Dogmatik

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  1. I. Juristisch
  2. II. Theologisch

I. Juristisch

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1. Funktion

Rechts-D. ist eine bestimmte Arbeitsweise von Rechtswissenschaft und Rechtspraxis einschließlich der so erzielten Ergebnisse. Recht als normative zwangsbewehrte Sollensordnung ist stets anwendungsorientiert. Auch die Rechtswissenschaft besitzt im Kern und im Ausgangspunkt eine praktische Aufgabe. Im Recht sind politische Entscheidungen in Rechtsnormen gegossen, um soziale Konflikte (Soziale Konflikte) friedlich, aber verbindlich mit juridischer Sachlogik entscheidbar zu machen. Im demokratischen-parlamentarischen Verfassungsstaat handelt es sich um eine demokratisch legitimierte Steuerung der Gesellschaft durch Rechtsnormen. Diese Steuerung nimmt von vornherein den großen Bogen von der generell-abstrakten Norm zur Einzelanwendung und Einzeldurchsetzung in Bezug. Auch die Rechtsanwendung, die Methodik des Umgangs mit den Rechtsnormen, gehört zum Modell demokratischer Selbstgesetzgebung. Der demokratische Verfassungsstaat würde sich seiner Steuerungs- und Gestaltungsoptionen begeben, hätte er keinerlei Einfluss auf die Rechtsverwirklichung im Einzelfall. Für Rechts-D. und Rechtsmethodik gibt es, anders als für die Rechtsetzung, keine expliziten Regelungen. Von berühmten Ausnahmen abgesehen (Art. 1 schweizerisches ZGB; § 46 der Einleitung zum PrALR) ist es unüblich, dass der Gesetzgeber die Methodik der Rechtsanwendung statuiert. Methodik meint hier einerseits Auslegungs- und Anwendungsregeln, andererseits auch die Art und Weise, wie die gefundenen Ergebnisse verarbeitet, systematisiert, anwendungsbezogen aufbereitet werden. Diese Methodik und die anwendungsorientierte D. werden sowohl von der Verfassung als auch von den einfachen Gesetzen (Gesetz) vorausgesetzt. Das wird bei der in Deutschland üblichen autonomen, allein wissenschaftstheoretischen Behandlung von Methodenfragen tendenziell vernachlässigt. Die durch die juristische Methodik, durch die Sachlogik des Rechts evozierte juridische Rationalität ist notwendige Bedingung des Rechtsmodells, das unsere Verfassung voraussetzt und aufnimmt. Die Rechts-D. bestimmt nach wie vor die Tätigkeit der Juristen – in der Wissenschaft, wie in der Praxis. Das gilt zumindest für Deutschland und den deutschsprachigen Rechtskreis, wo sich die Rechtswissenschaft als Teil, als Akteur des Rechtssystems versteht.

2. Begriff

Vor diesem Hintergrund ist juristische D. durch sechs durchaus nicht spannungsfreie Kennzeichen charakterisiert:

(1.) D. ist auf Anwendungsbezug ausgerichtete methodisch konsentierte Aufbereitung der geltenden generell-abstrakten Normen (Norm) für Einzelfallentscheidungen; Rechts-D. beantwortet die Frage, was in bestimmten Situationen als Recht gilt, sie befasst sich mit der Normativität des Rechts in einem Modell richterlicher Entscheidungsfindung. Rechtsnormbindung und Entscheidungszwang werden so verkoppelt; dabei wird sogleich der Zwang, in einer Vielzahl von Fällen entscheiden zu müssen, berücksichtigt. Gerade hier sind die durch Rechts-D. zu erwartenden Konsistenten wie Rechtssicherheit, Berechenbarkeit, Verlässlichkeit usw. entscheidend. Rechts-D. besitzt insoweit Entlastungsfunktion, da sie die ständige Neuvergewisserung über bestimmte Grundannahmen erübrigt; sie macht Vorschläge für die Gestaltung von Recht, sofern sie von der Wissenschaft betrieben wird; wird sie von Richtern (Richter), Verwaltungsbeamten oder sonst kompetenziell Ermächtigten betrieben, führt sie u. U. auch zur Rechtserzeugung;

