Demokratie: Unterschied zwischen den Versionen

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<h3>7. Strukturprobleme</h3>
 
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Auch wenn die große Mehrzahl der D.n nicht in schweren Krisen steckt, finden sie sich doch beträchtlichen Herausforderungen teils konjunktureller, grundsätzlich reduzierbarer Art, teils struktureller, kaum verrückbarer Natur gegenüber. Eines der konjunkturellen Probleme zeigt der Anteil der Nichtwähler an den Wahlberechtigten an ([[Wahlen]]). Er ist das Fieberthermometer der D.: Hohe Nichtwähleranteile sind Alarmsignale erster Ordnung, und gegen 100&nbsp;% strebende Werte würden vom bevorstehenden Kollaps der D. künden. Von diesem Extrem sind v.&nbsp;a. die nicht-defekten D.n weit entfernt. Doch in vielen von ihnen sind die Nichtwähler schon die stärkste Gruppe, mitunter stellen sie bereits die Mehrheit der Wahlberechtigten, und vielerorts wächst ihr Anteil noch weiter ([[Wählerverhalten]]). Weil obendrein ein größerer Teil der Nichtwähler aus der Unterschicht stammt, bewirkt die sinkende Wahlbeteiligung einen beträchtlichen „Verlust politischer Gleichheit“ (Schäfer 2015). Davon blieb auch die [[Bundesrepublik Deutschland|BRD]] nicht verschont. Bei Bundestagswahlen stieg der Anteil der Nichtwähler von einem Minimum von 8,9&nbsp;% (1972) auf ein Maximum von 29,2&nbsp;% (2009). Noch höher ist der Nichtwähleranteil bei Landtagswahlen. Bei allen Landtagswahlen von 1946 bis 2000 lag der durchschnittliche Anteil der Nichtwähler bei 23,8&nbsp;%, seither ist er auf 39,5&nbsp;% gestiegen (Stand 2015). 2016 betrug dieser Anteil 33,9&nbsp;%; eine Entwicklung, die sich durch die AfD-Mobilisierung im Bereich der Wahlabstinenten erklären lässt.
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Auch wenn die große Mehrzahl der D.n nicht in schweren Krisen steckt, finden sie sich doch beträchtlichen Herausforderungen teils konjunktureller, grundsätzlich reduzierbarer Art, teils struktureller, kaum verrückbarer Natur gegenüber. Eines der konjunkturellen Probleme zeigt der Anteil der Nichtwähler an den Wahlberechtigten an ([[Wahlen]]). Er ist das Fieberthermometer der D.: Hohe Nichtwähleranteile sind Alarmsignale erster Ordnung, und gegen 100&nbsp;% strebende Werte würden vom bevorstehenden Kollaps der D. künden. Von diesem Extrem sind v.&nbsp;a. die nicht-defekten D.n weit entfernt. Doch in vielen von ihnen sind die Nichtwähler schon die stärkste Gruppe, mitunter stellen sie bereits die Mehrheit der Wahlberechtigten, und vielerorts wächst ihr Anteil noch weiter ([[Wählerverhalten]]). Weil obendrein ein größerer Teil der Nichtwähler aus der Unterschicht stammt, bewirkt die sinkende Wahlbeteiligung einen beträchtlichen „Verlust politischer Gleichheit“ (Schäfer 2015). Davon blieb auch die [[Bundesrepublik Deutschland|BRD]] nicht verschont. Bei Bundestagswahlen stieg der Anteil der Nichtwähler von einem Minimum von 8,9&nbsp;% (1972) auf ein Maximum von 29,2&nbsp;% (2009). Noch höher ist der Nichtwähleranteil bei Landtagswahlen. Bei allen Landtagswahlen von 1946 bis 2000 lag der durchschnittliche Anteil der Nichtwähler bei 23,8&nbsp;%, seither ist er auf 39,5&nbsp;% gestiegen (Stand 2015). 2016 betrug dieser Anteil 33,9&nbsp;%; eine Entwicklung, die sich durch die [[Alternative für Deutschland (AfD)|AfD]]-Mobilisierung im Bereich der Wahlabstinenten erklären lässt.
 
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Version vom 24. Mai 2023, 11:09 Uhr

  1. I. Rechtlich
  2. II. Politikwissenschaftlich

I. Rechtlich

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1. Einführung

Mit dem Ende des Kalten Krieges schien es, als sei die D. als Staats- und Herrschaftsform auf dem Weg vom universellen Prinzip zur bald unanfechtbaren globalen Wirklichkeit. Doch dem großen Aufbruch folgte Ernüchterung, z. B. durch Persistenz oder Renaissance autoritärer Systeme (Regierungssysteme) und Einstellungen einerseits oder durch Tendenzen zur Fragmentierung öffentlicher Räume, Spaltung der Gesellschaft und Wachstum von Populismus andererseits. Heute ist nicht nur China im Griff der Einparteienherrschaft, sondern auch Russland eine präsidiale Autokratie; die Türkei geht ebenfalls in diese Richtung. Selbst in der EU zeigen sich in einigen Ländern autokratische Tendenzen, die die Pressefreiheit (Presse) oder die Unabhängigkeit der Gerichte in Frage stellen. Auch die westlichen D.n sind davon berührt. Über den Entwicklungsstand der D. zu reflektieren ist im 21. Jh. wieder schwieriger und herausfordernder geworden.

2. Herkunft

Seit den noch undeutlichen Anfängen im Zeitalter Solons gilt die D. als gerechte Ordnung der Polis (eunomie), als eine Staatsform neben der Tyrannis, der Aristokratie oder der Oligarchie. In den dreißiger Jahren des fünften Jh. v. Chr. war D. als Idee einer politischen Selbstherrschaft des Demos in einem Athen geläufig, das von der landwirtschaftlichen Aristokratie, dem städtischen Handwerk und von den Erfahrungen einer geldbasierten Handelswelt (Handel) geprägt war. Spätestens mit der wiederholten Wahl des Strategen Perikles kann mit Jochen Bleicken von der athenischen oder attischen D. gesprochen werden. Der Gedanke staatsbürgerlicher Gleichheit (allerdings innerhalb der aristotelischen, auf Haushaltsvorstände beschränkten, partikular relativierten Gesellschaftsvorstellung [ Gesellschaft ]) und persönlicher Freiheit im Kampf gegen die Tyrannis standen ebenso Pate wie die Selbstbehauptung des Gemeinwesens nach Außen (v. a. im Kampf gegen die Perser) und die gute, die funktionierende Ordnung nach Innen, gerade auch fiskalisch, die Heeresverfassung und das Gerichtswesen betreffend. Es gibt bereits in der Antike weder eine Linearität demokratischer Herrschaftsformen noch einen vollständigen praktischen oder ideengeschichtlichen Abbruch dieser mit der Republik substantiell verbundenen Staatsform. Bis zum Ende der Antike, bis in die letzten Verästelungen des untergehenden Kaisertums Westroms blieb der republikanische Volksbezug (Volk) erhalten, wenngleich nur als Floskel und Traditionsgeste. In den Digesten Justinians wird als Quelle der Gesetze (Gesetzgebung) immer noch die Volksherrschaft genannt.

Auch das Mittelalter steht nicht für einen vollständigen ideengeschichtlichen Kontinuitätsabbruch, sondern für Modifikationen und Überformungen der D., die in der Parallelität von germanischem Gemeinschafts- und Vertragsdenken (Vertragstheorien) mit der im Kaisertum und Papsttum gleichermaßen aufgehobenen spätrömischen Herrschaftsarchitektur ihr unentschiedenes Gepräge findet. Die wachsende mittelalterliche Stadtkultur (Stadt) schließt ein Stück weit in der christlich-ständischen Denkwelt auch an republikanisch antike Erfahrungen an und beeinflusst bis heute im Gedanken der Selbstverwaltung eine autonome Form begrenzter Selbstherrschaft (Autonomie). Die Neuzeit schließlich, die ihre wichtigsten Quellen in der oberitalienischen Stadtkultur der Renaissance findet, bedeutet bei aller oligarchischen Wirklichkeit im Kern bereits latente D., weil die Vorstellung personaler Willensfreiheit und die beginnende funktionale Ausdifferenzierung politischer Herrschaft über den Gedanken des gesellschaftlichen Urvertrages bei Thomas Hobbes (Gesellschaftsvertrag) hin zu republikanischen Vorstellungen der Aufklärung im nordamerikanischen Unabhängigkeitskampf und der Französischen Revolution ihre Wurzeln findet.

