den geldpolitischen Transmissionsmechanismus in den betroffenen Mitgliedstaaten wiederherzustellen, was der EuGH für rechtmäßig erachtete. Schrittweise beginnend mit dem Jahr 2014 verfolgte die EZB eine neue Strategie. Diese sog.e unkonventionelle Geldpolitik umfasste negative Einlagenzinsen, gezielte langfristige Darlehensgeschäfte mit den Kreditinstituten und neue Formen der öffentlichen Kommunikation (forward guidance). Im Mittelpunkt standen jedoch umfangreiche Wertpapierkäufe durch die Zentralbanken des Eurosystems. Im Verbund mit den anderen Maßnahmen zielten sie darauf, auf längere Sicht die Inflationserwartungen und zugleich das Niveau der langfristigen Zinsen niedrig zu halten. Die Käufe erstreckten sich schwerpunktmäßig auf Anleihen öffentlicher Emittenten im Rahmen des sog. Public Sector Purchase Programme (PSPP), das erneute juristische Auseinandersetzungen auslöste. Auf eine Vorlage des BVerfG hin entschied der EuGH im Jahr 2018, dass auch dieses Programm mit den Verträgen vereinbar war. Zur Begründung verwies der EuGH auf die von der EZB verfolgte Zielsetzung, den andauernden Deflationsrisiken entgegenzutreten, um das Ziel der Preisstabilität anhand des 2 % Ziels zu erreichen. In seiner Entscheidung vom 5. Mai 2020 verweigerte das BVerfG – erstmals in seiner Rechtsprechung – die Befolgung der unionsrechtlichen Vorgaben. Es stellt darauf ab, dass weder die EZB noch der EuGH eine hinreichende Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme vorgenommen hätten. Hierin erblickte es einen Übergriff in die wirtschaftspolitische Zuständigkeit der Mitgliedstaaten und damit einen offensichtlichen und schwerwiegenden Verstoß gegen die Kompetenzordnung der EU (ultra-vires). Der dadurch begründete Konflikt um den Vorrang des Unionsrechts löste eine europäische Verfassungskrise aus. Sie wurde in zwei Stufen vorläufig beigelegt. Zum einen zog das BVerfG in einer Folgeentscheidung seine Anforderung zurück, wonach der EZB-Rats erneut durch einen Beschluss die Verhältnismäßigkeit der Käufe begründen müsse und ließ die durch die Bundesbank vorgelegten Protokolle einer Ratssitzung vom 3. und 4. Juni 2020 genügen. Zudem beruhigte sich der Streit, nachdem ein von der Kommission eröffnetes Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingestellt wurde. Die Fortsetzung der schweren wirtschaftlichen Krisen in Gestalt der Corona-Pandemie seit Februar 2020 löste auch geldpolitische Reaktionen aus. Die EZB beschloss im März 2020 das Pandemic Emergency Purchase Programme (PEPP), das gegenüber PSPP die Bedingungen noch weiter erleichterte und zu einem weiteren Anstieg des Volumens der Wertpapierkäufe führte. Eine gerichtliche Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Programms steht noch aus. Eine geldpolitische Wende erfolgte im Juli 2022 als Folge des Preisniveauanstiegs auf durchschnittlich 10% im Euroraum. Die EZB hob erstmals die Leitzinsen wieder an und beseitigte damit auch die negativen Einlagenzinsen. Zugleich führte sie das sog.e Transmission Protection Instrument (TPI) ein, das im Falle des Auftretens einer erneuten schweren Krise dazu dienen soll, die Funktionsweise des (dann möglicherweise) gestörten geldpolitischen Transmissionsmechanismus sicherzustellen.