(2.) D. macht durch die Strukturierung des Rechtsstoffes diesen verstehbar, denn sie besitzt eine didaktische, eine Verständigungsfunktion. Sie ist nicht nur Interpretation, Auslegung, Konkretisierung, sondern geht mit Ansprüchen von Systembildung und ähnlichem darüber hinaus. Sie stellt auf einer mittleren Abstraktionsebene zwischen den Rechtstexten und Entscheidungen einerseits, der außerhalb des Rechtssystems stehenden Reflektion über Recht andererseits, das geltende Recht systematisch dar; sie ist damit zugleich Erkenntnisverfahren wie eine Summe von Begriffen, Lehrsätzen und Rechtsinstituten; die Methodik der Auslegung zählt zur D.; D. ist dabei als solche jedoch nicht Rechts-, sondern Rechtserkenntnisquelle;

(3.) D. ist rechtsnormakzessorisch und kann sich im demokratischen Verfassungsstaat nicht gegen klare Entscheidungen des Gesetzgebers wenden. Der Gesetzgeber kann vielmehr dogmatische Konzeptionen, welche die Rechtsanwendung prägen, durch Gesetzesänderung ausschalten; andersherum kann D. auch die Gesetzgebung beeinflussen – dies obliegt jedoch der Entscheidung des Gesetzgebers; nicht entscheidend ist, ob Gesetze in Form einer Kodifikation oder in sonstiger Form vorliegen;

(4.) D. bewegt sich „im“ Rechtssystem, ist als wissenschaftliche Tätigkeit oder als entwerfende Praxis aber als solche grundsätzlich nicht rechtserzeugend, da erst durch kompetenziell ermächtigte Mitglieder des Rechtsstabes verbindliche Entscheidungen generiert werden;

(5.) D. ist dynamisch, auf Veränderung auch unabhängig von Veränderungen der zugrundeliegenden Rechtsnormen angelegt; neue Erkenntnisse können die D. stets verändern; denn als unumstößlich gelten nur theologische Dogmen, wobei die Geschichte zeigt, dass auch diese zeit- und kontextabhängig sind;

(6.) eine „aufgeklärte“ D. hat Begriffsjurisprudenz, Logizismen und rein formal-logische Ableitungszusammenhänge überwunden, macht vielmehr die stets notwendigen Wertungen systematisch deutlich und überhaupt erkennbar. Sie nimmt auch Erkenntnisse aus den rechtswissenschaftlichen Grundlagendisziplinen zur Kenntnis und verarbeitet sie insoweit, als dies die zugrundeliegenden Rechtsnormen bzw. die D. selbst gestatten; das Ringen um eine angemessene D. stellt selbst dogmatisches Streben dar.

3. Entwicklung

In der Philosophie Gottfried Wilhelm Leibniz’, Christian Wolffs und Immanuel Kants wird „dogmatisch“ als Gegenbegriff zu „historisch“ verstanden. Die historische Rechtsschule (Historische Rechtsschule) seit Gustav Hugo unterschied zwischen dem „Gesetz“ und „dogmatischen Sätzen“, die der Darstellungsweise und dem Inhalt nach auseinander zuhalten waren. Die Abgrenzung zwischen historischem und dogmatischem Arbeiten am Recht war jedoch lange unklar und schwankte. Paradigmatisch dafür ist das Werk Friedrich Carl von Savignys, der ein modernes Zivilrecht als „System des heutigen römischen Rechts“ entwarf. Als Begründer der modernen Rechts-D. gilt für den deutschsprachigen Raum Rudolf von Jhering. Nach seinem Verständnis ist D. der „Inhalt“ in Abgrenzung zu Methode und Geschichte des Rechts. Dogmatisches Arbeiten zielt für ihn stets auf die Praxis des Rechts. In expliziter Abgrenzung etwa zur frühen historischen Rechtsschule und zum „Rechtshistoriker Savigny“ ist sein Rechtsverständnis im Anschluss an den „Juristen Savigny“ nicht primär historisch ausgerichtet. R. von Jhering bezeichnet als den Gegenstand und die Aufgabe der dogmatischen Arbeit, „das Recht selbst“, als positives Recht im Sinne von Material sowie den zugehörigen Konstruktionen, „produktiv“ und nicht nur „rezeptiv“ zum System auf eine höheren Stufe zu führen. Vor diesem Hintergrund besteht die Tendenz, zwischen „Gesetz“ und „dogmatischen Sätzen“ zu unterscheiden.