3. Elemente der neuzeitlichen Demokratie

Die Neuzeit operiert mit einem universalistischen Menschenbild (Universalismus) und drängt schrittweise die partikularen Traditionsbestände (Partikularismus) zurück. D. bedeutet Volksherrschaft, die Selbstregierung (Autonomie) eines Volkes, das prinzipiell jeden erwachsenen Bürger (Bürger, Bürgertum) der Republik einschließt. Im attischen Modell hieß das: Die Versammlung der Freien tritt auf der Agora zusammen, um zu entscheiden, was in öffentlichen Angelegenheiten gilt. Das moderne D.-Verständnis folgt dem klassischen Vorbild: Aus der Agora wird die Bühne des Parlaments. Aus dem überschaubaren „Volk“ der Polis als Summe der Haushaltsvorstände wird die Versammlung der Repräsentanten des Volkes (Abgeordneter), mit der Macht, Gesetze (Gesetz) zu erlassen, die alle binden, die durch die Bande der Bürgerschaft (Staatsangehörigkeit) oder mittels der Unterwerfung unter die vom Volk ausgehende Staatsgewalt (Staat) sich dazu verpflichtet sehen. Dass zentrale Ämter (Amt) in freier und gleicher Wahl verliehen werden und von dort aus in nicht unterbrochener Legitimationskette (Legitimation) weitergegeben werden können, ist ebenfalls kennzeichnendes Merkmal. Mehrheitsbeschlüsse (Mehrheitsprinzip) des Repräsentationsorgans, die Rückführbarkeit aller Ämter auf Wahlen des Volkes, die Freiheit der Kandidatenaufstellung und politische Vereinigungsfreiheit gehören zu den Essentials. Das Menschenbild der sich selbst entfaltenden Persönlichkeit und die Funktionalität einer davon abgeleiteten Institution wie der D. gehören wechselbezüglich immer zusammen. Eine D. funktioniert nur, wenn die Bürger auch tatsächlich frei sind, wirtschaftlich, kulturell und politisch (Freiheit). Dazu gehört bes. die freie, ungezwungene Kommunikation, weil sonst kein ungebundener politischer Meinungsbildungsprozess erfolgen kann und somit die Freiheit der Wahl um eine ihrer praktischen Voraussetzungen gebracht wird.

Das GG verfasst das Modell der repräsentativen D., wie es sich seit den englischen Verfassungskämpfen des 17. Jahrhunderts, der amerikanischen Unabhängigkeitsbewegung und der Französischen Revolution des späten 18. Jh. herausgebildet hat. Für den Bund wird der Bundestag als Parlament mit seiner Gesetzgebungsfunktion (Gesetzgebung) und seiner Kreations- und Kontrollfunktion (Politische Kontrolle) die Bundesregierung betreffend in den Mittelpunkt eines gewaltenteiligen Systems (Gewaltenteilung) gestellt: Nur ihn und kein anderes deutsches Organ wählen die Bundesbürger. Wenn Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG bestimmt, dass alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht, dann ist nüchtern festzustellen, dass der Bundessouverän als Summe aller wahlberechtigten Deutschen allein bei der Wahl der Abgeordneten des Deutschen Bundestages diese Quelle fließen lässt, nirgendwo sonst. Die in Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG genannten Abstimmungen bleiben dem Deutschen Volk bis heute verschlossen, auch Art. 29 GG sieht keine Abstimmung der Deutschen insgesamt vor, sondern lediglich eines Teils der Deutschen der von einer Neugliederung betroffenen Länder (Föderalismus).

4. Repräsentative und plebiszitäre Demokratie

Die unmittelbare demokratische Willensäußerung kann sich konzeptionell auf zwei unterschiedlichen Wegen realisieren: Einerseits kann das Volk unmittelbar selbst über bestimmte Sachverhalte in Abstimmungen entscheiden, andererseits kann es eines oder mehrere Organe durch Wahl legitimieren, über Sachfragen zu entscheiden. Im ersten Fall spricht man von direkter, unmittelbarer oder plebiszitärer D., im zweiten Fall handelt es sich um mittelbare oder repräsentative D. Der Leitgedanke der direkten D. ist die Wiedergabe und Berücksichtigung eines mehrheitsfähigen Volkswillens für politische Entscheidungen. In Europa ist v. a. die Schweiz ein Beispiel stark ausgeprägter direkter D., was die repräsentativen Herrschaftsformen weder entbehrlich macht noch verdrängt, aber die politische Kultur und Willensbildung doch sehr stark variiert.

Die Herrschaftsform der repräsentativen D., die in Deutschland auf Bundesebene ohne plebiszitäre Elemente gilt, ist dagegen nicht durch unmittelbare Volksherrschaft gekennzeichnet. Stattdessen wird den Parteien und ihren Parlamentsfraktionen (Fraktion) eine tragende Rolle zugewiesen, und die Position des parlamentarisch rückgebundenen Regierungschefs (Bundeskanzler) herausgehoben.

Das Volk kann im Rahmen der repräsentativen D. seine Rechte durch Wahlen (Art. 38 GG), aber auch durch die aktive Teilhabe und Mitwirkung in politischen Parteien (Art. 21 GG) oder durch Teilnahme an der öffentlichen Meinungsbildung (Art. 5 und Art. 8 GG) wahrnehmen. Die repräsentative D. des GG (Art. 20, 28 Abs. 1 GG) ist (in Abgrenzung zur präsidentiellen Ausprägung) ein parlamentarisches Regierungssystem (Regierungssysteme). Die präsidentielle D., wie sie in den USA oder Frankreich ausgeprägt ist, lässt in der Persönlichkeitswahl ein plebiszitäres Element zu, das sich bereits seit den Volkstribunen der römischen Republik als (begrenzte) charismatische (Charisma) Willensbildung, als Korrektiv, Ventil oder Erneuerungspotential erweisen kann.

5. Lehren der Geschichte: Die Entwicklung der Demokratie in Deutschland

Noch im 19. Jh. war die Entwicklung der D. in Deutschland vom Kräftemessen unter den Bedingungen der konstitutionellen Monarchien bestimmt (Deutsche Geschichte). Maßgeblich war der Dualismus von Monarchen mit fortwirkenden Absolutismusvorstellungen (Absolutismus) und liberal-demokratisch inspirierten landständischen Volksvertretungen. Das bis 1789 anerkannte Herrschaftsmodell war v. a. auf die herausgehobene Stellung der Landesfürsten und deren Identifizierung mit der Staatsräson spätabsolutistisch ausgerichtet. Bis dato kaum bestehende Bürgerrechte waren im politischen Bereich blass, obwohl mit England ein anderes Modell auch auf dem Kontinent Beachtung fand. Das Selbstbewusstsein der Frankfurter Nationalversammlung von 1848/1849 war angetrieben von der Erfahrung der englischen Verfassungskämpfe und der sich herausbildenden Parlamentssuprematie und der Französischen Revolution, die die Nation in der Nationalversammlung handlungsfähig repräsentiert sah.

Aber es ging auch darum, den Bürgern als „Zoon politicon“ stärker zu ihrem Recht zu verhelfen. Die Verfassungsberatungen der Paulskirche formulierten „Grundrechte“, die den Zusammenhang von persönlicher Entfaltung und politischen Gestaltungsrechten deutlich machte. Mit den Grundrechten der Reichsverfassung innerhalb eines Systems gewählter Volksvertretung und parlamentarisch kontrollierter Regierung war im März 1849 der Anschluss an die westliche Verfassungsentwicklung gefunden worden, auch wenn diese Entwicklung zunächst an den noch immer bestehenden Machtverhältnissen scheiterte. Die Ideen der Volkssouveränität, einer demokratisch legitimierten (Legitimation) Exekutive und die Vorstellung eines parlamentarischen Verfassungsstaates waren nach dem Ende der Paulskirchenverfassung zwar enttäuscht und gehemmt, sie konnten aber nicht mehr aus der Welt geschafft werden. Der preußische Verfassungskonflikt in den sechziger Jahren des 19. Jh. markiert die Fronten zwischen einer blockierten Monarchie und dem Abgeordnetenhaus deutlich. Im Streit um die Finanzierung der Reorganisation der preußischen Armee löste König Wilhelm I. 1862 das Parlament auf, eine Reaktion auf den parlamentarischen Beschluss, die Militärreformen nicht weiter zu finanzieren. Das Remis zwischen Parlament und Krone mündete in der Berufung Otto von Bismarcks zum preußischen Ministerpräsidenten, der mit der Fortüne eines taktisch versierten und strategisch denkenden Spielers die Blockaden aufbrach und zwischen Reaktion und Modernisierung bereits im Norddeutschen Bund von 1866 den demokratisch gewählten Reichstag immerhin zu einem zentralen Akteur in der von ihm erstrebten Verfassungsarchitektur des neuen Reiches machte.

Der Notio einer Volksherrschaft, eines demokratischen und parlamentarischen Verfassungsstaates, liegt die Sicherung von Bürgerrechten, eine wirksame Gewaltenteilung und ein ausgewogenes Verhältnis der Pluralität der verschiedenen Kräfte und Interessen (Interesse) zu Grunde. Schon Alexis de Tocqueville und John Stuart Mill sahen dieses Ideal durch eine tatsächliche unmittelbare und direkte Volksherrschaft gefährdet. Der Versuchung der Unterdrückung von Minderheiten und dem Reiz der Tyrannei zu entsagen, sei für die Mehrheit des Volkes eine schwere Bürde. Darum seien Vorkehrungen gegen Machtmissbrauch durch die Regierenden gegenüber dem Mehrheitswillen ebenso nötig wie gegenüber anderen Gewalten. Die D. braucht das Gegengewicht der Grundrechte, die Teilung der Gewalten und die unverbrüchliche Bindung an das Recht.

Die am 31.7.1919 in Weimar beschlossene Reichsverfassung setzte D. beinah idealtypisch durch. Neben dem allgemeinen Wahlrecht für Männer und Frauen, waren Volksbegehren und Volksentscheide als Ausdrucksformen demokratischer Willensbildung kodifiziert. Die WRV sah neben der Direktwahl des Reichstags auch die des Reichspräsidenten vor und kombinierte damit parlamentarische und präsidentielle Elemente. Die Traumatisierung der Deutschen nach hartem Friedensschluss und den Turbulenzen der Weltwirtschaftskrise (Weltwirtschaftskrisen) führte allerdings zur Abwahl der bereits massiv unterhöhlten D. in den Reichstagswahlen 1932 – das wiederum blieb ein Trauma aller Demokraten der Nachkriegszeit. Es macht deutlich, dass die durchgesetzte D. sich zwar ihrer alten monarchischen Gegenspieler entledigt hatte, aber vor Selbstgefährdungen niemals immun ist, weil sie auf soziokulturellen Fundamenten steht. Diese Fundamente kann eine freie Gesellschaft zwar beeinflussen, doch letztlich nicht garantieren, weil die Verantwortung bei jedem einzelnen Bürger liegt, der die Wahlkabine betritt. Doch die Deutschen hatten mit dem Zivilisationsbruch der Nazidiktatur (Nationalsozialismus) auch gelernt, welcher Preis fällig wird, wenn die rechtsstaatlich verfasste D. (Rechtsstaat) preisgegeben wird.

Das Bonner Grundgesetz steht für die Rückkehr zum Westen wie auch für einen verfassungsrechtlichen Neubeginn. Die D. war in Trümmerlandschaften von unten nach oben neu entstanden, von den Gemeinden (Gemeinde) zu den Ländern und zum Parlamentarischen Rat und den neuen Bundesorganen. Das GG wollte eine parlamentarisch getragene Regierung, kein Staatsoberhaupt, das mitregiert, keinen charismatischen Volkstribun und keine aufgeheizten Plebiszite (Plebiszit). Die ganze Hoffnung ruhte auf parlamentarischer Vernunft (Vernunft – Verstand) und einem neuen Leitbild der Weltoffenheit und Friedlichkeit.

6. Das Volk als Träger der Demokratie

Das Verständnis einer modernen D. geht vom Prinzip der Volkssouveränität aus. Mit den von Emmanuel Joseph Sièyes geprägten Begrifflichkeiten gesprochen, kommt dem Volk die Rolle des pouvoir constituant zu. Nicht mehr der Monarch verinnerlicht die alleinige Herrschaftsmacht in seiner Person, sondern das Volk ist die verfassungsgebende Gewalt. Der Grundsatz der Volkssouveränität ist verfassungsrechtlich insb. in Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG niedergelegt, wenn es heißt, dass alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht.

Das BVerfG hat im Jahr 1990 in seinem Urteil zum Ausländerwahlrecht (BVerfGE 83, 37 [50 f.]) ausgeführt, Art. 20 Abs. 1 Satz 1 GG nicht allein den Grundsatz der Volkssouveränität enthält, sondern auch bestimmt, wer das Volk ist, das in Wahlen, Abstimmungen und durch bes. Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung die Staatsgewalt ausübt: Es ist die Summe der erwachsenen deutschen Staatsbürger. Ausnahmen wie etwa die Zulassung von EU-Auskändern sind bei Kommunalwahlen möglich, aber nicht auf der staatlichen Landes- oder Bundesebene. Wer D. in ihrer zentralen Bedeutung als Staatstruktur nicht beschädigen will, sollte auch nicht das Wahlalter für die Landtags- oder Bundestagswahl absenken mit der bizarren Folge, dass die Rechtsordnung einen unter 18jährigen Heranwachsenden vor den Folgen des Abschlusses eines Ratenvertrages schützen will, ihm aber gleichwohl das Schicksal der Republik anvertrauen will. Ausgeübt werden kann die Staatsgewalt durch unterschiedliche Instrumentarien, maßgeblich ist, dass die Ausübung der Staatsgewalt jedoch immer demokratischer Legitimation bedarf. Das BVerfG führt zur Frage der Vereinbarkeit sondergesetzlicher Wasserverbände mit dem D.-Prinzip (BVerfGE 107, 59 [87 ff.]) zur unmittelbaren Staatsverwaltung (Verwaltung)und zur kommunalen Selbstverwaltung aus, dass die verfassungsrechtlich notwendige demokratische Legitimation eine ununterbrochene Legitimationskette vom Volk zu den mit staatlichen Aufgaben betrauten Organen und Amtswaltern (Amt) erfordere. Staatsgewalt wird demnach dann demokratisch legitimiert ausgeübt, wenn sich die Bestellung der Ausübenden auf das Staatsvolk (oder die Träger von Selbstverwaltung) als demokratisches Subjekt zurückführen lässt und sich zugleich eine ausreichende sachlich-inhaltliche Legitimation des Handelns, insb. durch die Steuerungskraft des parlamentarisch erlassenen Gesetzes, nachweisen lässt. Auch auf kommunaler Ebene setzt sich das Erfordernis demokratischer Legitimation fort. Die Notwendigkeit einer nachweisbaren Legitimationskette ergibt sich für die Kommunen (Gemeinde) aufgrund des umfassenden Verständnisses der kommunalen Selbstverwaltung aus Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG.

In der globalisierten Weltgesellschaft (Globalisierung) scheint manch einem der Volksbegriff anachronistisch. Aber das wäre er nur, wenn man ihn mythologisiert (Mythos) oder biologisiert. Das Volk ist die Summe der erwachsenen, der wahlberechtigten Bürger deutscher Staatsangehörigkeit.

7. Demokratische Grundsätze auf Ebene der EU

Die Grundsätze der D. sind auf Ebene der EU verankert und einer der Grundpfeiler der europäischen Einigungs- und Friedensbestrebungen. Die EU lässt sich von demokratischen Grundsätzen bei ihrem Handeln auf internationaler Ebene leiten. Sie pflegt bes. enge Beziehungen zu D.n und einen distanziert diplomatischen Umgang zu Diktaturen (Diktatur) und Autokratien (Regierungssysteme). D. wird als ein maßgebliches Gebot zur Entstehung, Entwicklung und Erweiterung der Union aufgefasst, dem auch weltweit zur stärkeren Geltung verholfen werden soll. Der EUV befasst sich in seinem Titel II. mit den demokratischen Grundsätzen. Neben der Gleichheit aller Unionsbürger (Unionsbürgerschaft) wird die Herrschaftsform der repräsentativen D. auf europäischer Ebene festgelegt; die Bürger der EU sind durch das Europäische Parlament unmittelbar vertreten. Dessen Entscheidungen sollen so offen und bürgernah wie möglich getroffen werden.

Die demokratische Legitimation der EU-Organe erfolgt unmittelbar durch die direkte Wahl des EU-Parlaments (Art. 10 Abs. 2 EUV). Die Mandate sind nach nationalen Kontingenten zugewiesen, also nicht gleichheitsgerecht, sondern degressiv proportional verteilt. Der Grundsatz der Gleichheit der Stimme gilt nicht, weil die EU kein einheitliches Staatsvolk und keine Staatsqualität besitzt. Andere Ämter wie die der Kommissare oder der Richter sind mittelbar maßgeblich über die Staaten legitimiert.