Dieses Konzept von Rechts-D. entsteht in einer konkreten historischen und wissenschaftgeschichtlichen Situation: im sich industrialisierenden konstitutionellen Staat des 19. Jh. und seiner zunächst noch pandektistisch geprägten Rechtswissenschaft. Die frühen Dogmatiker sahen sich einerseits einem überkommenen, fragmentarischen Korpus zivilrechtlicher Rechtssätze und Institute des überlieferten, dabei aber vielfach modifzierten „römischen“ Rechts gegenüber, andererseits waren sie in die Diskussion, Kritik und Entwicklung moderner kodifikatorischer Zivilrechtsgesetzbücher eingebunden. Der staatsrechtlich-verfassungsgeschichtliche Hintergrund war sowohl in Deutschland und seinen Territorien als auch in Österreich das vom monarchischen Prinzip beherrschte konstitutionelle Staatsrechtssystem (Konstitutionalismus). Die Kodifikationen bedurften darin zwar der Zustimmung der Volksvertretungen, sofern sie „Eingriffe in Freiheit und Eigentum“ evozierten; die stark expertokratisch geprägten Gesetzgebungsvorgänge entsprachen jedoch kaum dem Ideal demokratischer Rechtsetzung eines demokratischen Verfassungsstaates moderner Prägung. V. a. sollten sowohl die noch nicht kodifizierten, besonders dann die kodifizierten Regelungswerke die systematische Erwartung eines mehr oder minder geschlossenen Zivilrechtssystems für die entfaltete bürgerliche Gesellschaft erfüllen. Die zivilrechtlichen Kodifikationen griffen maßgeblich auf die zuvor entwickelte D. zurück, es bestand insofern eine Wechselbeziehung zwischen Gesetzgebung und D. Der Gesetzgeber musste sich bei der Setzung seiner Regelungen geradezu auf das bestehende dogmatische System einlassen, damit das Gesetz in einer dogmatisch sozialisierten Praxis verstanden und angewendet werden konnte. Wichtig erscheint zudem, dass es sich um zivilrechtliche Kodifikationen handelt, also einen Rechtsstoff, der staatlicherseits zur privatautonomen Handlung der Gesellschaft mit staatlichem Rechtsschutzversprechen und staatlicher Durchsetzungsmacht (Staat) zur Verfügung gestellt wird. Die Dogmatisierung des etwa gleichzeitig entstehenden modernen Verwaltungsrechts erfolgte neben der Leistung Otto Mayers vorrangig durch die Rechtsprechung, auf dem Gebiet des Polizeirechts etwa des preußischen OVG.

Diese Entstehungsbedingungen begrenzen sogleich die „Objektivität“ von Recht und D. und es lässt sich vermuten, dass in anderen politisch-sozialen Kontexten sich auch Recht – und damit akzessorisch verbunden D. – wandeln kann. An der Jheringschen Konzeption, die nicht exakt dem heutigen Bild und der heutigen D. entspricht, werden bereits Probleme deutlich: D. darf sich zum Gesetz nicht in Widerspruch setzen; die D. zielt auf Systematisierung und letztlich auf ein System; die D. will sich bewusst von den historischen Wurzeln des geltenden Rechts emanzipieren, wie dies später in den durchaus traditionsabschneidenden Kodifikationen positivrechtlich gesetzt wird. Beide Anliegen R. von Jherings sind nur bedingt möglich. Das leitet zu den Problemen der Gegenwart mit Rechts-D. zurück.