Wenn von einem D.-Defizit der Union gesprochen wird, geht es meist nicht um förmliche Wahl- und Ernennungsakte, sondern um die Frage, ob in der komplexen Verbundarchitektur der EU überhaupt Regierungs- und Oppositionsfunktionen (Opposition) so abgebildet und wahrgenommen werden können, dass für Bürger eine Richtungsentscheidung per Stimmzettel vorgenommen werden kann. Trotz aller Bemühungen, zuletzt mit dem Lissabon-Vertrag von 2009, parastaatliche Strukturen voranzutreiben und die Europäische Kommission zu einer europäischen Regierung fortzuentwickeln, muss nüchtern konstatiert werden, dass solche Staatsbildungsprozesse sich an einer komplexen Realität brechen. Die EU ist weiterhin und vielleicht sogar verstärkt ein Ensemble autonomer europäischer Organe (Organ) und nationalstaatlicher Interessen (Interesse), die in einem permanenten Verhandlungssystem kooperativ verbunden sind. Eine solche netzwerkartige Verbundarchitektur wird man weder mit Transparenzforderungen noch mit Anleihen an bundesstaatlichen Vorstellungen überfrachten dürfen, weil dies der politischen Wirklichkeit nicht hinreichend entspricht. Für das D.-Prinzip bedeutet die EU einerseits eine Begünstigung, weil hier ein Rahmen entsteht, der autokratische Verführungen in den Mitgliedstaaten dämpft und die erneute Entstehung machtstaatlicher Antagonismen bereits institutionell im europäischen Binnenmarkt unterbindet. Andererseits belastet das supranationale Regieren (Supranationalität) selbst auch das D.-Prinzip, weil die Technizität und ökonomische Ausrichtung ohne hinreichende kulturelle Integrität eine erhebliche Reife der nationalen politischen Öffentlichkeit und ein gleich bleibendes Niveau an Akzeptanz erfordert. Das englische Referendum 2016 zum Austritt aus der EU ist partiell auch ein Beleg für wachsende Unruhe gegenüber der überstaatlichen Herrschaft, die den Staaten Verfügungsrechte über elementare Entscheidungen wie Migration oder Grundsätze der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik entwindet, ohne in einem responsiven System personell und parteipolitisch greifbar zu sein.

8. Herausforderungen

Bis hinein in die großen alten D.n des Westens leidet das demokratische Herrschaftssystem an soziokulturellen Verschiebungen, unter technischen Veränderungen und Globalisierungsprozessen. Die Herausbildung einer mobilen, transnational orientierten Elite und die erhebliche politische Verdichtung durch internationale Organisationen und Völkervertragsrecht hat ebenso wie eine seit 1990 dramatisch gestiegene weltweite Wirtschaftsverflechtung zu einer Entgrenzung nationaler Souveränitätsstrukturen (Souveränität) geführt. Eine Entgrenzung bedeutet auch die digitale Verwandlung der Welt (Digitale Revolution). Moderne interaktive Massenmedien (Medien) und soziale Netzwerke haben die Möglichkeiten und die Qualität der Meinungs- und Willenbildungsprozesse stark verändert und tangieren damit auch die tradierte Erfahrung einer öffentlichen Meinungsbildung, die zuvor im nationalen Raum einigermaßen unangefochten durch Gatekeeper wie Presseunternehmen (Presse), Verlage oder Rundfunkbetreiber (Rundfunk) beherrscht wurde. Aus dem Prozess der Entgrenzung haben viele seit Jahrzehnten den Schluss gezogen, dass das Zeitalter der Staaten vorbei sei und neue transnationale Institutionen an deren Stelle treten. Die etwas kompliziertere Wirklichkeit spiegelt sich in der Einsicht, dass D.n nur als kollektive Akteure in abgrenzbaren Gemeinschaftsräumen erfolgreich funktionieren können, und die demokratischen Staaten die zentralen Akteure jeder friedlichen und gedeihlichen internationalen Zusammenarbeit sind. Wenn die Ordnungsleistung der Staaten wegen ihrer Schwäche oder aufgrund ihres Unwillens dem internationalen Betrieb nicht zur Verfügung steht, fällt dieser wie ein Kartenhaus zusammen. Jedes Nachdenken über die Zukunft der D. wird deshalb strategisch mit Ambivalenzen zu kalkulieren haben. Wer Offenheit und Abschließbarkeit nicht zusammendenkt, also die Begrenztheit des Staates (Grenze) und seine internationale Öffnung nicht als wechselseitig sich bedingend versteht, wird falsche Entscheidungen treffen. Möglicherweise haben öffentliche Meinungsbildner die Tendenz zur Globalisierung weltrepublikanisch überzeichnet und dabei die Warnung Immanuel Kants im „Ewigen Frieden“ übersehen, dass die Weltrepublik durch ihre Ferne zu Alltagswelten letztlich despotisch werden müsse. Vieles deutet darauf hin, dass der große Pendelschlag zu immer mehr Entgrenzung und Internationalität, Wachsen der Systeme gegenseitiger kollektiver Sicherheit, zur behaupteten Evidenz universell interpretierter kultureller Einstellungen, bereits in die andere Richtung unterwegs ist. Aus der Einen Welt westlich universeller Werte, die auf dem Sprung zur klimarettenden ökologischen Transformation (Klimawandel) schien, ist inzwischen die ernüchternde Wirklichkeit einer multipolaren Renationalisierung geworden. Der politische Betrieb der D.n wird volatiler. Man fürchtet erneut die Leidenschaft des Publikums, Populismus ist unübersehbar und keineswegs so ephemer wie erhofft. Mancher Exponent der gesellschaftlichen Meinungselite verzweifelt an volatilen Wählervoten, während andere von einer Anti-Eliten-Bewegung sprechen.

Bevor das Pendel zu weit in die Gegenrichtung schlägt, sollten bestimmte institutionelle Bedingungen der D. neu erkannt und die Strukturen der offenen Welt neu verhandelt werden. Die Entgrenzung ist teilweise übertrieben worden, weil es am Bewusstsein dafür fehlte, wie elementar die Leistungen des Staates für weltgesellschaftliche Modernisierungsprozesse (Modernisierung) sind. Unter dem im Ganzen positiven Patronat der USA hat sich auch manche Fehlentwicklung einer finanzindustriell getriebenen Idee von Marktwirtschaft mit dem politischen System verbunden, anstatt die dicken Bretter der sozialen Marktwirtschaft und der Investitionen in leistungsfähige Bildungsstrukturen zu bohren. Die Kompetenzverteilung innerhalb der EU muss neu überdacht werden. Es könnte den D.n der alten Nationen durchaus gut tun, die Verfügungsmacht über bestimmte Elemente der Staatlichkeit wiederzuerlangen und gleichzeitig kooperative Strukturen auf dem Gebiet der äußeren Sicherheit (GASP) deutlich zu stärken. Doch allein mit klugen Strukturveränderungen wird die Zukunft einer jahrtausendealten Idee nicht gesichert sein. Der Blick gerade auch in die deutsche Geschichte zeigt, dass jede Volksherrschaft nur so gut ist, wie die Urteilsfähigkeit und sittliche Reife der einzelnen Bürger, die Mehrheiten bilden und Richtungsentscheidungen treffen.

II. Politikwissenschaftlich

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1. Begriffserläuterung

D. bedeutet „Herrschaft des Volkes“ und bezeichnet politische Ordnungen, in denen die Volksherrschaft unmittelbar ausgeübt wird, wie in der plebiszitären D. („Direkt-D.“), oder mittelbar, durch die Wahl von Volksvertretern, wie in der Repräsentativ-D. (Repräsentation). Als „demokratisch“ beschreiben sich die unterschiedlichsten politischen Richtungen und Staaten – allen voran die liberalen verfassungsstaatlichen D.n des Westens, aber auch Autokratien (Regierungssysteme). Als „Volks-D.“ oder „sozialistische D.“ bezeichneten sich bspw. die einstigen kommunistischen Weltanschauungsdiktaturen in Mittel- und Osteuropa und bis heute macht das auch die VR China. Für die empirisch-analytische und die normativ-analytische Beobachtung der D. wurden aber die Theorie und die Praxis der liberalen D.n prägend, nicht die der Autokratien, die den Namen D. nur als Aushängeschild einer von der Staatspartei gelenkten Herrschaft verwendeten.

Die konkreten Definitionen demokratischer Ordnungen setzen unterschiedliche Akzente – auch im Kreis der westlichen D.n. Der aristotelischen Staatsformenlehre zufolge ist D. die Herrschaft der Vielen – im Unterschied zur Herrschaft Weniger (wie in der Aristokratie und der Oligarchie) oder eines Einzelnen (wie in der Monarchie und der Tyrannis). Andere definieren die D. als „government of the people, by the people and for the people“ – als eine Regierung des Volkes, durch das Volk und für das Volk – so Abraham Lincoln, 16. Präsident der USA. Wieder andere verstehen D. als eine Staatsverfassung (Verfassung), die politische Gleichheit, Beteiligung des Volkes an der politischen Willensbildung und der Wahl des politischen Führungspersonals (Wahlen), Wettbewerb zwischen mindestens zwei Parteien, freie Opposition und rechtsstaatlich untermauerte Gewaltenteilung verknüpft. Aber auch enger definierte D.-Konzepte sind im Umlauf, unter ihnen Joseph A. Schumpeters viel zitiertes minimalistisches D.-Verständnis als „diejenige Ordnung der Institutionen zur Erreichung politischer Entscheidungen, bei welcher einzelne die Entscheidungsbefugnis vermittels eines Konkurrenzkampfs um die Stimmen des Volkes erwerben“ (Schumpeter 1950: 428).