4. Perspektiven

Rechtswissenschaft ist nicht gleich Rechts-D. Das Betreiben von Rechts-D. stellt zwar den Schwerpunkt rechtswissenschaftlicher Forschung in Deutschland dar, Rechtswissenschaft erschöpft sich jedoch nicht in Rechts-D. Rechtswissenschaft ist richtigerweise als ein Sammelkonzept unterschiedlicher disziplinärer Zugänge zum Erkenntnisgegenstand „Recht“ zu verstehen, wird demnach nach dem Gegenstand, nicht nach der Methode bestimmt und abgegrenzt. Rechtswissenschaft sollte sich von vornherein durch einen Perspektivenpluralismus in Bezug auf das Recht auszeichnen. Das rechtsdogmatische Arbeiten mit dem geltenden Rechtsstoff bildet die Anwendungsorientierung als Proprium von Rechtswissenschaft ab. Damit hängt die enge Verbindung zwischen dogmatisch arbeitender Rechtswissenschaft und obergerichtlicher Rechtsprechung in Form der Begründung von Judikaten zusammen. In der deutschen Tradition sind die (Ober-)Gerichte bemüht, ihre Entscheidungsbegründungen an die rechtswissenschaftliche Erkenntnis rückzukoppeln. Man kann dies als einen – faszinierenden, weil international seltenen – Fall eines tatsächlich ergebnisrelevanten rechtswissenschaftlichen Diskurses zwischen der echten Rechtserzeugung (im Kelsenschen Sinne) mittels verbindlich entscheidender Gerichte und der lediglich unverbindliche Vorschläge konzipierenden und demnach nicht im engeren Sinne rechtserzeugend tätigen Rechtswissenschaft beschreiben. Die historisch wie aktuell prägende Anwendungsbezogenheit der deutschen Rechtswissenschaft wird hier fassbar. Nur die dogmatisch arbeitende Rechtswissenschaft, d. h. die Rechtswissenschaft im engeren Sinn, nähert sich dem Recht mit einer spezifisch juristischen Methode. Daher ist es sinnlos, dogmatische und nicht dogmatische Rechtswissenschaft gegeneinander ausspielen zu wollen. Sie behandeln unterschiedliche Fragen. Kritik an der dogmatisch ausgerichteten Rechtswissenschaft klingt in dem Vorwurf an, dieses Konzept sei für Nachbarwissenschaften nicht anschlussfähig, Rechts-D. sei ein Konzept konzeptioneller Abschottung. D. führe bewusst zum „Vergessen“ der außerdogmatischen Bedingungen des Rechts. Nach dem hier vorgestellten Konzept von Rechtswissenschaft als Integrationsbegriff für die Beschäftigung mit Recht erfolgt der „Anschluss“ an Nachbarwissenschaften in den besonderen rechtswissenschaftlichen Teilgebieten (Rechtsgeschichte, Rechtsphilosophie, Rechtssoziologie, ökonomische Analyse des Rechts usw.). Diese wiederum tragen zu einem besseren Verständnis von Recht bei. Da rechtsdogmatisches Arbeiten kein statisches Vorgehen ist, da sich Rechts-D. den Impulsen der Praxis folgend ständig wandelt und fortentwickelt, sind Veränderungsimpulse aus den rechtswissenschaftlichen Randdisziplinen wie auch aus Nachbarwissenschaften üblich. Entscheidend ist, dass die Rechtsordnung (nach ihrer Interpretation) selbst entscheidet, welche Anregungen und Veränderungen aufgenommen werden können. Dem demokratischen Rechtssetzer ist es unbenommen, sich insofern zu öffnen.

5. Andere Rechtskreise

Das Modell einer dogmatisch arbeitenden Rechtswissenschaft und eines Rechtssystems variiert in anderen Rechtskreisen. Rechts-D. ist eine spezifisch deutsche Begriffsprägung. Es handelt sich um ein Konzept, dass an konkrete historische Voraussetzungen gebunden ist, die etwa im common-law-Rechtskreis (Anglo-amerikanischer Rechtskreis) nicht uneingeschränkt gegeben sind. Dies ergibt sich jedoch nicht bereits aus dem oberflächlichen Befund, dass der Terminus legal dogmatics im angelsächsischen Raum in aller Regel in pejorativem Sinne gebraucht wird. Denn in Gestalt der Arbeit von common-law-Juristen an der legal doctrine stünde durchaus ein Kandidat für ein funktionales Äquivalent zur Verfügung. So wird denn auch die These vertreten, die letztere sei nichts anderes als eine mehr oder minder unbewusste Form von D. Für den hier vertretenen Sinn von D. ist jedoch auf unüberbrückbare Unterschiede hinzuweisen: Zwar bedeutet Arbeit an legal doctrine stets auch Prinzipienbildung, doch bleibt diese stets am konkreten Fall – oder am konkreten statute – verhaftet und ist gerade nicht auf abstrakte Systembildung gerichtet. Ähnliches gilt für das französische Pendent der doctrine. Hinzu tritt im angelsächsischen Fall ein generelles Misstrauen in die Bindungskraft von Texten. Zutreffend dürfte es freilich sein, dass bestimmte Überdifferenzierungen der deutschen Rechts-D. ihre Anschlussfähigkeit im internationalen Kontext behindern. Hier stellt die Frage nach der schlichten sprachlichen Übersetzbarkeit in andere Sprachen einen pragmatischen Test dar: Was in einer gängigen Fremdsprache kaum noch erklärt werden kann, ist im „Wettbewerb der Rechtsordnungen“ von vornherein benachteiligt. Das wissenschaftliche Interesse am deutschen Recht bezieht sich demgegenüber jedoch häufig gerade auf die dogmatische Ausdifferenzierung der deutschen Rechtsordnung, weniger auf die Rechtsnormen selbst.

II. Theologisch

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1. Begriff

D. ist diejenige Teildisziplin innerhalb der systematischen Theologie, welche die Inhalte des christlichen Glaubens in ihrer Gesamtheit und Einheit unter Anerkennung ihrer normativen kirchlichen Bezeugung wissenschaftlich reflektiert. Faktisch beginnt diese Reflexion schon in frühen patristischen Gesamtdarstellungen der Glaubenslehre (z. B. Origenes, Perì archôn; Augustinus, De doctrina christiana), aber erst seit der Scholastik des 12. und 13. Jh. erfolgt sie in Gestalt einer mit explizit wissenschaftlicher Methodik vorgetragenen Theologie, die im institutionellen Rahmen der Universität ihren Ort hat. Die Bezeichnungen variieren, bis sich seit dem 17. Jh. im protestantischen wie katholischen Raum der Name „D.“ bzw. „dogmatische Theologie“ durchsetzt. Erst in die nachtridentinische Zeit fällt die schrittweise Ausdifferenzierung systematisch-theologischer Teildisziplinen, mit der die bis heute übliche Unterscheidung der D. von Fundamentaltheologie und Moraltheologie verbunden ist. Da christliche D. als auf Wahrheit ausgerichtetes Reden „über“ Gott letztlich dem Glauben „an“ Gott, der letztes Ziel des Menschen ist, dienen will, hat sie über die (primär) theoretische Dimension hinaus immer auch (sekundär) eine praktische Ausrichtung. Damit wird der eigentümliche Charakter dogmatischer Erkenntnis als „Heilswissen“ unterstrichen.