Ebenso unterschiedlich sind die Bewertungen der D. Sie reichen von emphatisch positiver Zustimmung bis zur radikalen Ablehnung der Volksherrschaft als einer Ordnung, in der die Herrschenden nur zu ihrem Eigennutzen und nicht zum Gemeinwohl handelten, so schon das Urteil der aristotelischen Staatsformenlehre. D. erweist sich somit als ein „umstrittener Begriff“, und zwar von alters her, wie seine Herkunft zeigt. Das Wort „D.“ stammt aus dem Altgriechischen und setzt sich aus demos und kratein zusammen. Beide Begriffe sind mehrdeutig. Denn demos kann neutral oder positiv zustimmend „Volk“ bedeuten oder abwertend als „Pöbel“ oder „das gemeine Volk“ gemeint sein, und das Tätigkeitswort kratein kann für herrschen oder für Macht ausüben stehen. Doch Macht ausüben, so lehrt die an Max Weber geschulte Begriffssprache, ist stärker als herrschen. Herrschen meint, für einen Befehl Gehorsam finden, und zwar kraft interessengetriebener Nutzenmotive oder aufgrund von anerkennungswürdiger und anerkannter Autorität. Doch Macht ausüben ist die Chance, den eigenen Willen auch gegen Widerstreben des Machtunterworfenen durchzusetzen, „gleichviel, worauf diese Chance beruht“ (Weber 1972: 28).

2. Semantische Transformationen des Demokratiebegriffs

Der D.-Begriff hat verschiedene „semantische Transformationen“ (Buchstein 2013: 104) durchlaufen. Lange diente er als Negativbegriff für eine hochgradig mängelbehaftete, für wankelmütige Mehrheiten und Demagogen bes. anfällige politische Ordnung. Mittlerweile, v. a. seit dem 20. Jh., wird die D. hingegen weithin, v. a. im Westen, als relativ beste Staatsverfassung gewertet. Ihr komme, so lehrt bspw. das Theorem des Democracy Advantage, auch beim politischen Leistungsprofil – insb. bei der Förderung von wirtschaftlichem Wohlstand und Frieden – ein Vorsprung vor den Nicht-D.n zugute.

Lange galt die D. als eine Staatsform ohne Zukunft. Geeignet schien sie nur für Klein- oder Kleinstgemeinwesen zu sein. Seit den „Federalist Papers“ wird sie jedoch als Herrschaftsordnung gewertet, die sich (in primär repräsentativdemokratischer Form) für große Flächenstaaten ebenso eignet wie für kleinere Gemeinwesen und die zudem zukunftsfähig ist.

Lange Zeit herrschte zudem ein enger D.-Begriff vor, der die Institutionen (Institution) und den Prozess der politischen Beteiligung (Partizipation) ins Zentrum rückte. Mittlerweile ist der D.-Begriff angereichert und der Herrschaftsbereich der D. eingehegt worden. Verfassungsstaatliche Sicherungen und wechselseitige Kontrollmechanismen (checks and balances) – wie Gewaltenteilung, Aufteilung der Legislative in zwei Kammern (Parlament), bundesstaatliche Gliederung (Bundesstaat), Grundrechte und richterliche Nachprüfung des Handelns der Exekutive und der Legislative – begrenzen den Spielraum, über den demokratisch entschieden werden kann.

Lange schließlich fungierte die D. als eine Ordnung, an der nur die erwachsene männliche Bevölkerung oder ein Teil derselben teilnahmeberechtigt waren. Heutzutage gelten anspruchsvollere Minimalbedingungen, nämlich

a) das allgemeine Männer- und Frauenwahlrecht bei der Wahl und Abwahl der politischen Führung,

b) dass allgemeine, freie, geheime und gleiche, regelmäßig in kürzeren Zeitabständen abgehaltene Wahlen erfolgen, die über die Besetzung von und Abwahl aus politischen Spitzenämtern entscheiden,

c) freie Interessen- und Meinungsäußerung (Meinungsfreiheit),

d) Koalitionsfreiheit sowie das Recht auf Bildung und Ausübung der Opposition.

3. Messungen und geschichtliche Entwicklungstendenzen

Die D. genau zu messen, ist nicht einfach. Lange gab die aristotelische Staatsformenlehre mit der Zahl der Herrscher und dem Ziel der Herrschaft den Maßstab vor. Später kamen Indikatoren der politischen Beteiligung (Partizipation) hinzu, insb. das Wahlrecht oder der Anteil der Wahlberechtigten an der Bevölkerung im Erwachsenenalter oder das D.-Alter, gemessen am Zeitraum seit Einführung des allgemeinen Männer- und Frauenwahlrechts. Mittlerweile werden die D.-Messungen durch weitere institutionelle Merkmale angereichert, unter ihnen verfassungsstaatliche Regelsysteme. Ein Beispiel sind die Messungen der politischen Rechte (political rights) und der bürgerlichen Freiheiten (civil liberties) durch Freedom House, eine Non-Profit-Organisation mit Sitz in Washington, D.C. (Grundrechte, Menschenrechte). Diese Messungen können näherungsweise als Anzeiger für die Stärke oder Schwäche einer verfassungsstaatlichen D. gedeutet werden. Freedom House gruppiert seine Beobachtungen der politischen Rechte und der bürgerlichen Freiheitsrechte zusammenfassend zu „freien“, „nichtfreien“ und „halbfreien“ Staaten, was größtenteils als Unterschied zwischen verfassungsstaatlichen D.n, Autokratien und hybriden, teils autokratisch, teils demokratisch verfassten Ländern verstanden werden kann. Im Lichte dieser Unterscheidung wurden 2015 86 Staaten als „frei“ eingestuft, unter ihnen die Mitgliedstaaten der EU. Dies entsprach 44 % aller souveränen Staaten. 59 Länder oder knapp 30 % aller Staaten wurden als „halbfrei“ und 50 Staaten oder knapp 26 % als „nicht frei“ eingestuft. Im Vergleich zu 1972, in dem Freedom House erstmals über die politischen Rechte und die bürgerlichen Freiheitsrechte im weltweiten Vergleich berichtete, ist die Zahl der D.n und ihr Anteil an allen Staaten größer geworden. 1972 wurden 50 D.n gezählt, was damals 32 % aller souveränen Staaten entsprach. Noch eindrucksvoller ist der Vormarsch im Lichte eines bis ins 19. Jh. zurückreichenden Vergleichs. Spezialuntersuchungen mit den sogenannten Polity IV-Daten zufolge waren 1875 nur acht Länder demokratisch verfasst – unter ihnen die USA und die Schweiz. Und noch 1950 wurden nur 24 D.n gezählt, während alle anderen Staaten mehr oder minder autokratisch verfasst waren.

Nach Zahl und relativer Häufigkeit zu urteilen, hat die D. v. a. infolge einer großen „Demokratisierungswelle“ (Huntington 1991), die von Mitte der 1970er Jahre bis zum Beginn des dritten Jahrtausends währte, an Bedeutung gewonnen. Entsprechend schrumpften die absolute Zahl und der Anteil der Autokratien. Modernisierungstheoretisch geprägte Beobachter stufen auch die weitere Zukunft der D. optimistisch ein: Vom weiteren Vormarsch der „emanzipativen Werte“ (Welzel 2013) erwarten sie eine demokratiegünstige Großwetterlage. Allerdings sind auch die Gegenkräfte zu bedenken. Auf Phasen der Ausbreitung der D. folgten oft Phasen der Stagnation und Schrumpfung – u. a. die Zwischenkriegszeit mit dem Zusammenbruch der D. in Deutschland als dem spektakulärsten und geschichtlich folgenreichsten Fall (Deutsche Geschichte). Doch auch nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges erlitt die D. mitunter schwere Rückschläge: Die ost- und mitteleuropäischen Länder gerieten in den sowjetischen Einflussbereich und blieben dort bis zum Fall des Eisernen Vorhangs bzw. bis zum Zusammenbruch der UdSSR. Zudem brachen nicht wenige D.n in den 1950er und 1960er Jahren zusammen, v. a. in der Dritten Welt. Und während der seit Mitte der 1970er Jahre datierten dritten Demokratisierungswelle erlitt manche D. Schiffbruch, bspw. Argentinien (1976–1982), Chile (1973–1987) und der Libanon seit 1975. Überdies blieben viele Staaten beim Übergang von der Autokratie zur D. auf halbem Wege stecken. Seither gehören sie entweder zum Kreis der „defekten D.n“ (Merkel u. a. 2003), zu denen insb. Länder mit schweren Mängeln im Rechtsstaat gehören, oder der „elektoralen Autokratien“ (Schedler 2013), wie die Russische Föderation.