2. Aufgaben

Zu den Aufgaben der D. gehört (1.) die Erhebung und präzise Bestimmung der Glaubensinhalte aus den für sie konstitutiven Quellen, der Heiligen Schrift und ihrer lebendigen Auslegung in der kirchlichen Tradition. Die D. ist dabei auf die Vorgaben der mit einer eigenständigen Methodologie verfahrenden Schriftexegese und Dogmengeschichtsschreibung angewiesen bzw. macht sich deren historisch-kritische Arbeitsweise selbst zu eigen (vgl. die Aussagen zur dogmatischen Methode im Zweiten Vatikanischen Konzil, OT 16). Sie bewertet die so gewonnenen Erkenntnisse aber ihrerseits unter der Glaubensprämisse, dass sich Gott den Menschen aus freiem Entschluss in ihrer Geschichte auf geschichtliche Weise mitgeteilt hat und dass die Gemeinschaft der Kirche (Katholische Kirche) als lebendiges Subjekt der Überlieferung und Interpretation des Wortes Gottes in dieses Geschehen der Selbstmitteilung einbezogen ist. Die Anerkennung eines kirchlichen Lehramts als maßgeblicher, den Glaubenssinn des Gottesvolkes berücksichtigender Bezeugungsinstanz des Glaubens stellt einen wichtigen Unterschied im Selbstverständnis katholischer und protestantischer D. dar. Das erst im 20. Jh. in der katholischen D. zum Durchbruch gekommene dynamische Verständnis von Tradition ermöglicht es, Differenzen zwischen dem unmittelbaren Zeugnis der Schrift und späteren kirchlichen Lehraussagen sowie die kontingenten Faktoren in Entstehungsprozessen dogmatischer Formulierungen ernst zu nehmen, aber dennoch den vom Zweiten Vatikanischen Konzil (vgl. UR 14; LG 25) bestätigten Anspruch einer normativen Aussagbarkeit des Glaubens aufrecht zu erhalten. Die D. unterscheidet dabei „Dogmen“ im engeren Sinn, die, im Rahmen der kirchlichen Sprachgemeinschaft „definiert“, mit dem Anspruch auf Verbindlichkeit vorgelegt werden, von „dogmatischen Aussagen“ im weiteren Sinn, deren jeweilige Normativität erst in der wissenschaftlichen Diskussion zu bestimmen ist. Der D. ist es (2.) aufgetragen, den inneren Zusammenhang der einzelnen Lehraussagen unter Beachtung der in der Offenbarung selbst vorgegebenen „Hierarchie der Wahrheiten“ (Zweites Vatikanisches Konzil, UR 11) zur Darstellung zu bringen. Die Einsicht in die „Rangordnung“ dogmatischer Aussagen „je nach der verschiedenen Art ihres Zusammenhangs mit dem Fundament des christlichen Glaubens“ ist Basis aller Dialoge (Dialog) innerhalb der christlichen Ökumene und hat in neuerer Zeit Entwürfe dezidiert ökumenischer D. ermöglicht. Zu der im engeren Sinn „spekulativen“ Aufgabe der D. gehört die Ableitung von Schlussfolgerungen aus dogmatischen Basissätzen ebenso wie die Herausarbeitung von Leit- und Strukturprinzipien und die Entfaltung unterschiedlicher theologischer Schulen, deren irreduzible Vielfalt aus wissenschaftstheoretischen Gründen (Wissenschaftstheorie) stets anerkannt worden ist. Innerhalb der katholischen Theologie wurde dabei lange Zeit den Vorgaben der Kirchenväter und großen Entwürfen der Scholastik (Thomas von Aquin, Johannes Duns Scotus, Francisco Suárez u. a.) normative Leitfunktion zuerkannt; nach Auflösung der Neuscholastik ab Mitte des 20. Jh. sind diese Schulbindungen in ihrer traditionellen Form kaum noch von Bedeutung. Sofern mit einer systematischen Darstellung die Konsistenz, rationale Zugänglichkeit und Kommunikabilität der christlichen Glaubenslehre verdeutlicht wird, hat der dogmatische intellectus fidei implizite Relevanz für die Selbstrechtfertigung des Glaubens vor den Anfragen der philosophischen Vernunft (Vernunft – Verstand), der sich in ausdrücklicher Form die Fundamentaltheologie widmet. Mit der vorangehenden Aufgabe verbunden ist (3.) das Bemühen um Plausibilisierung und Kontextualisierung der kirchlichen Glaubenslehre in sich verändernden Denkformen, Kultur- und Sprachsituationen. Damit ist ein Unterschied moderner D. in ihrer dialogisch-interdisziplinären Ausrichtung gegenüber den auf überzeitliche Systematisierung abzielenden Entwürfen der Vergangenheit markiert, obwohl auch sie bereits um die Bedeutung nicht-theologischer Erkenntnisquellen (Vernunft, philosophische Autoritäten, Zeugnis der Geschichte) für die Reflexion der Glaubensinhalte wussten (sog. loci alieni in der theologischen Wissenschaftslehre des Melchior Cano). Wenn man mit Karl Rahner betont, dass eine angemessene Entfaltung dogmatischer Einzelaussagen nur unter Beachtung ihrer apriorischen Erkenntnisvoraussetzungen im menschlichen Subjekt erfolgen kann, muss die D. die Frage nach den anthropologischen Möglichkeitsbedingungen einer Selbstmitteilung Gottes sogar notwendig vor ihre materiale Entfaltung stellen. Mit der zunehmenden Betonung dieser hermeneutischen Aspekte (Hermeneutik) hat die traditionelle Abgrenzung der D. von der Fundamentaltheologie an Deutlichkeit verloren.