4. Formen

Es gibt nicht nur eine D., sondern viele Spielarten. Darauf hatte schon die aristotelische Staatsformenlehre aufmerksam gemacht. Sie gruppierte die D.n in der Staatenwelt der griechischen Antike nach ihrer sozialen Zusammensetzung, ihren Institutionen (Institution) und dem Vorrang des Gesetzes oder dem Vorrang der Stimmen auf einem Kontinuum. Dieses reichte vom gemäßigten Typ der Volksherrschaft – erkennbar am Vorrang des Gesetzes, der Vermögensqualifikation für politische Ämter und an der verhaltenen politischen Beteiligung – bis zur „extremen D.“, in der das Volk für seine Beteiligung Diäten erhielt und ohne Bindung an Gesetze entschied (Aristoteles, Politik [VI, Kap. 5] 1320 a, [VI, Kap. 4] 1319 a).

Auch die neuzeitliche D. hat die unterschiedlichsten Formen entwickelt. Die wichtigsten Unterschiede sind die zwischen Repräsentativ- und Direkt-D., zwischen parlamentarischem und präsidentiellem Regierungssystem (Regierungssysteme), zwischen Einheits- und Bundesstaat, zwischen Mehrheits- und Verhandlungs-D. sowie zwischen defekten und intakten D.n.

Im Unterschied zur griechischen Antike sind alle D.n der Neuzeit Repräsentativverfassungen. Das schließt direktdemokratische Verfahren nicht aus. Doch diese sind meist nachgeordnet und kommen i. d. R. auf der Gliedstaaten- oder Gemeindeebene (Gemeinde) zum Zuge, auf nationaler Ebene nur seltener. Es gibt aber auch Ausnahmen, allen voran die Schweiz, in der Direkt-D. nicht nur in den Kantonen und Gemeinden, sondern auch auf Bundesebene so weit ausgebaut wurde und so rege genutzt wird, dass die Eidgenossenschaft mitunter als „Referendums-D.“ bezeichnet wird.

Eine Mehrheit der modernen D.n hat die Form eines parlamentarischen Regierungssystems angenommen, für das die Abberufbarkeit der Regierung durch das Parlament charakteristisch ist. Seine Gegenstücke sind die präsidentiellen Regierungssysteme wie in den USA und der Semipräsidentialismus wie in Frankreich, den die ältere Regierungslehre als parlamentarisches Regierungssystem mit Präsidialdominanz eingestuft hatte. Im Präsidentialismus ist die Spitze der Exekutive einköpfig – das Amt des Staats- und des Regierungschefs (Staatsoberhaupt) ist in einer Person vereint – und in ihm ist die Regierung während der Legislaturperiode nicht abberufbar. Und den Semipräsidentialismus schließlich kennzeichnet eine Mischform aus präsidentiellem und parlamentarischem Regierungssystem.

Auch die Art der Staatsorganisation unterscheidet die D.n: Die meisten von ihnen sind Einheitsstaaten – manche zentralisiert, andere dezentralisiert, wie die nordeuropäischen Länder. Eine Minderheit ist bundesstaatlich verfasst, darunter alte D.n wie die USA und die Schweiz, und jüngere, wie Deutschland (BRD).

Balancierter ist die Verteilung der Staaten auf Mehrheits- und Verhandlungs-D.n, zu denen neben der „Proporz“- und der „Konkordanz-D:“ (Lehmbruch 1967 und 1992) die „Konsensus-D.“ (Lijphart 2012) gehören. Machtkonzentration (Macht) und vorrangige Konfliktregelung durch das Mehrheitsprinzip kennzeichnen die Mehrheits-oder Konkurrenz-D. Verhandlungs-D. hingegen sind durch Machtaufteilung charakterisiert und durch Konfliktregelungen, die auf Verhandeln im Zeichen von „Supermehrheiten“ (im Sinne hoher Mehrheitsschwellen wie Zweidrittelmehrheit oder Einstimmigkeit) gründen.

Etliche moderne D.n bieten ihren Bürgern mittlerweile weitreichenden rechtsstaatlichen Schutz (Rechtsstaat). Bes. weit vorangeschritten ist die relativ enge Bindung von D. und verfassungsrechtlich geschützten Beteiligungs- und Freiheitsrechten in den verfassungsstaatlichen D.n (Grundrechte, Menschenrechte). Das ist insb. in Westeuropa und in Nordamerika der Fall, ebenso in Japan, Australien und Neuseeland.

Die enge Korrelation von politischen Rechten und bürgerlichen Freiheits- und Abwehrrechten unterscheidet die etablierten verfassungsstaatlichen D.n von vielen Ländern, die erst mit der dritten Demokratisierungswelle zu volksherrschaftlichen Ordnungen wurden. Unter diesen finden sich etliche „defekte D.n“ (Merkel u. a. 2003). „Defekt“ heißen sie, weil sie – gemessen am Ideal der liberalen und rechtsstaatlichen D. –, schwere Strukturmängel aufweisen. Die vier Hauptformen der defekten D. sind die exklusive D. (in ihr ist ein erheblicher Teil der Erwachsenen insb. aufgrund von Rasse, Ethnie, Geschlecht, Weltanschauung oder Klasse vom Wahlrecht ausgeschlossen), die illiberale D., die durch schwere Rechtsstaatsmängel (Rechtsstaat) gekennzeichnet wird, die Domänen-D. (in ihr regieren Vetomächte einen Bereich des Staatsgebietes oder diktieren den gewählten Repräsentanten das Handeln, bspw. das Militär oder eine Guerillabewegung [[[Guerilla]]]) und die delegative D., die sich durch eine illiberale, populistische (Populismus), supermajoritäre Spielart eines Präsidentialismus auszeichnet.

Neuere Bezeichnung wie „D. 2.0“ (im Sinne einer über das World Wide Web organisierten Willensbildung), E-democracy (im Sinne aktiver Nutzung moderner Informations- und Kommunikationstechnologien zur demokratischen Teilhabe) oder liquid democracy (im Sinne einer flexibleren, „flüssigeren“ Kombination von Repräsentativ- und Direkt-D.) beziehen sich nicht auf Staatsverfassungen (Verfassung), sondern auf Teilbereiche des politischen Prozesses.

5. Demokratie in Deutschland

Deutschland hat einen schwierigen Weg zur D. hinter sich. Die Ablösung der konstitutionellen Monarchie des Deutschen Reiches von 1871 durch die Weimarer Republik 1918 läutete den ersten Anlauf zur D. in Deutschland ein. Er endete 1933. Auf ihn folgten 12 Jahre nationalsozialistischer Diktatur (Nationalsozialismus) und nach deren Zusammenbruch die „Jahre der Besatzung“ (Eschenburg 1980), in denen sich die politische Entwicklung in Deutschland für rund viereinhalb Jahrzehnte gabelte. In der SBZ stellte die SMAD im Verein mit der aus der Zwangsvereinigung von KPD und SPD hervorgegangenen SED die Weichen zugunsten eines diktatorischen Sozialismus, der 1949 mit der Gründung der DDR Staatsgestalt annahm. Ihrer Selbstbeschreibung zufolge war die DDR ein Staat der „Arbeiter- und Bauern-Macht“, eine „Diktatur des Proletariats“, so das Programm der SED vom 22.5.1976, oder eine „sozialistische D.“, so der Wortlaut des Art. 17 der Verfassung der DDR vom 6.4.1968. Mit „D.“ war allerdings im Unterschied zum D.-Verständnis des Westens eine gewaltenmonistische Herrschaftsordnung gemeint, die von der SED, die sich als „marxistisch-leninistische Kampfpartei“ definierte, geführt wurde.

In den westlichen Besatzungszonen des geteilten Deutschland hingegen wurde der Boden für eine bundesstaatlich gegliederte verfassungsstaatliche D. bereitet, die mit der Gründung der BRD im Jahre 1949 Staatsgestalt annahm. Bis 1990 blieb das zweite D.-Experiment in Deutschland auf den Westteil des geteilten Landes beschränkt. Erst die Herstellung der staatsrechtlichen Einheit Deutschlands am 3.10.1990 ließ den West- und den Ostteil des Landes im verfassungsrechtlichen Gewande der Bundesrepublik zusammenwachsen (Deutsche Einheit).

Deutschlands D. ist eine Repräsentativverfassung mit einem allgemeinen, freien, gleichen und geheimen Wahlrecht für alle männlichen und weiblichen Staatsangehörigen ab dem 18., bis 1970 ab dem 21. Lebensjahr. Die politische Willensbildung der zweiten deutschen D. ist konkurrenzoffen. In ihr spielen politische Parteien eine auch verfassungsrechtlich anerkannte Rolle. Diese ist so bedeutend geworden, dass viele Beobachter von einer „Parteien-D.“ oder einem „Parteienstaat“ sprechen.