3. Methode

Als wissenschaftliche Disziplin ist die D. prinzipiell den in der scientific community geltenden Rationalitätskriterien (Rationalität) verpflichtet: Ihre Aussagen müssen exakt, widerspruchsfrei, intersubjektiv nachvollziehbar und im kritischen Diskurs argumentativ vermittelbar sein. Die damit verbundene Unterscheidung von allen Formen unmittelbarer Glaubensbezeugung eröffnet der wissenschaftlichen D. einen Raum freier und kritischer Reflexion, um dessen Grenzen angesichts der normativen konfessionellen Bekenntnisvorgabe zwischen Theologen und kirchlichem Lehramt nicht selten kontrovers gerungen. Die moderne D. aller christlichen Konfessionen (Konfession) ist durch eine Vielfalt der Methoden und Darstellungsformen gekennzeichnet. Ihre Entwürfe unterscheiden sich in den primären Ausgangspunkten des Nachdenkens über die Glaubensinhalte, durch divergierende philosophische und wissenschaftstheoretische Grundoptionen, auf deren Basis die dogmatische Reflexion vollzogen wird, und hinsichtlich der Schwerpunkte, die sie angesichts der differenzierten Aufgaben des Faches (s. 2.) setzen.

4. Aufgliederung der Inhalte

In der Darstellung ihrer Einzelinhalte folgt die D. gewöhnlich einer Einteilung in verschiedene „Traktate“. Diese Ausdifferenzierung hat Wurzeln bereits in der Patristik und gelangte über die Gliederungsschemata der mittelalterlichen Theologie (Sentenzenkommentare, Summen) in der nachtridentinischen D. zur endgültigen Durchsetzung. Die bis heute übliche Traktatfolge orientiert sich an den Hauptinhalten des christlichen Glaubensbekenntnisses: Dogmatische Prinzipienlehre, (trinitarische) Gotteslehre, Schöpfungslehre, Christologie/Soteriologie, Mariologie, Ekklesiologie, Gnadenlehre, Sakramentenlehre, Eschatologie. Während in der Vergangenheit eigenständig behandelte Themen heute nur noch am Rande Berücksichtigung erfahren (z. B. Engel) oder in andere systematische Disziplinen verschoben wurden (z. B. theologische Tugenden), begegnen als eigene dogmatische Lehrstücke in neuerer Zeit Pneumatologie (Lehre vom Heiligen Geist) und Theologische Anthropologie (zuweilen als Ort der Behandlung aller anthropologisch relevanten Themen der D.). Die Anordnung der Einzeltraktate kann je nach der systematischen Bedeutung, die ihnen im dogmatischen Gesamtgebäude zugewiesen wird, variieren. Sofern der sich selbst dem Menschen in Jesus Christus unüberbietbar mitteilende Gott der erste und eigentliche Gegenstand des Glaubens und der Glaubensreflexion darstellt, werden trinitarische Gotteslehre und Christologie stets im Zentrum aller dogmatischen Entwürfe stehen.