Eingebettet ist die D. der BRD in einen Verfassungsstaat. Keine unbeschränkte Volksherrschaft sieht das GG vor, sondern eine konstitutionelle, verfassungsstaatlich gezügelte D. Gezügelt wird der demokratische Prozess insb. durch den Rechtsstaat und die Grundrechte, aber auch durch den Bundesstaat, der die konstitutionelle Gewaltenteilung um eine vertikale (zwischen Bund und Ländern) ergänzt. Zudem schreibt das GG eine Republik vor und verpflichtet die Verfassungsordnung mit einem „sozialen Staatsziel“ (Zacher 2004) auf einen pro-sozialstaatlichen Kurs (Sozialstaat). Außerdem schreibt das GG einen Bundesstaat vor und erklärt sich mit seinem Art. 24 für einen „offenen Staat“ (Di Fabio 1998), der zur Übertragung von Hoheitsrechten auf zwischenstaatliche Organisationen wie die EU und die NATO sowie auf eine internationale Schiedsgerichtbarkeit berechtigt ist, sofern diese mit den Fundamentalnormen des GG vereinbar sind.

Die verfassungspolitischen Weichenstellungen für Deutschlands zweite D. sind zugleich Entscheidungen gegen Alternativmodelle. Das Votum für die Repräsentativverfassung spiegelt die Frontstellung gegen die Direkt-D. wider, die den Architekten des GG als bes. störanfällig und stabilitätsbedrohend galt. Und die Einrichtung eines parlamentarischen Regierungssystems (Regierungssysteme) ohne Präsidialdominanz sollte den Semipräsentialismus verhindern, der in der WRV durch den politisch einflussreichen und aufgrund der Direktwahl durch das Volk eigenständig legitimierten Reichspräsidenten entstanden war.

Stabilisieren sollten auch die Selbstverteidigungsinstrumente der D., allen voran das Verbot verfassungswidriger Organisationen und die Beschneidung der Grundrechte von Verfassungsgegnern. Die darin dokumentierte Abwehrbereitschaft, die sogenannte streitbare oder militante D., unterscheidet die Bundesrepublik ebenfalls von der Weimarer Republik. Diese hatte äußerste, am Ende selbstzerstörerische Toleranz auch für D.-Gegner gewahrt.

Gemessen an den wichtigsten politischen Konfliktregelungsmustern ist die BRD eine Mischform aus einer Mehrheits- und einer Konkordanz-D. Die mehrheitsdemokratische Komponente, die Konflikte mit dem Mehrheitsprinzip regelt, ist im Parteienwettbewerb und in den Parlamentswahlen verankert. Das konkordanzdemokratische Moment hingegen, das die Konflikte durch Kompromissbildung auf dem Verhandlungswege, typischerweise mit übergroßen Mehrheiten und im Grenzfall durch Einstimmigkeit regelt, kommt insb. durch die Willensbildung im Bund-Länder-Beziehungsgeflecht zum Zuge. Der institutionelle Kern der konkordanzdemokratischen Strukturen liegt in den hohen Zustimmungshürden für Grundgesetzänderungen, die eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag und im Bundesrat erfordern, in den Zustimmungshürden insb. bei zustimmungspflichtigen Gesetzen, die, weil sie Länderbelange berühren, der Zustimmung des Bundesrates bedürfen, und in dem Vermittlungsausschuss zwischen Bundestag und Bundesrat, der im Streitfall zur – üblicherweise erfolgreichen – Streitbeilegung angerufen werden kann (Gesetzgebung).

Mittlerweile ist die D. in Deutschland tief verwurzelt. Im Westen ist sie seit 1949 ohne Unterbrechung die Staatsverfassung geblieben. Damit hat sie ein auch im internationalen Vergleich beachtliches Alter erreicht. Jünger ist die D. in Ostdeutschland. Infolge der 40-jährigen Vorgeschichte der DDR existiert die D. dort erst seit 1990. Das Deutschland von heute umfasst demnach zugleich eine junge D. und eine D. mittleren Alters. Dass die demokratische Staatsverfassung hierzulande insgesamt fest verwurzelt ist, zeigen alle historisch und international vergleichenden D.-Messungen – ein Befund, der in krassem Gegensatz zu der auf Seiten der Rechten und Linken populären Überzeugung steht, dass auch der zweite Anlauf zur D. in Deutschland nicht erfolgreich sei. Die große Mehrzahl der Beobachter ist anderer Auffassung. Etliche von ihnen werten Deutschland sogar als eine „geglückte D.“ (Wolfrum 2006) oder als eine rundum gelungene „Erfolgsstory“. Das ist zwar zu viel des Lobs, doch zweifelsohne gehört Deutschland zu den erfolgreicheren D.n. Zahlreiche Umstände begünstigten die Wiedereinrichtung und die Konsolidierung der D. zunächst in Westdeutschland, später im wiedervereinigten Deutschland. Zu ihnen gehören die vollständige Diskreditierung des NS-Regimes, der Flankenschutz, den die Demokratisierung von den westlichen Besatzungsmächten bekam, und das abschreckende Beispiel des Sozialismus in der DDR und den anderen Ostblockstaaten. Zugute kam der Redemokratisierung Deutschlands auch eine weitsichtigere Politik der westlichen Siegermächte als 1918/19: Diese boten der Bundesrepublik die Chance, an den inter- und supranationalen Organisationen des Westens, wie NATO und europäische Staatengemeinschaft, mitzuwirken und an den Früchten der Integration teilzuhaben. Wirtschafts- und sozialpolitische Bedingungen förderten die D. ebenfalls, bes. das hohe Wirtschaftswachstum der 1950er und 1960er Jahre, das zusammen mit dem Ausbau der öffentlichen Daseinsvorsorge und der Sozialpolitik den Lebensstandard der Bevölkerung wie nie zuvor erhöhte. Das kam der Anerkennungswürdigkeit der demokratischen Staatsform und ihrer faktischen Anerkennung spürbar zugute – ein klassischer Fall von Output-Legitimität (Legitimität). Vorteilhafte innenpolitische Konstellationen trugen ebenfalls zur Verwurzelung bei – unter ihnen die auf Interessenausgleich und Verständigung zielenden Spielregeln der Verfassung und der Arbeitsbeziehungen. Diese Spielregeln begünstigten die Einübung einer demokratischen politischen Kultur, die ihrerseits von der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Modernisierung des Landes Auftrieb erhielt. In die gleiche Richtung wirkten die Strukturen des politischen Systems. Es brachte nicht nur stabile Regierungen hervor, es sorgte auch für die Einbindung der parlamentarischen Opposition: Aufgrund der Gliederung in Bund und Länder hatte ein Verlierer einer Bundestagswahl, wie die SPD in den Jahren von 1949 bis 1965 oder die CDU/CSU in den Jahren der SPD/FDP-Koalition (1969–82) und der rot-grünen Koalition (1998–2005), die Chance, durch Siege bei Landtagswahlen in den Ländern und bei Abstimmungen im Bundesrat auch im Bund mitzuregieren. Die Einbindung der Opposition entschärfte potentiell gefährliche Spannungen zwischen den Lagern und stärkte den „nicht kontroversen Sektor“ (Fraenkel 1991: 272), den zur Stabilität einer D. unverzichtbaren Sockel an generellem Konsens. Nicht allzu scharfe Konfliktlinien insb. zwischen Arbeit und Kapital sowie überbrückbare Spannungen zwischen den Konfessionen kamen der D.-Verwurzelung in der Bundesrepublik ebenfalls zugute, wohingegen die Weimarer Republik bürgerkriegsähnliche Schlachten zwischen Weltanschauungslagern erlebt hatte.

Wie stark der Rückhalt wurde, zeigen auch die Einstellungen der Deutschen. Bes. viel Zuspruch erfährt die Idee der D. Die große Mehrheit wertet sie als die beste Staatsform. Zurückhaltender wird allerdings ihr Funktionieren im Lande beurteilt. Zufrieden damit zeigten sich in Westdeutschland 68 % der Befragten, in Ostdeutschland aber nur 60 % (Fuchs/Roller 2013: 372).

6. Funktionsbedingungen

Die Strukturen der D. und ihre Stärken wie Schwächen sind Gegenstand einer regen Debatte, in der die unterschiedlichsten Sichtweisen aufeinanderprallen (Demokratietheorien). Höchst unterschiedlich sind auch die Mutmaßungen über die Zukunft der D. Sie reichen von rosiger Zukunft bis zum Niedergang. Optimistische Deutungen sehen sie als Gewinnerin eines pro-demokratisch wirkenden Modernisierungsprozesses sozio-ökonomischer Art (Inglehart/Welzel 2005, Welzel 2013). Mit der Modernisierung bilde sich eine starke Bürgerkultur mit emanzipatorisch wirkenden Selbstentfaltungswerten heraus, die Freiheitsbestrebungen auch dort voranbringe und zur Institutionalisierung von politischen Teilhaberechten (Partizipation) steigere, wo bislang nichtdemokratische Staatsverfassungen existierten.

Zur Gegenthese neigen v. a. jene, die die D.n in einer tiefen Krise sehen: Sie laborierten an schwerwiegenden Funktionsstörungen, die sich in einer latenten Krise niederschlügen oder die D.n an den Rand des Zusammenbruchs führten oder kollabieren ließen. Die Urform dieser Sichtweise ist Platons Kritik der D. als tugend- und verantwortungslose, gleichmacherische Niemandsherrschaft. Moderne Spielarten finden sich in verschiedenen Krisentheorien der D., bspw. in der – populären, aber umstrittenen – Lehre der „Post-D.“ (Crouch 2008), der zufolge die Volksherrschaft sich in eine lebensuntüchtige Fassaden-D. zurückentwickelt habe.

Empirisch solider fundiert ist eine mittlere Position. Sie stammt von Beobachtern, die die Probleme der D., bspw. strukturelle D.-Defizite infolge der Übertragung von Hoheitsrechten (Souveränität) vom Nationalstaat auf zwischenstaatliche Organisationen, mit ihren Stärken, bspw. ihrer beträchtlichen Fehlerkorrekturfähigkeit, abwägen. Dieser Sichtweise zufolge haben insb. die nicht-defekten D.n infolge ihrer Anpassungsfähigkeit und ihrer inneren Stabilität eine sehr hohe Überlebenswahrscheinlichkeit. Dafür sprechen auch Weiterentwicklungen von Seymour Martin Lipsets berühmter These, wonach die D. nur unter bestimmten sozioökonomischen Funktionserfordernissen aufrechterhalten werden könne, insb. bei einem hohen Stand wirtschaftlicher Entwicklung. Die Forschung nach S. M. Lipset hat genauer erkundet, welche Pfade zur Persistenz von D.n führen. Adam Przeworski u. a. zufolge bleiben D.n ab einem Stand wirtschaftlicher Entwicklung von rund 4 000 US-Dollar pro Kopf in Preisen von 1990 höchstwahrscheinlich demokratisch. Zudem nehme die Überlebenswahrscheinlichkeit der D.n mit wachsendem Pro-Kopf-Volkseinkommen zu. Davon profitierten auch jene Länder, die auf einem niedrigen Stand ökonomischer Entwicklung zu D.n wurden. Umgekehrt gilt: Der „schlimmste Feind der D.“ ist eine „dysfunktionale Ökonomie“ als „Quelle massiver Armut und sozialer Animositäten“ (Lipset 1995: lxxv).

Bes. große Überlebenschancen haben D.n, wenn sie weitere politische und kulturelle Bedingungen erfüllen, wohingegen ein Zusammenbruch wahrscheinlicher wird, wenn eine größere Zahl dieser Bedingungen nicht erfüllt wird:

a) die wirksame zivile Kontrolle staatlicher Exekutivgewalt (Politische Kontrolle),

b) eine kulturell tief verankerte Wertschätzung individueller Autonomie und Freiheit einerseits und tief verwurzelter liberal-konstitutionelle Traditionen andererseits,

c) ein relativ hoher Grad säkularer politischer Kultur,

d) die Mehrheit der Bevölkerung erfassende Selbstentfaltungswerte,

e) eine ethnisch relativ homogene Bevölkerung oder – im Falle ethnischer Heterogenität – die autonomieschonende Regelung von Konflikten zwischen den Volksgruppen,

f) institutionelle Barrieren gegen Einparteidominanz,

g) relativ regelmäßige Regierungswechsel,

h) Schwäche oder Fehlen von Anti-System-Parteien,

i) völkerrechtliche Unabhängigkeit und unstrittige Grenzen (Grenze) sowie

j) ein demokratiefreundliches internationales Umfeld mit einem größeren D.-Anteil an der Gesamtzahl der Staaten.

7. Strukturprobleme

Auch wenn die große Mehrzahl der D.n nicht in schweren Krisen steckt, finden sie sich doch beträchtlichen Herausforderungen teils konjunktureller, grundsätzlich reduzierbarer Art, teils struktureller, kaum verrückbarer Natur gegenüber. Eines der konjunkturellen Probleme zeigt der Anteil der Nichtwähler an den Wahlberechtigten an (Wahlen). Er ist das Fieberthermometer der D.: Hohe Nichtwähleranteile sind Alarmsignale erster Ordnung, und gegen 100 % strebende Werte würden vom bevorstehenden Kollaps der D. künden. Von diesem Extrem sind v. a. die nicht-defekten D.n weit entfernt. Doch in vielen von ihnen sind die Nichtwähler schon die stärkste Gruppe, mitunter stellen sie bereits die Mehrheit der Wahlberechtigten, und vielerorts wächst ihr Anteil noch weiter (Wählerverhalten). Weil obendrein ein größerer Teil der Nichtwähler aus der Unterschicht stammt, bewirkt die sinkende Wahlbeteiligung einen beträchtlichen „Verlust politischer Gleichheit“ (Schäfer 2015). Davon blieb auch die BRD nicht verschont. Bei Bundestagswahlen stieg der Anteil der Nichtwähler von einem Minimum von 8,9 % (1972) auf ein Maximum von 29,2 % (2009). Noch höher ist der Nichtwähleranteil bei Landtagswahlen. Bei allen Landtagswahlen von 1946 bis 2000 lag der durchschnittliche Anteil der Nichtwähler bei 23,8 %, seither ist er auf 39,5 % gestiegen (Stand 2015). 2016 betrug dieser Anteil 33,9 %; eine Entwicklung, die sich durch die AfD-Mobilisierung im Bereich der Wahlabstinenten erklären lässt.

Herausforderungen der D.n liegen sodann in der abnehmenden Mitgliedschaft in Parteien und dem relativ geringen Vertrauen vieler Bürger in Parlamente (Parlament), Parteien und Politiker. Hinzu kommt in etlichen Ländern ein hoher Anteil „unzufriedener Demokraten“: Bürger, die grundsätzlich für die Sache der Volksherrschaft eintreten, aber mit der konkreten Funktionsweise der D. in ihrem Land unzufrieden sind. Entsprechend schrumpft der Anteil derjenigen, die der Zustand der D. in ihrem Lande zufriedenstellt. 61 % waren das im Durchschnitt aller westeuropäischen Länder im Jahr 2015 und nur 39 % in Osteuropa (Fuchs/Roller 2016: 409).

Neben konjunkturellen Schwächen haben viele D.n mit strukturellen Problemen zu tun, wie dem drohenden D.-Verlust infolge schrumpfender Gestaltungsspielräume, dem Problem der Unbeständigkeit der Zahl und dem loser’s consent-Problem. Die tendenzielle Schrumpfung des demokratisch kontrollierbaren Gestaltungsspielraums ist auch in den leistungsfähigsten D.n. ein Strukturproblem. Die Ursachen der Schrumpfung sind vielfältig und je nach Land verschieden: Sie reichen von richterstaatlichen Tendenzen und Bürokratisierung über komplexere Probleme politischer Steuerung und härtere ökonomische Schranken politischen Handelns im Zeitalter der Globalisierung bis zu dem strukturellen D.-Defizit, das die Verlagerung von Hoheitsrechten auf zwischenstaatliche Organisationen wie die EU erzeugt, wenn der hiermit verursachte D.-Verlust der Nationalstaaten nicht kompensiert wird durch mehr D. auf transnationaler und/oder subnationaler Ebene.

Zu den strukturellen Herausforderungen der D.n gehört auch die „Unbeständigkeit der Zahl“ (Hobbes 1984: 147), die der Unbeständigkeit der Natur der Herrscher eine weitere folgenreiche Unwägbarkeit hinzufügt. Die Unbeständigkeit der Zahl äußert sich, wie die moderne D.-Theorie (Demokratietheorien) zeigt, insb. in sogenannten wandernden (instabilen) Mehrheiten und in der hohen Pfadabhängigkeit demokratischer Entscheidungen: Schon kleine Änderungen bei den Verfahren der Abstimmung und der Verrechnung von Stimmen in Mandate können über Sieg oder Niederlange entscheiden. Die Lösung dieses Strukturproblems erfordert entweder Ignoranz – die Wähler kennen das Problem der demokratischen Pfadabhängigkeit nicht – oder Akzeptanz.

Doch das wirft ein drittes Strukturproblem auf: das loser’s consent-Problem. Es geht darum zu verhindern, dass die Wahlverlierer mit Abwanderung, innerer Emigration, Investitionsstreik, Arbeitsniederlegung oder Waffengewalt reagieren; stattdessen mit Akzeptanz. Das gelingt am ehesten, wenn zweierlei zusammenkommt: erstens eine realistische Chance der Verlierer, die nächste Wahl zu gewinnen, und zweitens ein Wahlgewinner, der die gewonnene Macht maßvoll nutzt und die Opposition und deren Wählerschaft pfleglich behandelt.